Das Thema „Knigge“ wird oft als altmodisch, bieder und verstaubt abgetan. Das Gegenteil ist der Fall, insbesondere wenn ich mich in der Gesellschaft umsehe: Sei es im Tram, an den Bahnöfen, in den Restaurants, in den Kaderbüros oder auch im Umgang zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden – Knigge ist hochaktuell und betrifft alle Gesellschaftsschichten.
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93% des ersten Eindruckes ist, wissenschaftlich bewiesen, nonverbal. Ein Teil dieses ersten Eindruckes ist die eigene Körperhaltung, die Gestik, die Mimik; ein weiterer, grosser Teil die Kleidung, mit welcher der jeweilige Träger sehr viel kommuniziert.
Gerade beim Outfit stelle ich fest, dass viele Geschäftsleute sich nicht bewusst sind, dass die Schuhe die Visitenkarte eines Menschen sind – und gerade hier haben wir in unseren Breitengraden noch sehr viel Verbesserungspotenzial. Von Anzügen, welche nicht sitzen, da die Ärmel zu lang sind, Hosen, welche viel zu kurz sind oder Krawatten, welche schlicht nicht passen, ganz zu schweigen.
Auch die Körperhaltung ist ein grosses Thema, da viele Menschen nicht gerade stehen können und viele Schweizer sehr gerne ihre Hände in ihren Hosentaschen verstecken – und ihrem Gegenüber dementsprechend nicht die volle Wertschätzung entgegenbringen wie es angebracht wäre; gerade bei Geschäftsleuten, welche vor anderen Menschen sprechen oder Vorträge halten, ist dies nicht akzeptabel und hinterlässt einen sehr unprofessionellen Eindruck.
Und was hat Knigge nun mit Leadership zu tun? Ganz einfach: Vorbildfunktion.
Ich persönlich betrachte die Tatsache, dass viele Vorgesetzte heute nicht die Courage besitzen, Unangenehmes anzusprechen gegenüber einzelnen Mitarbeitenden, oder dies erst im Jahresendgespräch zu Wort bringen, als ganz klaren Mangel an Führungsqualitäten.
Dies geht mit dem Thema Knigge Hand in Hand. Denn Unangenehmes anzusprechen, ist nun mal Teil der Aufgabe von Vorgesetzten, wenn es um zwischenmenschliche Führungsaspekte geht – und hier stelle ich enorme Mängel fest.
Ein Business-Lunch oder Dinner ist in meinen Seminaren oft ein integrer Bestandteil des Schulungskonzeptes. Was ich dabei erlebe, reicht von unglaublich galant und weltgewandt bis zu haarsträubend und tragisch. In Anbetracht der Tatsache, dass viele der Teilnehmer regelmässig mit ihren Kunden essen gehen, frage ich mich, wie sie hohe Position erklommen haben; und was für eine Wirkung sie als Vertreter einer Firma bei Ihren Kunden hinterlassen, mit manchmal eklatant schlechten Tischmanieren.
Es würde somit manchem Vorgesetzten gut tun, mit seinen neuen Mitarbeitern essen zu gehen, um zu sehen, wie sich diese verhalten. Denn das Verhalten zu Tisch sagt viel über den Charakter eines Menschen aus – und ob er zur eigenen Unternehmenskultur passt.
Ein Kunde von mir lässt sich zum Beispiel von seiner HR-Abteilung die drei besten Kandidaten aussuchen und geht dann mit ihnen einzeln zum Mittagessen in ein durchschnittliches Restaurant; ohne dass er selber vorher die Dossiers der jeweiligen Bewerber eingesehen hat. Er weiss ja, dass alle drei für den Job qualifiziert sind. Dann wählt er den Mitarbeiter aus, der aus seiner Sicht am besten ins bestehende Team passt. Das ist Leadership.
Nun, ich bin mir bewusst, welch grosser Druck heute in viele Firmen herrscht, da ich viele Unternehmen aus allen möglichen Branchen mit allen Hierarchiestufen als professioneller Knigge Coach und aktiver Butler mit gezielten Seminaren unterstütze. Doch stelle ich fest, dass der Umgang unter Mitarbeitenden und Vorgesetzten stark gelitten hat in den letzten Jahren, was wiederum für die Stimmung in einem Team nicht förderlich ist.
Es ist an der Zeit, sich wieder auf wahre Werte zu besinnen, den Umgang gegenüber seinen Kunden und Mitmenschen zu pflegen und sich zu fragen, was für eine Wirkung man als Mensch auf andere hat. Das vermisse ich bei vielen hochbezahlten und mächtigen Vorgesetzten, welche den Kontakt zur Basis komplett verloren zu haben scheinen.
Es wäre an der Zeit, Knigge in der Chefetage zum Thema zu machen, damit Vorgesetzte Werte vorleben, ihre Vorbildfunktion wahrnehmen und als Resultat Respekt und Wertschätzung ernten bei ihren Mitarbeitenden.
Loyale, begeisterte und motivierte Teams sind die Folge, welche eine messbar bessere Leistung erbringen. Danach streben doch alle Vorgesetzten unter dem Strich.
