Nach dem emotionalen Wirbel rund um die „Abzocker“-Initiative besteht nun Klarheit: An einer Börse kotierte Schweizer Unternehmen müssen ihren Aktionären inskünftig eine einfache Möglichkeit bieten, ihre Stimmrechte für die an der Generalversammlung zu behandelnden Traktanden auch auf elektronischem Weg ausüben zu können.
Noch bevor die rechtliche Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmung überhaupt in Angriff genommen ist, versuchen einzelne Gesellschaften auf verschiedenen Wegen, den neuen Anforderungen an die Aktionärsdemokratie gerecht zu werden. Fraglich ist, ob dabei in allen Fällen die Interessen der Aktionäre auch wirklich gewahrt werden.
Zur Durchführung des elektronischen Fernabstimmens an der Generalversammlung (GV) gibt es technisch – bereits heute – zwei verschiedene Möglichkeiten: Entweder entwickelt und betreibt eine Gesellschaft ein eigenes, unternehmensspezifisches Aktionärsportal, über welches sich die Aktionäre einloggen und im Hinblick auf die GV dem unabhängigen Stimmrechtsvertreter ihre Weisungen zur Ausübung des Stimmrechtes abgeben können.
Diesen Weg hat beispielsweise die UBS beschritten. Sie hat Ende März 2013 ein in ihr Aktienregister integriertes Portal bereitgestellt und ermöglicht dadurch den Aktionären auch zusätzliche, personalisierte Informationen im Internet anzubieten (zum Beispiel Auskunft über Anzahl Aktien, Online-Eingabe von Adressänderungen).
Andere Unternehmen wickeln das elektronische Abstimmungsverfahren und den Dialog mit den Aktionären über eine zum Aktienregister systemtechnisch unabhängige Infrastruktur eines Drittanbieters ab. So nutzen beispielsweise Zurich Insurance Group, Swiss Re, Adecco, Nobel Biocare und Swiss Life bereits heute Sherpany, eine auf die Durchführung von E-Voting und digitale Aktionärspflege spezialisierte Plattform.
Wenn eine Vielzahl von Unternehmen dieselbe Plattform beansprucht, hat dies für den Aktionär den Vorteil, dass er zentral und einfach mehrere Unternehmen aus seinem Portfolio erreichen kann. Eine unternehmens- und aktienregisterspezifische Lösung („UBS-Modell“) hat demgegenüber den Nachteil, dass im Laufe der Zeit ein „Portalwildwuchs“ entsteht und die Benutzerfreundlichkeit und Effizienz für den Aktionär stark leidet. Wer will sich jeweils im GV-Frühling in Dutzende von unterschiedlichen Online-Portalen einloggen?
Gerade für institutionelle Anleger wie die Pensionskassen, welche qua Anlagereglement in sehr vielen Publikumsgesellschaften investiert sind, wird sich die unternehmensspezifische Lösung kaum eignen. Denn ab voraussichtlich 2014 werden die hiesigen Vorsorgeeinrichtungen gezwungen, an den entsprechenden Aktionärsversammlungen zu partizipieren und ihr Stimmverhalten ex post offenzulegen.
Hierfür sind – abgesehen vom Auslagern an Proxy Advisors – gerade unabhängige und ein möglichst breites Anlageuniversum abdeckende Plattformen prädestiniert. Der fortan gesetzlich verlangten Transparenz könnte sodann einfach nachgekommen werden, indem die Plattform für die autorisierten Investoren einen öffentlich zugänglichen Bereich anbietet, wo interessierte Destinatäre ihren Stiftungsräten über die Schultern blicken können.
Oberstes Gebot sowohl bei Variante Portal wie auch Plattform sind die Aspekte der Sicherheit, Einfachheit und Vertrauenswürdigkeit. So muss gewährleistet sein, dass nur eine autorisierte Person (der eingetragene Aktionär oder ein berechtigter Vertreter) Zugriff auf die passwortgeschützte Infrastruktur hat. Die erforderlichen Legitimationsschritte sind ähnlich streng wie beim Online-Banking (Kontoeröffnungsformular mit Bekanntgabe von Mail-Adresse und Handy-Nummer, Abgabe einer schriftlichen Vollmacht an den unabhängigen Stimmrechtsvertreter, erstmalige Eingabe von Aktionärsnummer und Zugangscode, frei wählbares Passwort).
