Gleich nach seiner Amtsübernahme hat Regierungschef Matteo Renzi einen neuen Sheriff als Direktor für die italienische Steuerbehörde eingesetzt. Rossella Orlandi ist eine knallharte 58-jährige Chefbeamtin aus der Toscana. Sie weiss, wie Offshore-Strukturen funktionieren. Sie kennt das internationale Steuerrecht und den Unterschied zwischen legaler Steueroptimierung und illegaler Steuerhinterziehung.
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Vor allem ist sie aufs Aufspüren von Superreichen mit komplexen Offshore-Strukturen spezialisiert. Rasterfahndungsmethoden aus der Terrorbekämpfung werden mit den für die Mafiabekämpfung eingesetzten Abhörtechnologien von FBI und CIA kombiniert. In enger Zusammenarbeit mit der Guardia di Finanza hat Orlandi bereits viele Prominente abholen lassen. Sie ist zum Alptraum reicher Industrieller geworden, die im Ausland Geschäfte machen.
Derzeit präsentiert Rossella Orlandi die Resultate ihres Meisterwerks für ihren Arbeitgeber, den notorisch unterfinanzierten italienischen Staat. Orlandi verbreitet bei vielen reichen Italienern Angst und Schrecken. Deren Nationalsport, das Steuerhinterziehen, wird wegen der eisernen Hand Italiens Steuereintreiberin Nummer 1 zum Vabanquespiel. Das zeigen die von Orlandi präsentierten Resultate zum italienischen Selbstanzeigeprogramm Voluntary Disclosure.
„Mit 129‘565 Selbstanzeigen konnte Italien über 4 Milliarden Euro Schwarzgelder einsammeln“, sagte Frau Orlandi, und fuhr fort: „70 Prozent davon aus der Schweiz. 50 Prozent der Selbstanzeigen kommen aus der Lombardei.“ 59,5 Milliarden Assets wurden legalisiert, davon kommen 41,5 Milliarden aus der Schweiz. Mit grossem Abstand folgen Monaco, die Bahamas, Singapur, Luxemburg und San Marino.
Orlandi freut sich ungemein über die grosse Menge an höchst geheimen Daten, welche dank dem Voluntary Disclosure Programm eingesammelt werden konnten. Das Selbstanzeigeprogramm verpflichtet den Steuersünder zur Edition äusserst umfangreicher Dokumentation mit detailliertem Beschrieb, wer genau mitwirkte. So hat das Gesetz die Teilnehmer dazu verpflichtet, die Namen von in Transaktionen involvierten Personen offen zu legen.
Die sehr weitgehenden Dokumentationspflichten werden in Zukunft viele bis heute Unbescholtene massiv belasten. Diese Denunziationspflichten haben dazu geführt, dass eine stolze Zahl Unternehmer nicht teilgenommen hat, weil diese Leute sonst verpflichtet gewesen wären, Freunde, Kollegen und Geschäftspartner zu verpfeifen.
Dank dem Datenberg hat nun die Steuerbehörde massenhaft geldwerte Beweise in der Hand, um weitere, heute noch unbekannte Steuersünder zu belangen. Dank der unverhofften Menge an vertraulichen Daten sei endlich eine effiziente Bekämpfung der flächendeckenden „Evasione Fiscale“ Realität geworden, meint Orlandi. „Heute haben wir Informationen in einem Ausmass, von dem wir früher nur träumen konnten.“
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Die Worte von Orlandi haben viele Steuerhinterzieher erschaudern lassen. Die Unternehmer, die sich nicht anzeigten, haben ein Problem. Sie und die von ihnen vermeintlich geschützten Drittpersonen werden nun von Orlandi noch stärker gejagt. „Heute sind wir in der Lage, jeden zu packen, und wir werden jeden packen“, drohte der neue Steuer-Sheriff aus Italien euphorisch. „Wer Fehler macht, der muss zahlen. Es gibt kein Entkommen.“
Selbst nach Ablauf der Frist zur Selbstanzeige am 30. November letzten Jahres fragen mich heute noch Ratsuchende am Telefon, ob sie trotzdem am Programm teilnehmen dürfen. Auch Banken in Zürich haben mich angefragt, ob sie jetzt, weit nach Ablauf der Frist, noch Kunden zu mir schicken könnten und ob man nach dem 30. November „noch irgendetwas machen“ könne.
