Die Dimension ist gigantisch. Die Zürcher Privatbank Julius Bär soll den US-Behörden 2’500 aktuelle und ehemalige Mitarbeiter offengelegt haben.
Bär intern war der Aufschrei – anders als draussen – riesig. Schliesslich handelte es sich im Never-ending-Steuerstreit der USA gegen den Finanzplatz um die bisher grösste Einzel-Datenoffenlegung von Angestellten.
Kann ich niemals mehr in die USA reisen?, fragten sich viele Bär-Leute. Stehe ich auf einer globalen Fahndungsliste? Werde ich beim Grenzübertritt verhaftet?
Ein immer engerer Bewegungsspielraum machte den Betroffenen die grössten Sorgen. Wird es für mich bereits in Deutschland brenzlig, oder muss ich nur in Amerika aufpassen?
Die Bankchefs merkten rasch, was es geschlagen hatte. Statt zu schweigen, gingen sie in die Kommunikations-Offensive.
Auf internen Roadshows versuchte Bär, die Wogen zu glätten. Vor 2 Wochen standen spezialisierte Anwälte der Bank den Mitarbeitern Red und Antwort mit dem Ziel, ihnen ihre Verunsicherung zu nehmen.
Der Grund für die Misere ist der Kniefall der Schweiz vor den USA. Bär ist nur eine von 11 Banken, die diesen Frühling die Namen aller heutigen und früherer Mitarbeiter und Manager den USA gemeldet haben, die sich jemals mit unversteuerten US-Kunden „verschmutzt“ hatten.
Es ist der bisherige Höhepunkt der Appeasement-Politik der Schweiz. Zuvor waren Tausende von US-Steuersünder geopfert und sämtliche bankinternen E-Mails und andere Dokumente mit eingeschwärzten Passagen nach Washington übermittelt worden.
Laut Westschweizer Medienberichten sollen die 11 Banken, darunter neben Bär auch die CS, die ZKB, die Basler KB und die HSBC Schweiz, rund 10’000 Namen von aktuellen und ehemaligen Bankern überstellt haben.
Das Thema beschäftigt Genf und Lausanne viel stärker als Zürich und Basel. Für Wirbel sorgte dort ein Ex-Generalsekretär der bedrängten HSBC Schweiz, eine Tochter des englisch-asiatischen Finanzmultis.
Der Ex-Kadermann heisst Eric Delissy. Er hat seine Bank inzwischen angezeigt.
Delissy sagt, er habe Anfang der 2000er Jahre im Zuge der Einführung des globalen US-Offenlegungsstandards Qualified Intermediary (QI) lediglich seine Arbeit getan. Dass ihn die HSBC dafür den USA ans Messer liefere, sei illegal.
Ein hoher Banker auf dem Platz Zürich meint, dass die Prozess-Chancen für den Mitarbeiter gut stünden. Delissy dürfte wohl Schadenersatz erhalten.
Das würde eine Pandora-Büchse öffnen. Der Fall des HSBC-Managers könnte zum Musterprozess für Tausende betroffener Bankangestellte werden.
Denen brennt das Thema unter den Nägeln. Laut einem Bär-Mitarbeiter seien Hunderte an mehrere interne Hearings geströmt. Sie hätten die Redner, darunter die mit den Verhandlungen beauftragten US-Anwälte der Zürcher Bank, mit Fragen bombardiert.
„Alle wollten wissen, wie es um ihre persönliche Sicherheit steht“, sagt die Quelle. „Niemand weiss, was die USA mit den Namen vorhat.“
Die Bär-Anwälte verabreichten Beruhigungspillen. Ihre Botschaft lautete: Macht Euch keine Sorgen, es ist alles nur eine Formalie. Und sogar von Vorteil für alle.
Die Offenlegung der 2’500 Mitarbeiter-Namen sei nötig gewesen, um mit den USA ins Geschäft zu kommen. Ziel sei ein Strafaufschub mit Aussicht auf ein Ende des Konflikts.
Bereits im Dezember könnte man sich mit den Amerikanern einigen, meinten die Anwälte laut der Quelle.
Ein Bär-Sprecher wollte dies nicht bestätigen. Er könne keine Angaben zu einem allfälligen Deal machen.
Dass bei Bär Tausende von Mitarbeitern namentlich den USA gemeldet wurden, hängt mit der QI-Einführung zusammen. Jeder Banker, der damals in einem Mail einkopiert war, wurde den Amerikanern offengelegt.
Schon vor Bär hatte die HSBC für ihr Personal eine Informationsinitiative gestartet. Seit April können alle HSBC-Banker telefonisch nachfragen, ob ihr Name auf der US-Liste figuriert.
Laut der Zeitung Le Temps hatte die Bank rund 1100 Angestellte nach Übersee gemeldet.
Für den Bankpersonalverband ist die Namensnennung gegenüber der US-Justiz ein zentrales Thema. Die Gewerkschaft hat eine eigene Hotline eingerichtet.
Zudem nahm sie den Ex-Vize-Chef des Justiz-Bundesamtes unter Vertrag. Der skizzierte im Juni an zwei Veranstaltungen in Zürich und Genf die Gefahren.
Wer jemals Kontakt mit unversteuerten US-Kunden gehabt habe, der verbringe seine Sommerferien besser in der Schweiz, lautet die Empfehlung des pensionierten Chef-Beamten.
Hingegen hätten Support-Leute wenig zu befürchten. Von Reisen in die USA riet er aber allen ab, die auf der Liste stünden.
Bei Julius Bär ist das Reiseverbot nach Amerika weiterhin in Kraft. Besonders exponierte Banker wie US-Kundenberater sowie Mitglieder des oberen Managements müssen sich vor jeder Auslandreise intern grünes Licht geben lassen.
Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Die betroffenen Bankmitarbeiter werden nicht einmal informiert, ob Sie auf der Liste sind oder nicht. Die Bank lässt Sie einfach ins Messer laufen, wenn Sie das nächste Mal in die USA einreisen. Grossartig wie die Bank Ihre eigenen Mitarbeiter verrät!
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Nun muss man sich nicht mehr wundern, dass Schweizer Bankdaten anderen Staaten verkauft werden, wenn das Management die eigenen Mitarbeiter bzw. der Staat Bankmitarbeiter verrät!
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Als ehemaliger Bär-Cayman-Mitarbeiter (bis 2002) wurde ich in den USA 2009 zu einer Befragung „aufgefordert“. Die Gefahr besteht damit nicht nur für gegenwärtige Mitarbeiter sondern auch für Mitarbeiter, die vor Jahren bei Julius Bär arbeiteten. Uebrigens bei den Befragungen erfährt man, dass die US unglaubliches Material über Jahre angesammelt haben!
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Was geistert denn der Hr. Elmer (wenn er es denn ist) hier durch dieses Forum?
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…freies Land, freie Meinunsäusserung… …dieses Forum sollte für alle offen sein…
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Der Inhalt spricht für sich.
WB -
Der Inhalt spricht für sich. WB
Als ehemaliger Bär-Cayman-Mitarbeiter (bis 2002) wurde ich in den USA 2009 zu einer Befragung "aufgefordert". Die Gefahr besteht damit nicht…
Nun muss man sich nicht mehr wundern, dass Schweizer Bankdaten anderen Staaten verkauft werden, wenn das Management die eigenen Mitarbeiter…