Auf den ersten Blick scheinen die Sicherheitsstandards bei Portalen und Plattformen zu genügen. Die Erfahrung zeigt aber, dass jedes System trotz aller technischer Schutzmassnahmen gewisse sicherheitstechnische Risiken birgt: Chinas Hacker von der „Einheit 61398“ lassen grüssen. Es stellt sich somit die Frage, ob es bei einem allfälligen Hackerangriff auf ein aktienregisterinternes Portal wie das der UBS im Interesse der Aktionäre liegt, dass ausserhalb des E-Bankings auf Daten aus dem Aktienregister zugegriffen werden können.
Aus Sicht des unabhängigen Stimmrechtsvertreters stellt sich zudem die Frage, ob bei dem von der UBS gewählten Aktienregister-internen Modell, bei welchem alle Daten auf der hauseigenen Infrastruktur und durch eigene Mitarbeiter bearbeitet werden, die Vertraulichkeit der vom Aktionär abgegebenen Weisungen überhaupt gewährleistet werden kann. Überprüfen lässt sich dies nicht, denn die UBS und ihre Mitarbeiter sind als Systembetreiber die Einzigen, welche die komplizierten Prozessabläufe kontrollieren könnten.
So ist auch nicht klar, ob die UBS und ihre Organmitglieder bereits vor der GV genaue Kenntnis vom Stimmverhalten der elektronisch abstimmenden Aktionäre nehmen kann. Dies mag für die Gesellschaft durchaus von Interesse sein. Aus Sicht des Aktionärs ist ihm mit einer unabhängigen Plattform im Sinne getrennter Systeme jedenfalls besser gedient.
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Die Verifikation stellt sicher, dass die Weisungsabgabe über Internet korrekt, abgelaufen ist und somit keine Fehler oder Manipulationen aufgetreten sind. Ein Angriff auf das E-Voting System möchte entweder bezwecken, dass die Abstimmung zu seinen Gunsten manipuliert wird oder, dass sie gar nicht erst durchgeführt werden kann. Gegen letzteres ist die Verifikation kein Mittel. Bezüglich eines Manipulationsversuches erhöht die Verifikation aber durchaus die Sicherheit. Ein Angreifer wird nämlich keine Manipulation vornehmen, die bei der Verifikation entdeckt wird.
Wie von Herrn Stacho erwähnt, gibt es bei Volksabstimmungen Wahlbüros, die von unabhängigen Bürgern kontrolliert werden. Dadurch ist die Abstimmung Vertrauenswürdig. Bei E-Voting ist eine solche Kontrolle des Prozesses nicht möglich und deshalb wird die Verifikation gefordert.
Bei Proxy-Voting ist die Idee, dass die Vertrauenswürdigkeit durch den gewählten Stimmrechtsvertreter erreicht werden kann. Der Stimmrechtsvertreter hat die Verantwortung, die Stimmrechte im Sinne des Aktionärs zu vertreten. Somit muss der Vertreter sicherstellen können, dass das E-Voting System korrekt funktioniert. Meiner Meinung nach, kann es nicht genügen, wenn der Stimmrechtsvertreter blos darauf vertraut, dass das E-Voting System die Weisungen richtig überträgt. Es ist dabei egal, ob das System von einem Drittanbieter, von der Gesellschaft selber, oder vom Stimmrechtsvertreter betrieben wird. Die Tücken des Internets und unserer Gesellschaft erlauben dieses Vertrauen nicht.
Der Stimmrechtsvertreter sollte das System unabhängig verifizieren. Dies könnte er machen, indem er bei den Aktionären nachfragen würde, ob die erhaltene Weisung, wirklich ihrem Willen entspricht. Oder er verwendet eine Verifikation, wie sie von Primesvote angeboten wird. Eine Verifikation die rein auf Daten basiert, die anhand von mathematischen Regeln, System unabhängig überprüft werden können.
