Wir erinnern uns: Der englische Luxusdampfer Titanic nahm eine nördliche Route, um New York City auf dem kürzesten Weg zu erreichen. Dann knallte er gegen einen Eisberg und eine Welt versank.
Nicht viel anders geht es uns, den direkten und indirekten Teilhabern des Finanzplatzes Schweiz, der, die Trümmer des Bankgeheimnisses hinter sich lassend, die schnellste Route aus dem Chaos sucht, das die beiden Grossbanken UBS und CS angerichtet haben; die UBS vor allem. Sie werden nicht gerne daran erinnert, denn dies tut weh.
Die europäischen Staaten und die USA versinken seither in einem Strudel ungedeckter Schulden, der nur auf Grund von Tiefstzinsen nicht zu einer Katastrophe geführt hat. Auch die Regierungen sind nicht unschuldig: Sie haben seit Jahrzehnten, noch im Kampf gegen den Kommunismus, ihre Sozialleistungen in einem Masse ausgebaut, wie dies heute nicht mehr tragbar ist. Diese europäische Krise, der sich auch die Schweiz nicht entziehen kann, wird nach Auffassung von EZB-Direktor Jörg Asmussen noch weitere zehn Jahre dauern. Das ist eine lange Zeit ebenso für Bankkunden wie aufstiegsorientierte Führungskräfte.
Im Ergebnis sind viele Schweizer Bankmitarbeiter die Betrogenen. Werden sie nicht entlassen, was zu Tausenden der Fall ist, sind ihre Karrierechancen unter null gesunken, denn auf dem Weg nach oben stehen ihnen Angelsachsen und andere Ausländer im Weg. „Englisch ist ok, aber Cockney nicht“, wie ein entnervter Schweizer unlängst sagte.
Die Betrogenen sind auch die normalen Schweizer Anleger, die nicht zu den „High Networths“ gehören, solchen, die über mehr als 50 Millionen Franken „free capital“ verfügen, denn nur für diese stand er früher für ein Gespräch zur Verfügung, wie Oswald Grübel, noch im Amt der UBS, sagte. Sie erhalten, um ihre Staaten zu entschulden, praktisch keine Zinsen mehr und werden in Risiken gestossen, die sie meist nicht verstehen. Der Schweizer Privatkunde ist schon seit langem ge-„cornert“, hat er doch wenige Fluchtwege in eine halbwegs risikofreie Anlage.
Schlimmer noch: Zehntausende amerikanischer, englischer, französischer und deutscher Klienten des Finanzplatzes Schweiz wurden über Nacht auf die Strasse gestellt, Auslandschweizer inklusive. Bei Nichtunterschrift von Konto-Kündigungspapieren wurde ihnen Schliessung der Konti angedroht. Dies war wohl eine der merkwürdigsten Marketingaktionen grosser Schweizer Banken: Wie vertreibt man seine Kunden, um sie morgen mit ihrem Weissgeld wieder zu gewinnen?
Die Frage ist deshalb, ob sich nach einer Phase der Konzentration im Binnenmarkt unsere Banken tatsächlich wieder erholen werden. Noch halten viele Restbestände von Bankaktien, meist als romantische Erinnerung an das glorreiche 20. Jahrhundert.
Bei der UBS scheint sich einiges zu klären. Die UBS Schweiz, wo soeben mit Stefan Nünlist nach Peter Hartmeier der zweite Informationschef nach Kurzzeit-Anstellungen den Hut nehmen musste, hat das Vertrauen im eigenen Land noch nicht wieder gewonnen. Während in Asien die Geschäfte boomen, klemmt der Heimatmarkt.
Die meisten der noch verbliebenen Privatbankiers haben ihre 300jährige Vollverantwortung panikartig aufgegeben zugunsten einer Aktiengesellschaft, wo nur verloren geht, was gezeichnet wurde. Jungbanker vom Stil Thomas Matter wollen das Fort Schweiz bis auf die letzte Patrone verteidigen. Es ist absehbar, dass die erstarkende politische Linke daran kein Interesse hat und die zerstrittenen Bürgerlichen keine Linie. Geht der Finanzplatz Schweiz deshalb im Orkus unter?
