Das Closing ist durch. Die neuen, stolzen Inhaber sind voller Optimismus. Es herrscht Post-Merger-Euphorie. Das Markenlogo blitzt im sonnigen Morgenlicht an der Fassade. Ein Teil der eingesetzten Geschäftsleitung ist schon da. Nur die Gründerin oder der Gründer tauchen da nicht mehr auf.
Die Traditionsfirma ist jetzt ohne diese unterwegs – zu neuen Ufern oder dem endgültigen Aus.
Gerade die Markenfirmen oder Manufakturen mit einer echten Pionier- oder charmanten Gründergeschichte favorisieren eine neutralere Lösung ausserhalb des Hauses, wenn die Nachfolgeregelung nicht „en famille“ gelöst werden kann. Bei bekannten Modefirmen, Trendsettern aus dem Sportswear-Segment oder bei hochwertigen wie serbelnden Uhrenunternehmen entscheiden sich die Gründer vorzugsweise für einen sogenannten „Trade sale“, also einen Verkauf innerhalb der Branche. Oftmals ist das Vertrauen in gleichgesinnte Fachleute gegenüber dem Lebenswerk grösser, als die Versuchung, den verlockenden Angeboten von Drittparteien und Investorengruppen zu widerstehen.
In der jüngsten Transaktion war nun wieder alles anders. Der bevorzugte MBO (Management Buyout) kam im letzten Moment doch nicht zu Stande – die Private-Equity-Boutique zahlte bedeutend mehr. Die Investoren kennen und mögen die Marke seit Jahren und haben viel mit dieser vor.
Auf Käuferseite war man sich auch längst einig, dass die Markenfirma enormes Potenzial hat, aber eine tiefgreifende Verjüngungskur und einen überarbeiteten Vertrieb benötigen würde. Ein Sportler oder Star wäre ganz gut. Mit viel Promiwerbe-Show will man zu altbekannter Höhe zurückfinden respektive zu vielversprechenden, neuen Ufern aufbrechen – als Minimalziel, bittschön. Das klingt gut, beruhigt die Belegschaft, motiviert die wichtigsten Zulieferer. Generiert Aufmerksamkeit und überzeugt sowohl Privatinvestoren als auch die zuständigen Fonds-Manager.
Um die formulierten Ziele zügig zu erreichen, erinnert man sich gerne an diverse Mitstreiter aus gemeinsamen Beratertagen und beauftragt einen freien „Buddy“, ausgerüstet mit hochtrabenden Vorgaben und ebenso hochfliegendem Kompensationspaket, sich der Sache anzunehmen und die Traditionsmarke voranzubringen.
Wo aber ist das Markentestament ?
Die Marke ist zwar einem bedeutenden Anteil der Bevölkerung ein Begriff, wobei da schnell auf eigene Erfahrungen mit Produkten und gewissen Unzulänglichkeiten hingewiesen wird. Was früher offenbar weniger der Fall war. Das erste Geschäftsjahr ist durch. Die Zahlen sind wenig berauschend. Es scheint, als ob die neuen Lenker der Traditionsfirma das generische Markenverständnis zu wenig begreifen und einbeziehen. Ein Umstand, mit dem jede Marke schnell an Profil, Einzigartigkeit und zukunftsweisendem Potenzial verliert.
Insider empfinden den Auftritt, das Marktverhalten sowie das Design der Markenfirma – diplomatisch ausgedrückt – „stark ausgetreten“. Es komme wenig Überraschendes, und die Erfolgsfaktoren seien längst abhanden gekommen. Beim aktuellen Werbeauftritt wird man das Gefühl nicht ganz los, die austauschbaren Sujets schon mehrfach gesehen zu haben, etwa auch bei Mitbewerbern.
[simple-google-ads-ad-tag id=“ip_content_middle“]
In den Lifestyle- und People-Magazinen findet die Marke nur noch sporadisch Eingang.
Was ist denn nur mit dem anerkannten Markenkern passiert bei diesem Wechsel, fragt man sich zu recht. Wo ist die Produktephilosophie geblieben? Wo das Markentestament? Vielen ehemaligen Kunden und Kundinnen fehlen die Handschrift der Gründergilde und deren Gespür als Träger und Garanten der Markenphilosophie. Herkunft hat doch Zukunft, weiss man.
Fakt ist leider: Keiner weiss eigentlich, wofür die Marke einsteht, welches Markenversprechen damit verbunden wird und welche Imagefaktoren nun publikums- und medienwirksam die wunderbare Herkunftsgeschichte und die Mission weitertragen sollen. Wie viel Philosophie und Wertigkeit sind denn noch drin in der ehemals oft ausgezeichneten und gefeierten „Marke“, wenn das Markentestament nicht gelesen, verstanden und angewendet wird?
Und was bedeutet dies nun für den gewünschten Weg zu den neuen Ufern als Minimalziel?
Der bezahlte Preis und sein Goodwill können nur eingespielt und die Markenfirma prosperierend ausgebaut werden, wenn die eingesetzte Firmenleitung das Markentestament als Leitfaden für künftige Erfolge interpretiert und zeitgemäss einfliessen lässt. Auf dieser überlieferten Gründer-Philosophie basiert schlussendlich die bisherige Identität und Wertigkeit der Unternehmung, deren Kernkompetenzen und das gewinnende Verständnis im Markt.
Und genau für diese bisherige Marken-Story, welche von ihren Fans langjährig mitgetragen wurde, hat die Private-Equity-Boutique durch ihren Investorenzirkel für die Firma viel Geld gezahlt.
Das Management tut also gut daran, die Hauptbotschaften der Marke wertorientiert zu kultivieren, auf dass die Kundinnen und Kunden diese im Markt wieder erkennen und richtig zuordnen können, um bei „ihrem Brand“ zu bleiben und damit Absatzzahlen und Margen zu erhalten.
Nur der Respekt gegenüber dem bisher Erreichten verbindet einen Inhaberwechsel oder gar den Neubeginn mit der bisherigen Käuferschar. Und erst dann kommen zusätzliche Gruppierungen zur Marke. Wem das nicht oder ungenügend gelingt, der verpasst seine Ziele, verliert seine treusten Jünger – und muss heute eher früher den Investoren Rede und Antwort stehen.
Fazit: Investoren sollten sich vor einem Engagement eine Markenbilanz der Traditionsmarke vorlegen lassen, um die tatsächliche Wertigkeit und die Dauer der Revitalisierungsphase optimaler nachvollziehen zu können. Die Frage nach dem Markentestament entscheidet mit über das Investment.
Denn: Wer die Gründer-Story weglässt, amputiert den Markenwert um sein stärkstes Element.
Das Management wiederum muss die DNA der Marke verstehen, ja verinnerlichen und die Firma unter Einbezug des vorliegenden Markentestaments optimal aufstellen sowie deren Produkte ideal ausrichten.
Gute Überlegungen. Wenn man bedenkt wie schwer sich TPG mit BALLY tat.
Oder was mit dem Möbelhersteller DeSede geschah.
Wie souverän HUBLOT Montres unter’s LVMH-Dach gingen. Und aktuell das IPO von
MONCLER Spa bejubelt wird. Da wirkt etwas Markenverständnis schon wie eine
frischere Anlage-Brise.
was soll diese warme Luft in diesem Forum?