Vor über 200 Jahren gab es Strömungen mit der Meinung, die Schweiz müsse im Konzert der Grossen mitmachen. So zogen 8’000 junge Schweizer Soldaten mit Napoleon gegen Russland. Der überstürzte Rückzug wurde durch die bitterkalte Beresina abgeschnitten. 300 Schweizer kehrten zurück.
Heute geht es – Gott sei Dank – nicht um Leben und Tod. Es geht aber um das Überleben der Schweizer Wirtschaft. Diese ist gefährdet angesichts der exorbitanten indirekten Verschuldung der SNB gegenüber dem Ausland.
Unsere Schweizerische Nationalbank (SNB) meint ebenfalls, sie müsse bei den Grossen mitmischen. In seinem Referat vor der Volkswirtschaftlichen Gesellschaft des Kantons Bern verglich der Chef der SNB, Thomas Jordan, die Bilanz der SNB mit den Bilanzen der ganz Grossen.
Die Bilanzen der Zentralbanken hätten sich im Zuge der Bekämpfung der Finanzkrise stark aufgebläht – so auch die der SNB. Er übersieht jedoch: Sowohl die FED als auch die EZB investieren ihr gesamtes Vermögen im eigenen Währungsraum. Die SNB hingegen investiert praktisch nur im Ausland.
Dadurch geht sie ein ungesichertes Währungsrisiko ein, welches uns das Genick brechen kann. Zudem erfolgt die gesamte Wertschöpfung im Ausland anstatt in der Schweiz – auf Kosten der Schweiz. Anstatt unsere Wirtschaft anzukurbeln, kurbelt die SNB ausländische Volkswirtschaften an.
Die Presse titelte: Die „Währungsreserven“ der SNB gehörten zu den grössten der Welt. „Vorbild China für die SNB“ wurde geschwelgt. Wir liegen bei den Währungsreserven nur noch knapp hinter Russland und überholen Russland demnächst! „Das könnte einen mit Stolz erfüllen“ – stand in der Finanz und Wirtschaft.
Vergleiche mit Russland sind gefährlich – vor allem, wenn man die Russen unterschätzt. Einen entscheidenden Unterschied zu Russland übersieht die SNB ebenfalls: Russland finanziert seine Devisen mit Eigenkapital (Verkäufe von Erdgas, Erdöl usw.), die SNB hingegen mit Schulden – Staatsschulden.
Gemäss Bundesverfassung muss unsere Nationalbank „Währungsreserven“, sprich Eigenkapital, bilden. Der Ausdruck „Währung“ bezieht sich immer auf die einheimische Währung – nicht auf „Devisen“, welche als ausländisches Geld definiert werden. Die SNB muss also Reserven zugunsten des Frankens, unserer einheimischen Währung, bilden.
Artikel 99 Absatz 3 der Bundesverfassung besagt klipp und klar:
„Die Schweizerische Nationalbank bildet aus ihren Erträgen ausreichende Währungsreserven; ein Teil dieser Reserven wird in Gold gehalten.““
Aus „Erträgen“ werden „Reserven“ gebildet. „Reserven“ sind und bleiben „Eigenkapital“ auf der Passivseite.
Der Buchungssatz bezüglich dieser Selbstfinanzierung der SNB zur Bildung der vorgeschriebenen „Reserven“ bzw. „Währungsreserven“ lautet: Erfolgsrechnung / Eigenkapital. Bei „Reserven“, den sogenannten „Währungsreserven“, handelt es sich also um ein Passivkonto bzw. um Eigenkapital der SNB.
Der SNB missfällt dieser Verfassungsauftrag, wonach sie Reserven bzw. Eigenkapital bilden muss. Sie verweigert diesen Auftrag. Sie will negatives Eigenkapital ausweisen dürfen. Das widerspricht aber der Verfassung.
