In einer bis anhin noch nie dagewesenen Parforceleistung hat die Schweiz in den vergangenen drei Jahren die Kooperation in Steuerfragen dem international geltenden Standard angepasst. Mit über 40 Staaten hat sie ihre DBA revidiert beziehungsweise neue DBA abgeschlossen. Damit ging sie weit über das hinaus, was von der OECD eingefordert wurde. Als das Global Forum damit drohte, die Schweiz bei den Peer Reviews durchfallen zu lassen, hat sie die DBA unverzüglich den zwischenzeitlich erhöhten Anforderungen angepasst. Auch im Verhältnis zu den USA ist die Schweiz vorausgeeilt und ermöglicht sogenannte Gruppenabfragen.
Damit aber nicht genug. Mit dem Ziel, unter anderem den automatischen Informationsaustausch langfristig abwehren zu können, schloss die Schweizer Regierung bislang mit Deutschland, Grossbritannien und Österreich separate Abkommen, um eine steuer- und strafbefreiende Nachsteuer für die Vergangenheit und eine Abgeltungssteuer für die Zukunft zu vereinbaren. Der Bundesrat beschreitet damit den historisch wohl einzigartigen Weg, dass ein souveräner Staat unter Inkaufnahme erheblicher Mindereinnahmen und Investitionen für einen ausländischen Fiskus Steuern eintreibt.
Mit Grossbritannien und Deutschland ist die Schweiz zusätzlich übereingekommen, eine Quellensteuer von 40 beziehungsweise 50 Prozent auf nicht gemeldete Erbschaften zu erheben. Damit entfällt de facto die Anonymität als eines der Kernelemente dieses Abkommens. Es wird im Regelfall kein Erbe die Quellensteuer in Kauf nehmen, sondern sich unter Inkaufnahme des Verlustes der Anonymität dem ordentlichen Erbschaftsbesteuerungsverfahren unterziehen.
Trotz dieser aussergewöhnlichen Schritte bildet insbesondere das Steuerabkommen mit Deutschland regelmässig Anlass für gehässige Voten. Die Bankkunden werden als Steuerbetrüger und die Bankmitarbeiter als Gehilfen qualifiziert, obwohl das Anlagevermögen in den meisten Fällen aus versteuerten Einkommen stammt. Auch wird verkannt, dass die Kapitalerträge je nach Vermögensanlage mit der EU-Zinssteuer oder der Verrechnungssteuer von je 35 Prozent belastet sind, also höher als sie es mit der deutschen Abgeltungssteuer von 26.375 Prozent wären.
Es ist von „Steuergerechtigkeitslücke“ die Rede. Dabei wird ausgeblendet, dass die Erträge aus nicht versteuerten Vermögen in der Schweiz für Deutschland ein Randproblem sind, wenn man sie in Vergleich setzt zu den unversteuerten Einnahmen aus der Schwarzarbeit, die auf mehrere hundert Milliarden Euro geschätzt werden. Ausgeblendet wird auch, dass Deutschland Anreiz bildet für Schweizer, welche ihre Vermögen bei deutschen Banken anlegen und die Zinsen quellensteuerfrei beziehen. Eine Mitteilung an den schweizerischen Fiskus erfolgt selbstredend nicht und auch eine Prüfung der Steuerkonformität durch deutsche Banken ist kein Thema. Es ist ein offenes Geheimnis, dass gewisse Banken im grenznahen Raum mehr als die Hälfte der Kundengelder von Schweizer Kunden haben.
Die Schweiz scheint es niemandem recht machen zu können. Die Befürworter der Steuerabkommen stellen sich auf den Standpunkt, es gäbe keine Alternativen. Leider wurde eine ernsthafte Diskussion über andere Optionen nie geführt. Eine Möglichkeit könnte darin bestehen, keine Sonderlösungen mehr zu treffen, sondern den jeweils geltenden internationalen Standard zu übernehmen. Allerdings müsste sichergestellt sein, dass Informationen im Ergebnis gleich erhältlich wären. Dies ist beispielsweise nicht der Fall, solange es Staaten gibt, welche – im Unterschied zur Schweiz – die Eröffnung von Bankkonten ohne Identifizierung des wirtschaftlich Berechtigten zulassen.
Je nachdem, wie die Schweiz ihre Praxis bei der Amtshilfe zu den Gruppenabfragen festsetzen wird, besteht der Unterschied zum automatischen Informationsaustausch im wesentlichen nur noch darin, dass der Betroffene Kenntnis von der in Aussicht genommenen Amtshilfe erhält und Rechtsmittel dagegen einlegen beziehungsweise eine Selbstanzeige machen kann. Auf der anderen Seite wird der Druck, den automatischen Informationsaustausch durchzusetzen, bestehen bleiben und dürfte verstärkt werden, wenn die Gelder für die Regularisierung abgeflossen sind. Vor diesem Hintergrund könnten sich die Steuerabkommen als (zu) teurer Zwischenschritt erweisen.
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