Für Andy Rihs, einer der reichsten Schweizer, war gestern Weihnachten und Ostern. Seine Young-Boys-Kicker trotzten dem grossen Liverpool ein 2:2 ab, und sein Ruf als Saubermann bleibt intakt.
Der starke Mann der börsenkotierten Sonova-Hörgerätefirma ist nämlich kein illegaler Insider. Das hat die Zürcher Wirtschaftsanwaltschaft soeben entschieden.
Die Strafbehörde stellte ein seit 2011 laufendes Ermittlungsverfahren gegen Rihs, dessen früheren CEO Valentin Chapero und weitere Sonova-Manager ein.
Eine Sprecherin der Oberstaatsanwaltschaft bestätigt, dass noch eine letzte Frist von wenigen Tagen für allfällige Einsprachen laufe. Danach seien alle Sonova-Insider-Strafverfahren vom Tisch.
Vertraute von Rihs und Chapero wollten keine Stellung nehmen und verwiesen an die Behörden.
Für die Zürcher Bank Bellevue, die vor nicht allzu langer Zeit von der Finanzaufsicht in einem anderen Fall massiv gerügt worden war, sind das gute Nachrichten.
Die Bellevue-Banker waren die Vermittler eines grossen Aktienverkaufs von Sonova-Unternehmer Rihs an einen US-Investoren. Die Bank war nicht Teil der Zürcher Strafuntersuchung.
Der Sonova-Insiderfall hatte im März 2011 Schlagzeilen geschrieben. Nach einer Gewinnwarnung stürzten die Sonova-Aktien von 130 auf 80 Franken, kurz darauf lagen sie noch bei 60 Franken.
In den 2 Wochen vor dem Crash hatten Sonova-Chefs, die per Definition Insider sind und als solche einen Informationsvorsprung haben, eigene Aktien und Optionen über 47 Millionen verkauft.
Allein der damalige Präsident Andy Rihs sackte durch den Verkauf seines Pakets über 37 Millionen ein. Der Kurs lag da noch bei stolzen 125 Franken.
Die Bank am Bellevue hatte Anfang 2011 im Bergdorf Flims einen Investoren-Event zu Sonova veranstaltet. Aufgetreten war dort auch Sonova-CEO Valentin Chapero.
Ein Investor zeigte danach Interesse an einer grossen Beteiligung. Die Bellevue-Banker sondierten ein Engagement für ihren Kunden via Sonova-Finanzchef.
Dieser schloss sich mit dem privaten Berater von Sonova-Zampano Rihs kurz. Anfang März 2011 verkaufte Rihs via Bellevue-Bank einen stolzen Sonova-Aktienposten.
Der Absturz folgte wenige Tage später, der Wert des Aktienpakets sackte um mehrere Millionen in die Tiefe.
Rihs stand vor einem riesigen Reputationsschaden. Sofort kaufte er dem Bellevue-Kunden die Titel zum alten Verkaufspreis zurück. Damit war der Amerika-Investor fein raus. Für Bellevue hatte sich die Sache erledigt.
Nicht für Rihs & Co. Bei Sonova setzte hinter den Kulissen ein hektisches Treiben ein.
Die Zürcher Star-Kanzlei Homburger drehte im Auftrag der Firma jeden Stein rund um die Gewinnwarnung und die vorgängigen Verkäufe von Aktien und Optionen durch Insider um.
Insgesamt waren in der Zeit von Anfang bis Mitte März, als die Gesellschaft die Öffentlichkeit über unerfreuliche Februar-Umsätze informierte, 35 Transaktionen von Sonova-Insidern erfolgt. Davon waren 34 Verkäufe.
Die Homburger-Anwälte schossen sich auf die operativen Chefs ein. Ihre Ermittlungen fokussierten auf CEO Chapero, der bis dahin als Held des Sonova-Aufschwungs der letzten Jahre gegolten hatte, und dessen Finanzchef.
Beiden wafen die Homburger-Ermittler vor, dass sie im Wissen über die schlechten Zahlen viel rascher hätten Alarm schlagen müssen.
CEO Chapero war zudem noch einer Lüge überführt worden. Der Spanier hatte anfänglich abgestritten, dass er zum Zeitpunkt eines Insider-Deals bereits im Bild über den verhagelten Winter gewesen war.
