Philipp Hildebrand ist ein begnadeter Selbstvermarkter. Im Wissen um seine heutige Wahl ins Topgremium des Welt-Assetmanagers BlackRock tauchte er letzte Woche überraschend aus der Versenkung auf und gab Hinz und Kunz Interviews.
Der gefallene Glamour-Notenbanker gibt damit ein fulminantes Comeback mit Millionen-Segen. Doch Hildebrands wiedergewonnene Rolle im Rampenlicht kontrastiert mit dem von ihm zurückgelassenen Scherbenhaufen in der Nationalbank.
Es war Hildebrands Führungsanspruch, der dazu führte, dass die SNB den Franken letzten September in einem historischen Entscheid an den Krisen-Euro kettete.
Die Anbindung an die Einheitswährung kommt die Bank und die Schweiz teuer zu stehen. Die SNB muss derzeit die Devisenmärkte mit Franken fluten.
Die einst hyper-konservative Hüterin über den Schweizer Franken ist damit zu einem gigantischen Hedgefundmanager geworden. Alles auf Euro, lautet die Wette des kleinen Landes.
Auslöffeln muss die Euro-Suppe des eloquenten Showmasters Hildebrand dessen Nachfolger Thomas Jordan.
Jordans Chancen stehen schlecht. Der Professor der Volkswirtschaft mit dem Aussehen eines Klosterzöglings überzeugt die Investoren nicht. Diese verstärken ihre Spekulation auf einen Euro-Crash, in dessen Folge der Franken explodieren würde.
Für die Hedgies und Spekis dieser Finanzwelt wäre es das Geschäft des Lebens. Once in a Lifetime, sagen die Angelsachsen.
Die massive Flucht in den Franken hängt direkt mit den obersten Köpfen zusammen.
Hildebrand, ein Ex-Hedgie, spricht die Sprache der Trader. Dich schlage ich, strahlte er letzten Herbst bei seinem Big gamble mit jeder Faser des Körpers aus.
Jordan ist das pure Gegenteil. Introvertiert und intellektuell, verkörpert Helvetiens neuer Ober-Banker den berühmten Schuster, der bei seinen Leisten bleibt.
Der Markt hat sich seine Meinung längst gemacht.
Hildebrand traute er zu, die 1,20er-Grenze um jeden Preis zu verteidigen; Jordan nicht.
Mit gutem Grund. Dass Jordan vor 3/4 Jahren aus tiefer Überzeugung für die Euro-Untergrenze gestimmt hat, ist unwahrscheinlich.
Das geht aus Jordans dokumentierter Vergangenheit als renommierter Geldtheoretiker hervor.
1999, als der Euro an den Start ging, warnte Jordan zusammen mit zwei Notenbank-Spezialisten vor einer Anbindung.
Wie „Der Sonntag“ berichtete, warnte Jordan im Aufsatz laut und deutlich vor fehlenden Vorteilen, aber hohen zusätzlichen Kosten.
Ein SNB-Sprecher begründete Jordans Schwenker gegenüber der Zeitung damit, dass der Notenbanker den Artikel „als Wissenschafter“ geschrieben habe, während er die Euro-Anbindung nun als „SNB-Chef“ durchsetzen würde.
Wie kann ein Wissenschafter seine Meinung um 180 Grad ändern?
Im Essay von 1999 entpuppt sich Jordan als vorzüglicher Geld- und Inflationsspezialist. Schlüssig belegt er seine Abneigung gegen eine Euro-Anbindung.
An der entscheidenden Stelle auf Seite 34 schreibt der heutige SNB-Chef, der damals bereits auf dem aufsteigenden Karriereast der Notenbank war, worum es im Kern geht.
„Verfechter eines Anbindens des Frankens möchten die reale Aufwertungstendenz durch die Fixierung des nominellen Wechselkurses brechen. Es stellt sich die Frage, ob dies überhaupt möglich wäre. Die Geldpolitik hat langfristig keinen Einfluss auf die relativen Produktivitätsfortschritte zwischen dem Binnen- und dem Exportsektor und folglich auch nicht auf die relativen Preise zwischen den handelbaren und den nichthandelbaren Gütern.“
Kurz: Geld- und Realwirtschaft sind zwei Paar Schuhe.
Jordan fährt fort. „Eine Anbindung des Frankens an den Euro würde somit einen möglichen realen Aufwertungstrend des Frankens nicht beeinflussen und auch die Wettbewerbsfähigkeit des Exportsektors nicht grundsätzlich tangieren. Hingegen würde die Fixierung des nominellen Wechselkurses bedeuten, dass die reale Aufwertung nur über ein höheres Preisniveau resp. über eine höhere durchschnittliche Inflationsrate in der Schweiz erfolgen könnte.“
Sprich: Das Leben in der Alpenrepublik wird noch teurer.
Professor Jordan zieht ein vernichtendes Fazit: „Die Anbindung des Frankens hätte in diesem Fall nicht nur keinen Vorteil, sondern würde der schweizerischen Volkswirtschaft zusätzlich die Kosten einer höheren Inflationsrate auferlegen.“
Von Teuerung keine Spur, wird entgegnet. Nur: Die offizielle Teuerungsrate täuscht, wie der Kassensturz am Monatsende zeigt.