Knigge ist Leadership. Weil gutes Benehmen wieder en vogue ist.
Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Das Fell einer Katze sagt nichts über die Anzahl gefangener Mäuse aus.
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Ich bin durchaus für Anstand und ein gewisses Mass an Gepflegtheit. Nur was bringt einem ein äusserlich galantes, eloquentes und herausgeputztes Erscheinungsbild, wenn mich der selbe Mensch gleichzeitig anlügt, verarscht und über den Tisch zieht? Da ist mir ein Strickpulli der dafür die Wahrheit spricht und zuverlässig ist, 1000x lieber! Ich glaube wir müssen wieder lernen mehr auf den Inhalt, und nicht nur auf die (Marketing-)Verpackung zu gucken.
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Ein Blick über den Grossen Teich, ins Weisse Haus, genügt um festzustellen, dass gutes Benehmen – Anstand ganz allgemein – nicht mehr en vogue ist. Die unpassende rote Krawatte des dortigen Hausherrn scheint mir da ein eher zweitrangiges Problem zu sein.
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Mit Verlaub Herr Knupfer, die rote Krawatte hat einen Hintergrund welchen Sie offensichtlich nicht verstehen aber durchaus angebracht ist!
Übrigens, wenn heute Menschen bedauern, dass Frau Clinton nicht gewählt wurde, ist dies ein wirklich bedauernswerter Offenbarungseid.
Was meinen Sie denn zum Verhalten von Herrn Biden an den Vereidigungszeremonien gegenüber dem Nachwuchs der Politiker?
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Dieses Knigge-Defizit spricht für die soziale Mobilität der Schweiz. Offenbar haben Menschen aus der Unterschicht und der unteren Mittelschicht die Möglichkeit beruflich aufzusteigen. Das ist doch besser, als wenn es in der Teppichabteilung nur Menschen mit Adeliger Abstammung aus der Oberschicht hat.
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Ich meinte Teppichetage und nicht Teppichabteilung.
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Zum sozialen Aufstieg gehört doch, dass man sich gute Manieren aneignet. Was sollte denn an einer gepflegten Erscheinung, einem guten Benehmen, Respekt und Höflichkeit schlecht sein? Das ist Teil des Anstands.
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Style never goes out of Fashion – kein Zweifel.
Und jedes Geschäftsessen ist immer ein Pitch.
Das Recruitingbeispiel mit dem Mittagessen gefällt mir. -
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Der Knigge Coach hat in jeder Beziehung recht. Würde Knigge auch für richtiges Deutsch gelten, hätte er die Umschreibung oben im Text „integrer Bestandteil“ nicht durchgelassen. Nicht einmal „integrierter Bestandteil“ wäre richtig, sondern nur einfach „Bestandteil“, weil ein Bestandteil ohnehin integriert ist.
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Nice.
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Sehr geehrter Herr Vochezer
Für mich sind die Augen die Visitenkarte eines Menschen – nicht die Schuhe.
freundliche Grüsse
Marc Meyer
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Dr. Marc Meyer suche ich seit vielen Jahren und wenn Sie der Autor von «Trade off vs Non Trade off sind» möchte ich Ihnen das Wall Street Journal zurück geben und ein Treffen wäre, sollen wir sagen «mega»?
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@Dr. Urs Seiler
Sehr geehrter Herr Seiler
Danke für die Kontaktaufnahme.
Ja es ist so: „Trade-off versus non-Trade-off“ war der Titel meiner Lizentiatsarbeit an der Universität Basel bei Prof. Bombach.
Das war der Anfang von all meinen wissenschaftlichen Arbeiten.
Ich hatte mal einen zweiseitigen Artikel darüber im Wall Street Journal vor Urzeiten – das war so eine Art Mutprobe im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen in den USA für Bush senior.
Sprechen Sie diesen an?
Leider mag ich mich nicht genau erinnern, wie wir uns kennen.
Bitte fragen Sie Herr Lukas Hässig an – er wird Ihnen meine Mail-Adresse gerne geben und wir können ein Treffen vereinbaren.
Freundliche Grüsse und bis bald
Marc Meyer
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Hallo Marc, wir kennen uns ja auch von damals an der Uni Basel, weisch na, hä ?
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@Thomas Burckhardt
Lange ist’s her.
Viele Grüsse
Marc
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Jedes Nachdenken über gutes oder schlechtes Benehmen zeugt von einem Stillstand der geistigen Entwicklung.
Oscar Wilde
* 16. Oktober 1854 † 30. November 1900
Jedes Nachdenken über gutes oder schlechtes Benehmen zeugt von einem Stillstand der geistigen Entwicklung. Oscar Wilde * 16. Oktober 1854…
Der Knigge Coach hat in jeder Beziehung recht. Würde Knigge auch für richtiges Deutsch gelten, hätte er die Umschreibung oben…
Style never goes out of Fashion - kein Zweifel. Und jedes Geschäftsessen ist immer ein Pitch. Das Recruitingbeispiel mit dem…