Deshalb versucht der SNB-Chef, die Bundesverfassung aushebeln. Er behauptet, bei den „Währungsreserven“ handle es sich nicht um das Eigenkapital auf der Passivseite der SNB-Bilanz, sondern um die Devisenanlagen auf der Aktivseite: „… Währungsreserven auf der Aktivseite unserer Bilanz …“ (Jordan, siehe oben, Seite 4).
Im Geschäftsbericht kommt der Ausdruck „Währungsreserven“ aber nirgends auf der Aktivseite der SNB-Bilanz vor. Jordan verdreht einfach die Konten und damit den Verfassungsauftrag. Die Verfassung wolle, dass die SNB in ausländische Devisen investiere. Das stimmt nicht. Die SNB muss Eigenkapital bilden.
Die Bezeichnung „Rückstellungen für Währungsreserven“ entstammt der Passivseite der SNB-Bilanz und stellt das Eigenkapital dar. Diese Kontenbezeichnung ist ohnehin falsch, denn Rückstellungen wären ja Fremdkapital. Dies zeigt, wie oberflächlich die SNB kontrolliert wird. Entscheidend ist aber die Verfassung. Diese beauftragt die SNB, Eigenkapital zu bilden.
Hätte die Verfassung der SNB den Auftrag erteilt, in ausländische Devisen zu investieren, so würde der zweite Satz von Artikel 99, Absatz 3 lauten: „… ein Teil dieser Reserven wird in Gold und in ausländischen Devisenanlagen gehalten“. Genau das steht aber nicht in der Verfassung.
In der Verfassung steht: „… ein Teil dieser Reserven wird in Gold gehalten“.
Wären „Währungsreserven“ und ausländische „Devisenanlagen“ dasselbe, so müssten diese teilweise in Gold angelegt werden. „Devisenanlagen“ können aber – per definitionem – nicht zugleich als „Gold“ verbucht werden. Zudem wird das Gold in Franken denominiert.
Der Versuch der SNB, die Verfassung auszutricksen, indem das Konto „Reserven“ („Währungsreserven“) neuerdings auf der Aktivseite verbucht werden soll, ist ein Rohrkrepierer.
Die Bundesverfassung will nicht, dass die SNB negatives Eigenkapital ausweist. Darum ist es nicht tolerierbar, dass unser SNB-Chef in der Schweiz herumreist und behauptet, das Eigenkapital der SNB dürfe negativ werden.
Allein der gesunde Menschenverstand verdeutlicht, dass negatives Eigenkapital der SNB verheerend wäre. In diesem Fall wären die Kredite der Geschäftsbanken an die SNB nicht mehr gedeckt und müssten entsprechend abgeschrieben werden (OR 960, Absatz 2). Das würde zu horrenden Verlusten bei den Geschäftsbanken führen – bis hin zu deren Konkurs.
An Stelle der SNB müssten jetzt die Geschäftsbanken ihre Bilanz deponieren. Das kann niemals Sinn und Zweck unserer Nationalbank sein. Jordan beharrt aber darauf: “ …sie (die SNB) wird nicht gezwungen … bei … negativem Eigenkapital … die Bilanz zu deponieren …“ (Jordan, siehe oben, Seite 8/9).
Jordan beteuerte an seinem Vortrag abermals, die SNB könne bei negativem Eigenkapital einfach Banknoten drucken. Die SNB könne nie „illiquid“ werden. Diese Rechtfertigung läuft ins Leere: Druckt die SNB Banknoten, so fällt der Anteil des Eigenkapitals an der Bilanzsumme erst recht.
Grund: Banknoten sind nicht Eigenkapital der SNB, wie Jordan meint (Vortrag vor der Statistischen Volkswirtschaftlichen Gesellschaft, Basel), sondern Fremdkapital. Das Drucken von Banknoten verbessert die Eigenmittelquote keineswegs, sondern verschlechtert diese zusätzlich.