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Oft wird wie im Kommentar von Herrn Galliker der Abstimmungsprozess einer GV mit demjenigen einer politischen Abstimmung verglichen oder gar gleichgesetzt und daraus gewisse identische technische und rechtliche Anforderungen gefolgert. Dieser Vergleich zieht aber nur bedingt, denn im Rechtsverhältnis zwischen Aktiengesellschaft und Aktionär besteht mehr Möglichkeit zur privatautonomen Ausgestaltung, z.B. auch hinsichtlich der Anforderungen einer Verifikation. Demgegenüber ist im Rechtsverhältnis zwischen Staat und Stimmbürger für beide Seiten viel mehr zwingend, u.a. weil das Gebot der Gleichbehandlung aller Stimmbürger absolut und der Principle-Agent Konflikt noch viel grösser ist.
Man muss sich auch vergegenwärtigen, dass Verifikation nicht zu mehr Sicherheit führt. Verifikation ermöglicht ausschliesslich, dass Transaktionen nachträglich nachvollziehbarer werden, nicht aber, ob ein ungerechtfertigter Eingriff, z.B. das nachträgliche Abändern einer Stimme, technisch ausgeschlossen werden kann.
Im Punkt der Vertrauenswürdigkeit gibt es aber tatsächlich einen interessanten Vergleich zwischen Volks- und Aktionärsabstimmung. Wer schon einmal seiner Pflicht als Schweizer Stimmbürger nachgekommen ist und für eine Wahl oder Abstimmung aufgeboten worden ist, hat es schon einmal erlebt: Die Rede ist von der Auszählung der Stimm- und Wahlzettel. Meist findet diese in der Aula eines Schulhauses statt und natürlich ist Aufsichtspersonal der Gemeindeverwaltung dabei, welche die korrekte und sichere Abwicklung überwacht und auch garantiert. Dabei wird den aufgebotenen Stimmbürgern das dafür nötige Vertrauen entgegengebracht und auch den Angestellten der Gemeindeverwaltung – welche bei der Wahl/Abstimmung die Aufsichtsfunktion haben – traut man deren Unabhängigkeit zu. Ganz anders sähe die Sache aus, wenn so eine Auszählung von der Geschäftsstelle einer politischen Partei stattfinden würde, überwacht durch deren Parteimitglieder! Hier läge es auf der Hand, dass die Stimmbürger ein stärkeres Misstrauen entwickeln würden, oder nicht?
Das obige Beispiel der politischen Abstimmung kann durchaus als Analogie auf die aktuelle Situation in Bezug auf die Umsetzung der elektronischen Fernabstimmung gemäss der Minder-Initiative herangezogen werden: Laufen die Prozesse zur Fernabstimmung (Online Proxy Voting via externem Stimmrechtsvertreter) über eine zum Unternehmen personell und systemtechnisch unabhängige Plattform, dann ist es das Gleiche wie die Stimmauszählung der Volksabstimmung durch die Gemeindevertreter in der Aula des lokalen Schulhauses.
Eine Verifikation durch den einzelnen Abstimmer – sprich die Funktionalität zur nachträglichen Aufdeckbarkeit eines (unberechtigten) Abänderung seiner Stimme durch einen Dritten ist durchaus opportun, wenn das die Aktionäre wünschen. Es ist aber bei einer unabhängigen Plattform weniger zwingend als bei einem Aktienregister- und/oder unternehmensinternen Abstimmungsportal, den diese sind im Analogiebeispiel zur politischen Abstimmung das Parteibüro, also generell im Interessenkonflikt und per se nicht unabhängig.
Mich freut es, dass auch die UBS ihren Aktionären das elektronische fernabstimmen bereits vor der Umsetzung der Übergangsverordnung zur Abzocker-Initiative ermöglicht, schlussendlich ist das der Beweis dafür, dass es fürs Fernabstimmen einen Markt gibt. Der Ansatz, den die UBS vorerst gewählt hat, ist aber aus Sicht der Vertraulichkeit der Aktionärsstimmen tatsächlich problematisch. Es ist ja auch kein Zufall, dass Zurich, Swiss Re, Swiss Life und eine ganze Hand voll weiterer Unternehmen auf die Emittenten-übergreifende http://www.sherpany.com vertrauen. Auf jeden Fall bleibt es spannend, in welche Richtung sich der Markt entwickeln wird, aber auch hier ist von einer „Amazonification“ auszugehen.
