Boris Collardis „Moment of truth“ ist schneller gekommen als erwartet. Im ersten Halbjahr 2013 zeigt seine Julius Bär überraschende Schwächen.
Der Grund ist die relativ gesehen riesige Übernahme von Merrill Lynch International, des Wealth Managements des US-Giganten ausserhalb der USA.
Der Kauf hängt wie ein Klotz am Bein der Schweizer Privatbank. Dieser zieht die relevanten Zahlen in die Tiefe.
Der tatsächliche Gewinn ohne Buchhaltungs-Schnickschnack crashte um einen Drittel auf noch etwas über 100 Millionen Franken.
Bei einem rasanten Ausbau des Personals um über 1’000 Stellen auf 4’500 Leute entspricht das 25’000 Franken pro Kopf.
Das ist wenig. Die UBS meldet soeben vorab ihre wichtigsten Zahlen. Trotz massiver Umbruchphase lag der Gewinn pro Mitarbeiter im ersten Halbjahr etwa gleich hoch.
Das Bär-Ergebnis ist enttäuschend. Es entzaubert erstmals Wunderknabe Boris Collardi.
Dessen Nimbus, schwierige Integrationen nach Plan zu stemmen, geht mit dem heutigen Tag verloren.
Collardis Statement im heutigen Halbjahresbericht ist für die Kulisse. Der Bär-CEO spricht davon, dass „unsere Gruppe ihre operative Leistung im ersten Halbjahr 2013 deutlich verbessert“ habe.
Seine Wahnsinns-Übernahme von Merrill Lynch International (IWM) redet Collardi schön. Bär habe „bei der IWM-Integration enorme Fortschritte erzielt“.
Was der Bär-CEO verschweigt, geht unmissverständlich aus dem Kleingedruckten hervor. Die Übernahme von Merrill Lynch International ist teuer, verwässert das Resultat und bringt bisher wenig.
Erstens: Die Kosten. Als Collardi vor Jahresfrist den Kauf des Nicht-US-Privatebankings von Merrill Lynch ankündigte, stellte er für die ganze Übung bis 2015 insgesamt 400 Millionen zurück.
Nun reicht selbst dieses Geld nicht aus.
„Die Schätzung für die gesamten, von Julius Bär zu übernehmenden IWM-bezogenen Transaktions-, Integrations- und Restrukturierungskosten wurden von rund CHF 400 Millionen auf rund CHF 455 Millionen angehoben“, gab Bär heute früh bekannt.
Damit sind die Integrationskosten innerhalb von weniger als 12 Monaten um 14 Prozent hochgeschnellt – und das trotz grosszügiger Ausstattung des Rückstellungstopfs.
Daraus kann nur ein Schluss gezogen werden: Boris Collardi und seine Crew an der Spitze von Julius Bär haben sich beim Kauf von Merrill Lynch International verschätzt.
Was der Grund für die massive Verteuerung ist, darüber kann nur spekuliert werden.
Klar ist, dass Collardi innerhalb seiner Bär, eine vom Namen her letzten grossen Traditionsmarken von Swiss Private Banking, eine Zweiklassengesellschaft geschaffen hat.
Hier die vornehmlich aus Schweizern bestehende alte Crew, die nach dem klassischen Modell mit einem hohen Fixlohnanteil und einem relativ gesehen bescheidenen Bonus angespornt wird.
Dort die neuen Wilden aus der Amerika-Kultur von Merrill Lynch International, die mit tiefem Fixlohn, aber hohem Bonusanteil eine völlig andere Mentalität ins Zürcher Haus bringen.
Übers Ganze gesehen dürften die Lohnkosten massiv steigen. Von Januar bis Juni schossen die Ausgaben fürs Personal um 100 Millionen auf über eine halbe Milliarde hoch, plus 24 Prozent.
Weil auch deutlich mehr Personen auf der Payroll ist, ist der Anstieg erklärbar.
Hingegen gibt die Kostenexplosion bei den allgemeinen Ausgaben zu denken. Diese verdoppelten sich auf 320 Millionen.
Den mit Abstand grössten Sprung machte die Unterkategorie „Service expense, fees and taxes“. Vermutlich schlagen hier die riesigen Ausgaben für die Heerscharen von externen Beratern zu Buche.
Zweitens: Der Shareholder. Für den Aktionär sieht die Rechnung schlecht aus. Der Gewinn pro Bär-Aktie stürzte um 34 Prozent in die Tiefe.
Der Grund ist simpel. Dem echten Reingewinn stehen nach einer Kapitalerhöhung für die Merrill-Übernahme viel mehr Aktien gegenüber. Der Gewinn muss auf mehr Köpfe verteilt werden.