Für den normalen Bankangestellten bis hinauf zum „Managing Director“ sieht es nicht gut aus. An der Spitze, im Aktionariat wie in den Generaldirektionen, regieren die Ausländer, die sich verbleibender Schweizer als eiserner Imagereserve bedienen.
Die grossen institutionellen Vermögen der Schweiz haben eine gute Chance, diesen für viele traumatischen Zuständen mit Gewinn zu entkommen. Sie haben die Erfahrung wie die Marktmacht, die Konditionen zu diktieren. Für die Besitzer von Nettovermögen über 50 Millionen sind die Aussichten nicht schlecht, wenn sich deren Inhaber nicht zu Abenteuern in der Anlage verführen lassen. Wer weniger als 20 Millionen zur Bank trägt – das sind 99 Prozent aller Schweizer Privatkunden -, muss sein Geld mit der Maschinenpistole bewachen, damit es nicht von Jahr zu Jahr weniger wert ist.
Sind diese Mikro-Probleme gelöst, was selten der Fall sein wird, kommen die Makro-Probleme: Unter den Angriffswellen der USA, der OECD-Staaten und der EU-Mitglieder von aussen, wackelt die Titanic Schweiz beängstigend. Dazu kommen die Angriffswellen von innen: 1:12-Initiative, Erbschaftssteuer und rasant steigende Kosten. Es bleibt den Banken nichts anderes übrig, als mit ihrer Schweizer Titanic so lange weiterzufahren bis der letzte Tropfen Öl in den Tanks verbraucht ist und der grosse Knall folgt.
Die Finma mit 490 Mitarbeitern wird dies nicht verhindern können. Sie wird unter Patrick Raaflaub alles tun, um grossen Schaden für Land und Volk zu vermeiden, aber die Kollateralschäden sind heute schon beachtlich und werden noch steigen. Wenn die Banken mit Bruno Frick einen ihrer Vertrauens-Parlamentarier in die Finma-Aufsicht bringen wollen, ist dies eher eine Bedrohung als eine Erleichterung für den Anleger.
Wir sollten also der Kapelle sagen: Spielt zum Tanz auf. In den Discos der Unterdecks zucken die jungen Menschen um die Wette; an den Goldküsten der Schweiz wird man im Oberdeck den „Letzten Walzer“ nicht versäumen. Noch eines dürfen wir nicht vergessen: Die Erstklass-Passagiere der Titanic hatten eine wesentlich grössere Überlebenschance als die Zweit- und Drittklass-Reisenden; das gilt damals wie heute. Diesen Sommer wollen wir deshalb noch geniessen, aber er wird von einer „Soleil trompeur“ beschienen, die nicht einen, sondern viele harte Winter verspricht.
Lieber Herr Stöhlker
Ich weiss nicht auf welcher Seite Sie nun wirklich stehen: Machen Sie auf dieser Plattform nur „opinion fishing“ (zum Nulltarif)? Jedenfalls deckt sich Ihr hier demonstriertes Erbarmen mit den „Drittklass-Reisenden“ überhaupt nicht mit der Position, die Sie kürzlich im Zyschtigs-Club vertreten haben, bzw. wie das Publikum Sie dort wahrgenommen hat. Ihr Lobbying mit 180 Grad Seitenwechsel – so kommt es nicht nur bei mir rüber – bedarf einer Rollenklärung. Ich habe den Eindruck, dass Sie in diesem Blog einfach mal eine Position vertreten und dann schauen, was der „Mob“ (das Wort wird in Ihren Kreisen häufig gebraucht) so darauf antwortet. Als Kommunikationsprofi sollte es Ihnen daher nicht schwer fallen eine Klärung hierzu gleich in diesem Blog zu geben. Oder agieren Sie – einer Wetterfahne gleich – einfach im Auftrag Ihrer Auftraggeber, zu denen die Grossbanken offensichtlich nicht (mehr) gehören…??
Freundliche Grüsse
Osservatore
Sehr gut analysiert Osservatore. Persönlich finde und fand ich Herrn Stöhkler seit je her wenig glaubwürdig. Dieser Herr ist ein Opportunist erster Güte, wenn sie mich fragen…