Es kam zum Knall. Chapero und der CFO landeten Ende März auf der Strasse, Rihs gab das Präsidium ab, blieb aber im VR.
Wenige Tage später fuhr im Morgengrauen die Zürcher Polizei vor. Rihs, Chapero und der Finanzchef wurden auf den Posten mitgenommen, ihre Häuser und Büros durchsucht, die Handys beschlagnahmt.
Rihs durfte nach der Befragung gleichentags wieder gehen, Chapero und der Finanzchef mussten eine Nacht im Gefängnis verbringen.
Jetzt können alle Sonova-Manager wieder nach vorn blicken. Rihs tanzt auf seinen Sport- und übrigen Bühnen, Chapero hat sich selbstständig gemacht, der Ex-Finanzchef ist neu bei Nobel.
Zurück bleibt die Schweizer Insider-Strafnorm. Viele Beobachter dachten, dass der Sonova-Insiderfall erstmals auch in Helvetien zu einem grossen Prozess führen würde.
In den USA werden Insider hart angepackt. Der Ex-McKinsey-Chef und -Goldman-Sachs-Verwaltungsrat Rajat Gupta wurde soeben wegen Insidermissbrauch zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt.
Ein Zürcher Experte für Wirtschaftsrecht sagt, die Krux liege beim Vorsatz. „Den möglichen Tätern muss nachgewiesen werden, dass sie den Kauf oder Verkauf der Wertpapiere im Wissen um die kursrelevante Tatsache und mit der Absicht, diese zu ihren Gunsten zu nutzen, tätigten.“
Insider hätten viele Gründe für Deals. „Es ist nicht abwegig, zum Bezahlen der Steuern sich von einigen Papieren zu trennen, vor allem wenn die Steuerrechnung schon ins Haus geflattert ist.“
Kommentare
Kommentieren
Die beliebtesten Kommentare
-
Ein weiterer trauriger Tag im Kapitel „Rechtsstaat Schweiz“. The richer you are, the less you get f***ed.
-
Ach hört auf mit dem Insiderrecht und dem ganzen drum und dran. Das greift je nie wirklich. Ich vermute das ganze wurde nur gemacht das wir a: so eins haben und als sauber da stehen und b: das der kleine Angestellte auf der Bank wo was mitkriegt und so ein paar „Fränkli“ extra verdient das dem so richtig eingeheizt werden kann. Damit dieser Acker von den Grossen beackert werden kann und der kleine Mann ja nichts abschöpfen kann. Sollte da mal ein grosser Fisch ins Netz gehen gibt’s tausend ausreden und es wird was gespendet womit der am Schluss noch als Sozial und Grosszügig da steht. Träumt im Bett aber nicht wenn es ums liebe Geld geht.
-
Das CH-Insiderrecht ist so ausgelegt, dass praktisch immer Beweisnotstand geltend gemacht werden kann. Hat dies System?
Hans Kaufmann hat im Parlament die Frage gestellt, ob bei der SNB Compliance-Vorschriften etc. eingehalten wurden. Dies mit Vermutungs-Verweis auf allfällige Insider-Tatbestände. Vertreter der SVP haben im Gefolge von Insider-Transaktionen von Herrn Hildebrand gesprochen (NR Blocher; NR Mörgeli)
Anderseits war Hans Kaufmann selbst lange Zeit Berater eines CH-small-cap-Sondervermögens bei der IST Anlagestiftung (2. Säule).
Ich zitiere:
Quelle (18.08.2006) http://www.blick.ch/news/schweiz/artikel42996„Die aktuelle Debatte um Swissfirst zeige, dass die Strafnorm rasch verschärft werden müsse, sagte Merz. Merz wurde im Interview auch zur Rolle des Zürcher SVP-Nationalrats Hans Kaufmann befragt, der bis vor kurzem Swissfirst-Verwaltungsrat gewesen war und auch Pensionskassen beriet, die an den umstrittenen Transaktionen mit Swissfirst-Aktien beteiligt gewesen waren.“
Wirkt es nicht etwas ablenkend oder gar scheinheilig, wenn sich Hans Kaufmann einerseits im Parlament über die Einhaltung von compliance-Regeln bei der SNB erkundigt und anderseits lange Jahre als Berater eines Small Cap Sondervermögens mit CH-Nebenwerten bei einer Anlagestiftung mit-verantwortlich zeichnete, die im Zusammenhang mit Swissfirst Transaktionen in den Medien genannt wurde?
