Als Antwort auf die Finanzkrise und zum besseren Schutz der Kunden arbeitet Brüssel an einem neuen Rahmen ihrer Finanzmarktgesetzgebung. Gemäss Entwurf setzt das Anbieten von Finanzdienstleistungen für Privatkunden künftig eine Zweigniederlassung für ein Finanzinstitut aus einem Drittland voraus („branch requirement“), über welche Dienstleistungen für EU-Kunden angeboten und erbracht werden müssen („through the branch“).
Obwohl die neuen Anforderungen noch nicht verabschiedet sind, sorgen die Pläne der EU in der Schweiz für rote Köpfe. Anders sieht es in Brüssel aus. Das Grossprojekt MiFID II wirft in der Hauptstadt Europas keine hohen Wellen. Die Meinungen sind weitgehend gemacht. Änderungen wird es in grösserem Umfang kaum mehr geben. Das Zweigniederlassungserfordernis ist gesetzt und dürfte auch in der letzten Verhandlungsrunde zwischen Rat, Parlament und EU-Kommission nicht mehr kippen. Die Bereitschaft, den Markt gegenüber Drittstaaten zu öffnen, ist gering. Zu viele europäische Bankeninstitute sind bei ihren Staaten verschuldet. Die protektionistische Intervention bietet zudem eine einladende Möglichkeit, Kapitalabflüsse in Drittländer zu unterbinden.
Skeptiker auf dem Schweizer Bankenplatz fürchten, dass mit der vorgeschlagenen Regelung künftig auch die Erbringung von grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungen (cross-border) von der Schweiz in den EU-Raum unterbunden wird. Diese Lesart ist voreilig. Die Details der Bestimmung legt die Wertpapieraufsicht ESMA fest. Erst wenn die Richtlinie verabschiedet ist, werden in Paris im sogenannten Level 2 Prozess die Details ausgelegt. Bis dahin dauert es noch eine Weile. Mit einer Einigung ist nicht vor 2014 zu rechnen. Die Richtlinie tritt anschliessend kaum vor 2017 in Kraft. Darüber hinaus gelten lange Übergangsfristen.
Ein sinnloser Zwischenschritt?
Mit dem Ruf nach rascher Übernahme dürften die einzelnen Akteure des Bankenplatzes Schweiz nicht zuletzt die schnelle Regulierung der Kleinen im Blick haben. Die in MiFID II geforderte prudentielle Unterstellung wird kleinere Finanzintermediäre aus dem Markt drängen. Die hohen Dokumentations- und Ausbildungspflichten werden auch im Retailgeschäft den Wettbewerb zwischen den Depotbanken anheizen. Die Grossbanken dürften hier zweifellos im Vorteil sein.
Die Forderung, MiFID II im Wortlaut rasch zu übernehmen, in der Hoffnung, die EU weiche damit Niederlassungserfordernisse auf, ist naiv und lässt sich allein mit der Lektüre der europäischen Entwürfe nicht erklären. Die vorschnelle Forderung zeigt vor allem, wie wenig die Akteure des Schweizer Bankenplatzes die regulatorischen Zusammenhänge in Europa erkennen. Mit der Bankenunion steht bereits die nächste Regulierung an. Mit dieser wird wohl definitiv Schluss sein mit der Bedienung von Kunden im EU-Raum ohne Tochtergesellschaft. Der teure Zwischenschritt kann sich der Bankenplatz daher mit dem Argument des Marktzutritts sparen.
Die Schweiz wäre gut beraten, auf EU-Experten zu hören. Ein ranghoher Vertreter der europäischen Fondsindustrie riet der Schweiz anlässlich des Hearings zum neuen Finanzdienstleistungsgesetz zur Zurückhaltung beim autonomen MiFID-Nachvollzug. Noch, warnte der Kenner, sei die EU-Regulierung „moving target“.
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