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@Christoph Galliker
Die individuellen Weisungen zuhanden der institutionellen Stimmrechtsvertreter (insb. auch des Unabhängigen Stimmrechtsvertreters) sind tatsächlich eine Farce. Das heutige Recht auf Vertretung (Art. 689c ff. OR) wird mit Füssen getreten, wobei fairerweise die Praxistauglichkeit von spezifischen Wünschen, gerade wenn Tausende vertreten werden, schlicht nicht gegeben ist. In solchen Fällen betraut man eben besser einen anderen Aktionär mit seinen Weisungen. Grundsätzlich wird dies jedoch mit Einführung der elektronischen Fernabstimmung (egal, ob Proxy Voting oder Direct) vereinfacht.Die Verifizierbarkeit ist sicherlich toll, wobei m.E. auch diese bei beiden Systemen implementiert werden kann. Wichtiger ist für die Investoren wohl eher die Unabhängigkeit der Plattform, was bei der Variante „UBS“ derzeit nicht der Fall ist.
Schlussendlich wird der Markt zeitigen, welches System aufgenommen wird, grundsätzlich sind auch beide Möglichkeiten parallel denkbar – denn der Unabhängige Stimmrechtsverterter wirds ja sowieso auch in Zukunft geben. Bloss wird man ihn nicht mehr nur postalisch, sondern auch elektronisch beauftragen können.
Bei der Umsetzung des neuen Verfassungsartikels wider die Abzockerei werden wir uns jedoch für die Variante Indirect Voting stark machen – zumal sie schon seit Jahren bei diversen Börsenkotierten erfolgreich implementiert und positiv aufgenommen wurde.
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Was geschieht mit meiner Weisung, wenn ich sie über eine der genannten E-Voting Lösungen einreiche? Kommt diese korrekt beim Stimmrechtsvertreter an?
Dies kann nicht garantiert werden! Denn, wie vom Autor erwähnt: „… jedes System trotz aller technischer Schutzmassnahmen gewisse sicherheitstechnische Risiken birgt.“
Was passiert also, wenn das System Fehler hat oder manipuliert wurde? Wird dies bemerkt?
Diese Frage ist der Grund, weshalb E-Voting für Volksabstimmungen immer noch nicht der gesamten, stimmberechtigten Bevölkerung zur Verfügung steht.Im Gegensatz zu E-Banking wird ein Fehler oder eine Manipulation bei E-Voting nicht bemerkt. Grund dafür ist das Stimmgeheimnis. Aufgrund des Stimmgeheimnisses, kann ein Wähler das Resultat der Abstimmung nicht nachvollziehen und somit nicht überprüfen, ob seine Stimme korrekt in das Resultat eingeflossen ist.
Deshalb entwickelt die Firma smartprimes mit „Primesvote“ ein E-Voting System, das es den Aktionären erlaubt, ihre Weisungsabgabe zu überprüfen.
Die Idee ist, dass die Aktionäre selber, anhand eines Weisungsbeleges und anhand der verschlüsselten Weisungen aller Aktionäre, überprüfen können, ob Ihre Weisung korrekt an den Stimmrechtsvertreter übermittelt wurde. Zudem kann überprüft werden, dass keine Weisungen gelöscht oder verändert wurden. Die Verifikation steigert das Vertrauen der Aktionäre und gibt dem Betreiber des E-Voting Systems einen Beweis für die korrekte Verarbeitung der elektronischen Weisungen.„Primesvote“ ist im Aktionärsportal der UBS integriert.
Was geschieht mit meiner Weisung, wenn ich sie über eine der genannten E-Voting Lösungen einreiche? Kommt diese korrekt beim Stimmrechtsvertreter…
@Christoph Galliker Die individuellen Weisungen zuhanden der institutionellen Stimmrechtsvertreter (insb. auch des Unabhängigen Stimmrechtsvertreters) sind tatsächlich eine Farce. Das heutige…
Oft wird wie im Kommentar von Herrn Galliker der Abstimmungsprozess einer GV mit demjenigen einer politischen Abstimmung verglichen oder gar…