Polizeikommissar Eschenbach erwacht in einer Mondnacht in einem Bett im Kloster Einsiedeln als Chief Compliance Officer und Member of the Board der Banque Duprey, die ihr Domizil an der Rämistrasse in Zürich hat. Sein Vorgänger im Amt des Compliance Officers darbt gleichzeitig an ein Kreuz gebunden in einem Nebenraum des Tresors im Keller des Bankgebäudes.
Natürlich weiss das Eschenbach zu diesem Zeitpunkt nicht. So liest man es auf den Seiten 40 und 268 des Zürcher Regionalkrimis „Rütlischwur“ von Michael Theurillat. Das tönt ziemlich verwirrend, und das ist es auch. Aber schliesslich ist auch das Bankgeschäft ziemlich verwirrend. Der Krimi passt prima zum Finanzplatz Zürich.
Worum geht es in der Geschichte? Um vieles. Es geht um den Niedergang einer Zürcher Privatbank, ums Bankgeheimnis, um Kindersoldaten mit Kalaschnikows, und natürlich um mysteriöse Geldflüsse. Der Krimi enthält sogar eine Skizze des zu Unrecht berüchtigten Hawala-Zahlungssystems.
Es geht aber auch um den Rütlischwur und den Rütlirapport von General Guisan, um die Reduit-Strategie, die wohl im zukünftigen Swiss Banking wieder eine zentrale Rolle spielen wird (https://insideparadeplatz.ch/2012/12/27/banking-im-gotthard-granit). Natürlich geht es immer auch um Mord und Totschlag, nur ist man nie ganz sicher, ob die Toten dann auch wirklich tot sind.
Vor allem aber geht es auch um einige interessante Akteure und ihr Schicksal, vorab um den sympathischen Kommissar Eschenbach in seiner Rolle zwischen dem Polizeioffizier und dem Compliance Officer.
Es ist eine reizvolle Idee, einen Unbedarften ins Banking hineinschauen zu lassen, mit einer Brille von aussen. Nicht sehr sympathisch ist der Banker Jakob Banz, dessen Deformation durch Geld etwas einfach gezeichnet ist.
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Sympathischer ist da Bruder John aus dem Kloster Einsiedeln, der sich aber im Verlauf des Romans nicht nur für Babyklappen interessiert.
Meine Lieblingsfigur im Roman ist eindeutig Judith; nicht nur, weil sie im Laufe der Handlung vom kleinen Vollwaisenmädchen zur attraktiven Frau heranwächst, sondern auch, weil sie sowohl als Teamchefin bei der FINMA in Bern als auch als Angestellte der Banque Duprey in Zürich tätig ist.
Der Krimi spielt zwischen Zürich und Einsiedeln, mit Abstechern nach Kanada und Irland. Natürlich kommt auch das Rütli mehrfach vor. Auch Bern spielt eine ganz wichtige Rolle, wie das heute für den Finanzplatz ja auch der Fall ist; und dies, obschon es seit dem Verschwinden der Schweizerischen Volksbank neben der Kantonalbank in Bern kaum mehr wichtige Institute gibt.
Aber die Bankenstrategie wird halt nicht mehr in den Verwaltungsratssälen der Banken, sondern im Bernerhof, einem ehemaligen Nobelhotel und heutigen Sitz der Finanzministerin, gemacht.
Autor Theurillat studierte Wirtschaftswissenschaft und doktorierte 1996 mit einer empirischen Arbeit über den Schweizer Aktienmarkt. Wahrscheinlich sind seine Krimis mit Kommissar Eschenbach lustiger zu lesen als seine Dissertation.
Theurillat arbeitete für den Schweizerischen Bankverein und verliess die Bankenwelt als Managing Director der UBS, um im Alter von 42 eine Laufbahn als Autor zu beginnen. Dieser Lebenslauf macht ihn zu einem interessanten Krimischreiber, vor allem für Leute, die immer noch auf einer Bank arbeiten.
Wer also soll den 2011 veröffentlichten „Rütlischwur“ lesen? Kann man ihn zu Weihnachten schenken?
Er ist noch hochaktuell, aber er ist kein Buch für jedermann. Kommissar Eschenbach ist nicht Wachtmeister Studer, und Theurillat ist nicht Friedrich Glauser.
Aber für Schweizer Banker, vor allem solche aus Zürich, ist das Buch schon fast eine Pflichtlektüre. Für Leute, die eine Karriere im Bereich Compliance, dem einzigen Wachstumssegment des Schweizer Finanzplatzes, anvisieren, ist „Rütlischwur“ ein absolutes Muss.
So können sie die gefahrlos die Berufsrisiken kennenlernen. Sie können im Tresorraum am Kreuz enden.
Ganz ungeeignet ist der Roman für Leute, die abends eine kurze Lektüre zum Einschlafen suchen und das Buch häppchenweise lesen wollen.
Erstens raubt ihnen die Handlung den Schlaf, und zweitens müssen sie jedes Mal wieder von vorne beginnen, weil sie den roten Faden nicht mehr finden.
Das Buch wird am besten in einem Zug genossen, so wie es Kommissar Eschenbach mit einer Flasche Whiskey im irischen Pub „Dead End“ auf Seite 282 vormacht.
Die Bücher von Theurillat sind alle spannend zu lesen, behandeln immer wieder Themen aus der Schweiz oder solche, die im Zusammenhang mit unserem Lande stehen. Sein Schreibstil ist flüssig, geistreich und lässt den Leser immer wieder über Details staunen. Seine Romane sind, obschon im Genre der Kriminalliteratur Bildungsromane, vermitteln also ein Wissen, das durchaus aus anregend sein kann. Hoffentlich schreibt er weiter.
Kurt Strittmatter
Ja aber hallo!
Da schlummert mit hg ganz offensichtlich ein Schreibtalent, das wohl schon eine interessante Diss geschrieben haben muss. Auch wenn das schon länger her ist und ich als Student schon in den Genuss seiner interessanten Referate gelangen durfte, mehr Prosa von ihm würde mir mehr als gefallen! 😉
achtung irr oh nie