Jordan behauptete in Basel: „Die Zentralbank kann sämtlichen Zahlungsverpflichtungen jederzeit nachkommen, weil sie die benötigte Liquidität selber schaffen kann.“ In Bern wiederholte er: „Weil die SNB dank des Notenmonopols unbeschränkt Franken schaffen kann, vermag sie ihre Verbindlichkeiten jederzeit vollumfänglich zu bedienen.“
Den Verpflichtungen „nachkommen“ bzw. diese „bedienen“ heisst, sie abbauen. Druckt die SNB jedoch Banknoten, so werden ihre Verbindlichkeiten nicht abgebaut, sondern vergrössert.
Wenn ich einem Kollegen 120 Franken schulde und ich habe nur noch 100 Franken, so kann ich ihm nicht sagen, er solle mir nochmals 20 Franken Kredit geben und dann sei die Schuld beglichen. Genauso kann die SNB ihre Schulden bei den Banken nicht zurückbezahlen, indem sie bei diesen noch mehr Schulden aufnimmt. Schulden können nur mit Vermögen beglichen werden können – nicht mit zusätzlichen Schulden.
Nimmt die SNB bei den Geschäftsbanken 120 Milliarden Franken Kredit auf (sei es durch Giroguthaben der Banken bei der SNB oder durch Emission von Banknoten) und investiert dieses Kapital in Euro zum Kurs von 1,20, so erhält sie dafür 100 Milliarden Euro. Fällt der Kurs auf 1:1, so erhält die SNB dafür nur noch 100 Milliarden Franken zurück – es fehlen ihr 20 Milliarden Franken.
Die SNB kann jetzt von den Geschäftsbanken nicht zusätzliche Kredite einfordern und behaupten, damit sei die Schuld beglichen bzw. „bedient“, wie Jordan sich ausdrückt. Die SNB muss lernen: Eine Geldemission sowie das Drucken von Geld stellt eine Kreditaufnahme der SNB dar.
Der Franken rammt seit Monaten der kritischen Marke von 1,20 zum Euro entlang. Sollte diese Marke durchbrochen werden und die SNB wird „zum Rückzug gezwungen“ (wenn sie die Schweiz nicht ausbluten lassen will), so werden herbe finanzielle Verluste die Folge sein.
Ein überstürzter, ungeordneter Rückzug in solch gewaltigen Dimensionen wird unser Land in die finanzielle Katastrophe reissen. Die SNB sollte nun sofort mit einem geordneten Rückzug beginnen und ihre masslosen Devisenbestände veräussern – bevor es zu spät ist.
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Sehr geehrte Frau Bernhard
Soeben habe ich Ihren Text gelesen. Besten Dank für den Hinweis. Ich bin immer dankbar, wenn ich belehrt werde. Nur wenn wir uns belehren lassen, kommen wir auch weiter. Ich sage den Schülerinnen und Schülern immer, wenn ich von ihnen nichts mehr lernen könne, komme ich nicht mehr in die Schule.
Ihre Argumentation ist einleuchtend. Ich hatte eine andere Quelle und war möglicherweise zu unkritisch. Der Sinn des oekonomischen Teils meines Textes wird dadurch m.E. aber nicht verändert.
Es freut mich auch, dass sich mein Text offenbar bis zu den Historikern herumgesprochen hat.
Zudem freut es mich auch, dass Sie schreiben, mit dieser Korrektur stimme der Text auch aus geschichtlicher Sicht. Der Rest meines Textes stimmt also aus Ihrer Sicht – und das ist ja auch sehr wichtig.
Nochmals besten Dank und frohe Festtage!Marc Meyer
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Damit der Bericht auch aus geschichtlicher Sicht stimmt: Napoleon verlangte von der Helvetischen Republik für den Russlandfeldzug 12’000 Soldaten. Die Schweiz konnte jedoch nur 8’000 „liefern“. Also nix mit Strömungen und Konzert der Grossen, Napoleon kommandierte!
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Liebe Max und Moritz und Iconomix
Bitte Ihr anonymen Fürsprecher der Nationalbank:
Vergeuden Sie Ihre und meine Zeit und die der Leser nicht mit nichtssagenden Floskeln. Bemühen Sie sich bitte um substantielle Argumente und stehen Sie mit Ihrem Namen zu dem was Sie schreiben. Dann werde ich auf Ihre Argumente eingehen. Dann kann sich eine Diskussion ergeben, die uns weiterbringt.