Der Fall ist klar: Besser ist immer, sich selber über das dafür vorgesehene „Ravvedimento Operoso“ offenzulegen, anstatt zu warten, bis man verhaftet wird und riskiert, das Dreifache des Schwarzgeldes zu verlieren.
Wer keine strafrechtlich relevanten Straftatbestände verübt hat, sollte die Initiative ergreifen und Verhandlungen mit der Behörde aus eigener Initiative ins Rollen bringen. So kommt er garantiert besser weg, als wenn er nichts tut und fatalistisch abwartet.
Wer sich hingegen strafbar gemacht hat, sollte die Verjährungsfristen genauer anschauen und – so wie Berlusconi – Strategien prüfen, wie das Institut der Verjährung optimal ausgenützt werden kann.
Der enorme Daten-Tsunami in Richtung Italien wird in den kommenden Jahre so wie von Orlandi angekündigt minuziös verarbeitet. Die Informationen lassen alle Hoffnung auf ein Entkommen schwinden.
Was passiert, wenn man sich offenlegt? Dann gibt es keine reduzierten Sanktionen, so wie dies im Programm der Fall war, aber man kann mit dem „Ravvedimento Operoso“ seine Steuern nachzahlen. Das gilt für alle, die reinen Tisch machen wollen und konstruktiv und kooperativ am Verfahren mitwirken; einen Kompromiss findet man in Italien immer. Am Ende des Verfahrens sieht das Gesetz ein persönliches Treffen vor, welches mit einem Kuhhandel endet, welcher in den Räumlichkeiten der Steuerbehörde am Tisch stattfindet.
Aufgrund der riesigen Datenmenge in den Händen von Orlandi kann ich nicht ausschliessen, dass die eine oder andere Wild-West Bank im Tessin strafrechtlich auffällig wird. Ein italienisches „Non Prosecution Program for Swiss Banks“ wäre unter der Führung von Sheriff Orlandi durchaus denkbar.
Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Sie heisst Rossella Orlandi, nicht Ornella.
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EUR 4 Mia. geteilt durch die 129’565 Selbstanzeigen ergibt EUR 30’872 pro Fall. Naja, man kann ja alles als „Volltreffer“ verkaufen! Da haben sich wahrscheinlich eher ein paar ehemalige italienische Gastarbeiter angezeigt, die bei ihrer Pensionierung einen Teil des PK-Geldes in der Schweiz zurückgelassen haben. N.B. EUR 4 Mia. machen gerade mal 0.18% der italienischen Staatsschuld aus. Rechne!
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Interessante Anmerkung !! Wenn Orlandi’s „Erfolg“ auf den ehemaligen Gastarbeitern basiert, dann hat die Dame wohl dick am Ziel vorbeigeschossen, den diese haben ihre Steuern ein Leben lang bezahlt; in der Schweiz versteht sich. Aber eben, sich auf dem Rücken der Kleinen mit Erfolg zu schmücken ist halt einfacher als die wirklichen Erfolge zu erzielen.
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Na ja, gute Selbstvermarketerin eben, wie so viele. – Wenigstens besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Resultat und Orlandi. – Oft schmücken sich ja Manager mit Erfolgen anderer, wo sie nicht einmal „Adabeis“ waren.
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Danke Erich. In die richtigen Relationen gesetzt ein klassischer No-Brainer… – Europa’s Politiker haben schnell von den sich seuchenartig ausbreitenden angelsächsischen Hallodris und Marktschreiern gelernt und verkaufen eine Zielerreichung von max. 10% als grossartige Erfolge. Wahrlich ein Volltreffer! Aber immerhin schön, dass auch ein paar CH Steuer- und Rechtskanzleien ihren Anteil abschöpfen, hier Werbung machen und an künftigen ‚Kuhhändeln‘ partizipieren können.
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Die Prognosen waren 30 bis 40 Milliarden Euro an Steuern!!!
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das ist der Hammer, wenn das so stimmt, bin gespannt welche Daten noch offengelegt wurden.
das ist der Hammer, wenn das so stimmt, bin gespannt welche Daten noch offengelegt wurden.
Die Prognosen waren 30 bis 40 Milliarden Euro an Steuern!!!
EUR 4 Mia. geteilt durch die 129'565 Selbstanzeigen ergibt EUR 30'872 pro Fall. Naja, man kann ja alles als "Volltreffer"…