Die Vermutung liegt nahe, dass die Insider-Strafnorm eine Alibi-Norm darstellt und die durch parallel-und front-running privatisierten Gewinne nach wie vor als Kavaliersdelikte gelten, um bestehende Netzwerke zu decken. -
…und vom systematischen Doping im Radsport-Team hat man auch nichts gewusst… Die Justiz ist Teil dieses korrupten Systems! Wir, die 99%, müssen uns gegen die Profiteure und Oligarchen zur Wehr setzen, denn dagegen sind sie machtlos! Aufwachen bitte.
-
Ist es normal hierzulande, daß sich die Aufsichtsbehörde mit einem Bericht zufrieden gibt, welcher bequemerweise von Anwälten der Beaufsichtigten (Sonova) verfasst wurde?
Ist es bloß „bad luck“, daß hier wieder der Name einer Bank auftaucht, die sich im Börsenhandel eine Reputation erarbeitet hat, die mittlerweile etwas „abgeschliffen“ ist?
-
-
Es muss wieder mal darauf hingewiesen werden, dass der Insiderhandel bei uns hauptsächlich wegen Schwierigkeiten im Rechtshilfeverkehr mit den USA ins Strafgesetzbuch aufgenommen wurde. Das war anno 1988. Dabei gelang das Kunststück, scharf klingende Normen zu schaffen, die sich aber bei der Anwendung im eigenen Land regelmässig als zahnlos erweisen.
Und unser Parlament lässt sich viel Zeit mit der geplanten Verschärfung des Börsengesetzes.
-
Soso, Chapero wurde beim Schwindeln ertappt. – Wundert mich nicht.
-
Was glaubt ihr da draussen, mit welchen Leuten sich Rish wohl auf seinem Weingut so getroffen hatte in den letzten Jahren?
Aber auch für die gilt; das letzte Hemd hat keine Taschen. Rish war in diesem Deal nur die Spitze des Eisberges. Da haben sich noch einige Leute mehr an diese Geschichte gehängt.
Im Steueranschuldigung gilt ja schon seit langem, das umgekehrte Beweisverfahren, warum nicht auch bei Insider Geschäften? ist doch klar, viele hängen selbst mit drinn! -
Kaum zu glauben – wir haben schon eine „Vetterli-Justiz“! Einfach eine Schande!
-
Ich mag es nicht, wenn ich zensuriert werde.
-
Verständlich. Es ist oft eine Gratwanderung. Unter Impressum (https://insideparadeplatz.ch/impressum/) ist die Handhabung aufgeführt.
-
-
Diese Virtuosen haben wieder einmal ein vortreffliches Stück auf Ihrer Klaviatur zum Besten gegeben. Sie tummeln sich im Graubereich, nutzen Lücken aus und verschaffen sich überall kleine Vorteile – sei es im Business, sei es im Sport. Und wenn sie erwischt werden, stellen sie sich unwissend und verpulvern ihre fragwürdig erlangten Renten für die Anwälte zu ihrer Verteidigung und die Rückzahlung der Gewinne (die grossherzig einem guten Zweck zugeführt werden). Am Schluss scheint es aber doch aufzugehen, da die Strafverfolgung zahnlos ist und man sich in der Öffentlichkeit als Mäzen und Sponsor positionieren kann. Und an den Kaderschmieden werden sie als „role models“ abgefeiert. Das gabs schon immer und wirds immer geben.
-
Passt doch, es ist eben nicht die Aufgabe der Strafjustiz alle Gesetzesverstösse zu ahnden, es geht darum die politischen richtig Verstösse zu verfolgen – und fasst noch wichtiger, eben gerade nicht zu verfolgen. Verfolgung von Insiderhandel würde dem Ruf des Finanzplatz Schweiz schaden!
-
Lächerlich, wie (leider) so vieles in dieser Bananenrepublik. – Aber im Ausland ist’s meist nicht besser.
Verständlich. Es ist oft eine Gratwanderung. Unter Impressum (https://insideparadeplatz.ch/impressum/) ist die Handhabung aufgeführt.
Soso, Chapero wurde beim Schwindeln ertappt. - Wundert mich nicht.
Lächerlich, wie (leider) so vieles in dieser Bananenrepublik. - Aber im Ausland ist's meist nicht besser.