Kommentare
Kommentieren
Die beliebtesten Kommentare
-
Sehr geehrter Herr Hässig,
Können sie mir bitte sagen, wieso kein Journalist oder Politiker auf die Idee gekommen ist, mit den ganzen Euros einen Schweizer Staatsfond zu gründen und damit die Pfeiler der europäischen Wirtschaft d.h. Volkswagen, Danone etc. aufzukaufen?
a)Kein Problem mit der zukünftiger Inflation oder Eurokrise, da Realwert. Ob Siemens zukünftig in DM oder Danone in FF gehandelt wird, stört ja nicht.
b)Politische Munition für weitere Verhandlungen mit Europa. Ein Holdingsitz der Siemens in der Schweiz würde sogar ein Merkel beugen.
c)Dividendenauszahlungen jetzt und in einer zukünftigen besseren Welt Riesenkapitalgewinne. Was den Kantonen gefallen würde, die vermutlich mit den EUR-verlusten der SNB leer ausgehen würde.Die Souveränitätsfond, Singapore (9% Citigroup etc.), Saudi-Arabien (20% Volkswagen etc.), Norwegen (grösster Aktieninhaber in Europa) dieser Welt machen es uns ja vor.
Die macht niemand an, da ihnen ja halb Europa schon gehört, wieso kauft die Schweiz dann nicht die andere Hälfte? Günstig wäre es ja und EUROS haben wir ja im Ueberfluss.Besser als eine Oelquelle oder eine Goldmine, die versiegen könnte. Die ganzen Hedgefunds dieser Welt würden uns die „Aktien“-Kassen füllen.
Schreiben Sie doch mal hierzu was, oder ist das nicht solidarisch genug? -
Ich hoffe stark, dass die Uni Bern den Mut hat, dem Herrn Dr. Jordan den Doktortitel zu entziehen.
Entweder i) war seine frühere wissenschaftliche Arbeit total daneben, oder ii) er hat mittlerweile den Verstand verloren. So oder so ist Hr. Jordan eines solchen akademischen Titels unwürdig. -
Ist schon Sommerpause mit entsprechend geringem Newsflow?
-
es ist schon faszinierend, wie sehr sich die politik mit den „ungeschicklichkeiten“ der herren hildebrand und blocher beschaeftigt. gaenzlich vergessen geht dabei, dass in der zeitphase dezember bis januar die einzige gelegenheit da war den peg zu erhoehen etc.. fuer die spielereien zahlt die nationalbank nun einen hohen preis.
-
Hildebrand führte in Extremis weiter, was sein Vorgänger Roth bereits praktizierte. Was nun, denn Rückgängig machen lässt sich das nicht. Meiner (schon lange gemachten) Meinung ist ein politisch unabhängiger Staatsfonds für die Verwaltung der Devisen, während die SNB und Tresorerie koordiniert die „Franken-Seite“ überwachen. Dazu haben sie ein breites Instrumentarium, damit die (zu-)vielen Franken nicht zum Inflationsproblem werden.
KMU’s müssen Währungsrisiken aktiv verwalten. Es gab sehr lange Zeitfenster (EUR/CHF um 1.45/1.50) grössere Teile des zukünftigen Exportes noch zu attraktiven Wechselkursen auf Jahre abzusichern. Der Aufwertungsdruck des CHF ist kein neues Phänomen. Die SNB Politik soll im Gesamtinteresse der Schweiz betrieben werden und darf nicht von Partikularinteressen abhängen. -
-
herr hässig, die schweiz ist mehr als journis und banker. es gibt keine alternative zur euro-untergrenze. gehen sie einmal dahin, wo werte geschaffen werden, nicht nur heisse luft und papier.
-
Es steht jedem frei, eine andere Seite anzuklicken; hier wird es jedoch von Lesern wie ich begrüsst, dass genau diejenigen, welche in unserer Branche heisse Luft produzieren, identifiziert werden. Hi’bra. gehört definitiv dazu – Blackrock hin oder her. Keine Alternative? Und was machen Sie, wenn der Euro dereinst ganz verschwindet und die Schweiz auf zig Mia. dieses wertlosen Unsinns sitzt? Da sage ich: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Die Untergrenze ist nichts anderes als eine EU-Subventionierung auf Ragen, schlussendlich finanziert durch unsere Steuergelder – hier werden Werte vernichtet, nicht geschaffen.
-
-
Na ja, es sind ja nicht bloss die Produktivitätsunterschiede, die den CHF erstarken lassen, sondern heute überwiegend die Flucht ausländischer Gelder/Anlagevermögen in die Schweiz bzw. den „sicheren“ Schweizer Franken. Der freie Kurs würde heute massiv an den Produktivitätsrealitäten vorbei überschiessen. Hier muss die Nationalbank VORUEBERGEHEND eingreifen, zum Schutz des Werkplatzes und der Auslandsvermögen der Schweiz bzw. der Schweizer Unternehmen und Bürger. Das kostet die Schweiz vorerst auch gar nichts, und Ueberschuss-Liquidität kann dann zu einem gegebenen Zeitpunkt wieder abgeschöpft werden, um eine zu grosse Inflation zu vermeiden (wenn wir doch bloss heute wenigstens noch eine kleine hätten…).
Na ja, es sind ja nicht bloss die Produktivitätsunterschiede, die den CHF erstarken lassen, sondern heute überwiegend die Flucht ausländischer…
herr hässig, die schweiz ist mehr als journis und banker. es gibt keine alternative zur euro-untergrenze. gehen sie einmal dahin,…
Hildebrand führte in Extremis weiter, was sein Vorgänger Roth bereits praktizierte. Was nun, denn Rückgängig machen lässt sich das nicht.…