Weil der Gewinn sinkt, statt dass er steigt, ist das Ergebnis aus Sicht des Eigentümers unbefriedigend.
Drittens: Die Leistung. Ausser gigantischen Spesen ist bisher noch nicht viel gewesen.
Das Netto-Neugeld (Net new money, NNM) hat sich im ersten Halbjahr enttäuschend entwickelt.
Auf sogenannt annualisierter Basis stieg das NNM von Bär um 3,6 Prozent. Das ist rund 50 Prozent weniger als versprochen. Bärs eigene Zielgrösse liegt bei rund 5 bis 7 Prozent.
Bär führt einen eigenartigen Grund für das schwache Neugeld-Wachstum ins Feld. Die Höhe der Neuanstellungen von Kundenberatern sei unterdurchschnittlich. Warum? Weil man auf die Integration von Merrill Lynch fokussiere.
Neugeld ist mittel- und langfristig eine Folge des Anlageerfolgs. Hier liegt bei Bär einiges im Argen.
„Die Marktperformance wurde durch Engagements von Kunden in Anlageklassen mit einer unterdurchschnittlichen Performance wie Wertpapiere aus Schwellenländern und Gold sowie durch die globale Marktkorrektur im Juni 2013 beeinträchtigt“, schreibt Bär.
Profaner ausgedrückt: Collardis „Pure play“-Bank lag mit seiner Beratung daneben.
Apropos pur: Hier kommt zum Vorschein, was Insider längst wissen. Collardi und seine Bär machen einen Grossteil ihres Gewinns nicht mit dem gepredigten Private Banking pur, sondern mit Börsengeschäften.
Diese verliefen flau. Im „Zins- und Dividendengeschäft“ kams zu einem Rückschlag, weil „der positive Einfluss aus den gestiegenen Kreditvolumina durch den Rückgang der Dividendenerträge aus dem Handelsgeschäft von CHF 90 Millionen auf CHF 33 Millionen im Vergleich zum Vorjahr mehr als kompensiert“ worden sei.
Julius Bär ist ebenso abhänging von den Märkten wie Konkurrenten ohne „Pure play“-Versprechen.
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Mich wundert nichts mehr. Was JB da an Assets übernimmt ist gelinde gesagt Steinzeit und der Grund, wieso das Geschäft nicht profitabel war: Tausende sogenannte segregated accounts, d.h. heruntergebrochen auf den Kunden. Nicht geeignet für eine kostensparende Abwicklung. Das ist eine Totge-burt. Und fragen sie mal nach, wieviel US Kunden da übernommen werden. Collardi versenkt diese Bank.
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Somit haben wir noch ein mehr Schweizer
bank deren“ Deathwish“ voll erfullt wird….
Die lust zu alles in USA verliern ist
unwiderstehlich…!!
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Leider wird auch diesen Bär dasselbe Schicksal wie seine unglücklichen Vettern (M13 etc.) ereilen. Mit dem kleinen Unterschied, dass sich JB das Grab selbst schaufelt.
Schöne Grüsse aus dem Puschlav!
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Auch diese US-Uebernahmen gingen in die Geschichte und in die Bilanzen ein:
Donaldson Lufkin durch die Credit Suisse (SKA)
und
Paine Webber durch Die UBS (SBG)
welch beide glorreichen Hosenlupfe ausser jahrelanger Abschreiber und Prozesse nur heisse Luft produzierten.
Der junge Collardi hat dies vermutlich gar nie intus bekommen. Und Fehler darf man bekanntlich wiederholen! Auch der Aktionär vergisst schnell?
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Did enyone of you rally and honestly think that we would sell a business which is a present or upcoming cash cow? We did it with UBS – and now with JB. ;-))
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@John Widetrack: Yes, that’s correct. The U.S. does that with the whole world until the end of the days of the U.S., which bz the waz already started. However, the Swiss banks are a side-play: The best weapon of the U.S. is the U.S. dollar. As soon as the Chinese will demand Reminghi instead of U.S. dollars, the mightz U.S. will fall…
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ask why.
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In der Bärengasse Lunch time wird geflüstert, dass die Bären Leute vermehrt Aktien ihres eigenen Tittels kaufen sollen- heute….
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Es ist beschämend ansehen zu müssen, dass Personen wie Boris Collardi heute in Schlüsselpositionen vom Schweizer Private Banking stehen.
Die Akquisition von ML bringt mittel- bis langfristig lediglich Aerger und Probleme für die Bank Julius Baer. Aus der Geschichte der Kooperationen von schweizerischen Banken mit US-Banken hat Boris Collardi ebenfalls überhaupt nichts gelernt. Diese CH-US-Fusionen haben lediglich Verdruss und Aerger gebracht, weil die Kulturen nicht aufeinander passten.