Ich denke, die Verantwortung von uns Oekonomen gegenüber unserem Land und Volk ist gross. Versuchen Sie nicht, die oekonomische Diskussion als Witzfiguren Max und Moritz vor der Öffentlichkeit ins Lächerliche zu ziehen. Nehmen Sie als Oekonomen Ihre Verantwortung gegenüber unserem Land und Volk wahr.
Gibt es bei der Nationalbank und in deren direktem Umfeld keine Oekonomen mehr, welche Ihren Beruf als Oekonom als Berufung erkennen?
Mit freundlichen Grüssen
Marc Meyer
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Solange die SNB weiter Franken schoepft (was sie beliebig kann, zumindest wenn sie bereit ist, Inflation in Kauf zu nehmen) kann sie den Franken beliebig lange bei 1.20 halten. Die Bilanzen von Notenbanken folgen eben WIRKLICH anderen Gesetzen als die von allen anderen Unternehmen.
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Anonyme Kommentare beantworte ich nicht.
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Ich hab mal gelernt, dass die SNB keine Bank ist und Zentralbanken nichts mit Kapitalismus pur zu tun haben (Ron Paul) deshalb sind buchhalterische, OR Überlegungen irrelevant.
Sei dem so, alles was im Moment zählt ist Vertrauen und das Detonationspotential. Beides hat die SNB, die Schweiz, also schlaf ich vorläufig noch gut. In Abänderung von TBTF, wegen dem assured mutual destruction potential: keiner legt los – und man hilft sich gegenseitig.
Beweis für Vertrauen ist klar: teurer CHF, Negativzinsen trotz Geldausweitung.
Explosiv sind die Nebenbilanzen unserer Überbanken. UBS, CS zusammen sind sie glückliche Besitzer von über 80’000 Milliarden oder 80 (Schweizer) Billionen oder ca 5 x das BIP der USA, an Derivatenkontrakte. Dagegen ist die SNB Bilanz ‚peanuts‘. Und wenn die Interbank-Pipelines wieder einmal blockiert sind, keiner keinem traut, Margins ge-called werden, muss die SNB einspringen und zwar mit Devisen, nix CHF. Dann sind alle froh, dass wenigstens ein paar hundert Milliarden parat sind, bei der SNB, und man nicht wieder betteln gehen muss beim Fed.
Kurzeitgedächtnis ist anscheinend en vogue: Mangels US $ musste das Fed nicht nur der SNB aushelfen um die UBS zu retten (später ersetzt durch SNB US $ treasury bills) sondern von AIG 100 % Derivatengarantie bis zur ’secrect liquidity lifeline‘ die Schweizer Überbanken mehrmals retten.
http://www.bloomberg.com/data-visualization/federal-reserve-emergency-lending/Fazit und back to the future: Weil die UBS, CS solch kafkaeske Bilanzen haben (Neben- oder nicht, ändert nichts am Irrsinn) und die SNB, als lender of last resort, bereit stehen muss, kann diese imho nicht genug Devisen ausweisen. Und wenn s nicht reicht, ist das Detonationspotenzial so gross, das Gegenparteienrisiko so tödlich, dass das Fed, die EZB, alle Zentralbanken einspringen müssen, wenn sie vermeiden wollen, dass alle systemisch kritischen, global verzahnten Finanzakteure illiquid werden und das weltweite Finanzsystem implodiert – nur weil die Schweizer nicht genug Forex haben.
Ich hab mal gelernt, dass die SNB keine Bank ist und Zentralbanken nichts mit Kapitalismus pur zu tun haben (Ron…
Anonyme Kommentare beantworte ich nicht.
Solange die SNB weiter Franken schoepft (was sie beliebig kann, zumindest wenn sie bereit ist, Inflation in Kauf zu nehmen)…