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Hans J. Bär wird sich im Grab umdrehen …
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Also mal ehrlich – man soll den Tag nicht vor dem Abend loben (oder wie in diesem Fall verdammen). Das ist ein komplexes Projekt und der Erfolg wird sich wohl erst in ein bis zwei Jahren messen lassen. JB ist (nebst der waghalsigen Notenstein) die einzige Schweizer Bank, welche durch die aktuellen Probleme nicht in Angststarre verfallen ist. No risk no gain – da traue ich der Bank (und nicht nur dem CEO) noch einiges zu!
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Ich kann mir beim Lesen Ihres Kommentars ein Schmunzeln nicht verkneifen…
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Denke die Angststarre passt besser ins Private Banking als die grosse Management-Bühne. Anyway, we will see!
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Bin genau der gleichen Meinung. Über andere runterhauen mag ja lustig sein, doch ein solches Projekt nach so kurzer Zeit zu beurteilen macht nicht viel Sinn.
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Lieber LH
Der Börsenkurs spricht eine andere Sprache !!!
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@AS: Die Verlässlichkeit bzw. Aussagekraft von Börsenkursen muss wohl in Zweifel gezogen werden. Nicht nur im vorliegenden Fall.
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und warum ist dann der aktienkurs +5%???
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Haben Sie schon von Irrationalitäten gehört?
Zudem ist den Kurs leicht manipulierbar!
Trotzdem, muss man schon noch Zeit geben. Das stimmt. JB hat eine interessante, aber auch risikoreiche langfristige Strategie: Investoren, wie auch Analysten tendieren nur die kurzfristige Gewinne zu sehen… JB ist, gemäss AuM die klare dritte Bank in der Schweiz, aber die Gewinne stimmen noch nicht. Andere Banken sind rentabel. -
Lieber ‚hansdampf‘
Mögicherweise unterschätzen die Analysten und die Investoren die enormen Herausforderungen, die mit einer Integration dieser Grössenordnung verbunden sind. Die bis dato veranschlagten (und heute nach oben korrigierten) Kosten sprechen eine deutliche Sprache. Zumindest die etwas unbedarfteren Zeitungsleser – Sie scheinen dazuzugehören – dürften sich noch einige Zeit blenden lassen. Wir werden sehen, was die Bären am Ende der Intergration tatsächlich vorzuweisen haben. Ich fürchte die Ernüchterung wird nicht mehr allzulange auf sich warten lassen.
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„…stellte er für die ganze Übung bis 2015 insgesamt 400 Millionen zurück.
Eine Riesensumme für sein Unternehmen – mehr als 1 Million pro Mitarbeiter der alten Bär.“
Diese Behauptung würde bedeuten, dass JB 400 Mitarbeiter vor dem Kauf von IWM hatte
Gemäss Zwischenbericht per 30.06.2012 (vor dem Kauf vom ML business) hatte JB über 2,000 Mitarbeiter.
Habe ich etwas nicht verstanden?
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Boris Collardi war nie ein Wunderknabe und wird es auch nie werden, Punkt. Dass haben schon viele Schreiber hier längstens gewusst. Der hat sich einfach gut verkauft resp. die naiven, etwas mehr als blinden Entscheidungsträger sind auf seine vollmundigen Visionen reingefallen. Einer Merrill Lynch das Banking lernen wollen- die müssen sich ja vor Freuden- und Lachkrämpfen in die berühmte Hose gemacht haben, als der Zwerg ihnen das Wealth Managements ausserhalb der USA abgenommen hatte. Prediger wie Gollardi enden, indem Gier schluckt immer zuerst den Verstand- was ja in der Schweizer Bankenwelt Usanz ist.
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Nicht wirklich überraschend, oder? Wer die Mär von der erfolgreichen ML-Intergration glauben will, wird sich aber auch von den ernüchternden Zahlen, die heute morgen publiziert wurden, nicht erschüttern lassen. Eine weitere Schweizer Traditionsmarke, die an die Wand gefahren wird. Traurig.
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@Old School
so wird es leider wohl sein.
Hoffentlich dreht sich der alte Grand Seigneur HJB nicht im Grabe um.
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Nicht wirklich überraschend, oder? Wer die Mär von der erfolgreichen ML-Intergration glauben will, wird sich aber auch von den ernüchternden…
Boris Collardi war nie ein Wunderknabe und wird es auch nie werden, Punkt. Dass haben schon viele Schreiber hier längstens…
"...stellte er für die ganze Übung bis 2015 insgesamt 400 Millionen zurück. Eine Riesensumme für sein Unternehmen – mehr als…