Für die stabilen Schweizer Politverhältnisse gehört es nicht zum Alltag, dass einer amtierenden Regierungsrätin ihre wichtigsten Amtsgeschäfte entzogen werden.
Wie eben im Kanton Waadt und seiner „Zuger“ Jung-Magistratin Valérie Dittli geschehen, nachdem bereits zwei Affären zu externen Untersuchungen mit zwiespältigen Ergebnissen geführt hatten.
Für die politische Zukunft der einstigen Hoffnungsträgerin der „Mitte“-Partei dürfte wohl gelten: Zwei „halbe Freisprüche“ sind einer zuviel.
Auch dass bei den Genfer Wahlen 2023 mit Pierre Maudet ein wegen Bestechungsdelikten vom Bundesgericht rechtskräftig verurteilter Straftäter auf die politische Bühne zurückgekehrt war, musste erstaunen.
Nachdem dieser nicht nur wegen seiner strafrechtlich verhängnisvollen Reise nach Abu Dhabi, sondern ebenso wegen seiner Rolle beim Schweizer Markteintritt von Uber und einer gegen Einschätzung der zuständigen Beamten verfügten Einbürgerung eines libanesisches Bankiers in Verruf geraten war, hatte er es – trotz einer geschlossenen bürgerlichen Allianz gegen ihn – nach einem populistisch geführten Wahlkampf geschafft, wieder in die Genfer Regierung einzuziehen.
Erstaunlich schnelle Meinungswechsel zu politischen Skandalen zeigten sich nicht nur bei dieser „Genevoiserie“, sondern auch bei zwei weiteren Fällen mit nationalen Bezügen.
So schnell wie die Rücktrittsforderungen erfolgten in den Affären um alt-Bundesrat Berset und die Waadtländer Staatsrätin Valérie Dittli die Gegenangriffe.
Mit dem diskursfeindlichen Totschlagargument der Wahlkampfpropaganda versuchten die jeweiligen politischen Lager ihre Protagonisten zu schützen.
Doch nicht nur wäre der Vorwurf tendenziöser Wahlkampfspielchen reziprozierbar, vor allem lenkt er – sei es aus naiver Ignoranz oder politischem Kalkül – von den eigentlichen Problemen ab.
Denn in allen drei Fällen bestehen diese nicht in der besonderen Schwere der im Raum stehenden Vorwürfe.
Die erotischen und aviatischen Gefahrenexpeditionen wie die allzu schnellen Leitungen in eine laute Blattredaktion wären für sich allein betrachtet ebenso wenig gravierend wie durch einen Zuger Steuerwohnsitz „gesparte“ 187.45 Steuerfranken, ein reglementswidriger ausserkantonaler Zivilwohnsitz einer Parteipräsidentin und ein vorschnelles Aufsetzen eines Doktorinnenhütchens.
Wobei die Vorwürfe in der zweiten „Dittli-Affäre“ durchaus schwerer wogen, soll sie gemäss dem von der Waadtländer Kantonsregierung in Auftrag gegebenen externen Untersuchungsbericht doch illegalerweise von einer Direktionschefin die Annullierung gültiger Steuerbescheide gefordert beziehungsweise im Zuge eines sich zuspitzenden Konflikts mit der Direktionschefin und weiteren Mitarbeitern deren Gesundheit gefährdet haben.
Entscheidend ist indes vielmehr zweierlei: Erstens die erstaunliche persönliche und zeitliche Häufung beziehungsweise Wiederholung der Vorfälle, welche klar gegen einmalige Versehen plädieren.
Zweitens und vor allem, wie die drei Magistratspersonen mit den Vorwürfen umgegangen sind: mit privatsphärewahrendem Schweigen oder rechtlichem Abstreiten, in keinem Fall mit entschuldigendem Eingestehen.
Die Problematik darin ist denn auch weniger konkreter denn prinzipieller Art.
„Dsï Gung fragte nach der rechten Art der Regierung. Der Meister sprach: Für genügende Nahrung, für genügende Wehrmacht und für das Vertrauen des Volkes zu seinem Herrscher sorgen.“
„Dsï Gung sprach: Wenn man aber keine Wahl hätte, als etwas davon aufzugeben: auf welches von den drei Dingen könnte man am ehesten verzichten?“
„Der Meister sprach: Auf die Wehrmacht. Dsï Gung sprach: Wenn man aber keine Wahl hätte, als auch davon eines aufzugeben: auf welches der beiden Dinge könnte man am ehesten verzichten?“
„Der Meister sprach: Auf die Nahrung. Von alters her müssen alle sterben; wenn aber das Volk keinen Glauben hat, so läßt sich keine Regierung aufrichten.“
Diese den weltliterarischen „Gesprächen des Konfuzius“ entnommene Weisheit erheischt auch nach über 2000 Jahren – und gar noch mehr – in einem demokratischen Rechtsstaat wie dem unseren ihre Geltung.
Dessen Repräsentanten haben eine Vorbildfunktion – und sich deshalb auch höheren Beurteilungskriterien als die sie wählenden Bürger zu stellen.
„Der Meister sprach: Wer sich selbst regiert, was sollte der für Schwierigkeiten haben, bei der Regierung tätig zu sein? Wer sich selbst nicht regieren kann, was geht den das Regieren von andern an?“
So besehen kann auch nicht entscheidend sein, dass Berset keine strafbare Amtsgeheimnisverletzung nachgewiesen beziehungsweise Dittli nach ihrer ersten Affäre vom Vorwurf einer gesetzwidrigen Steuerumgehung entlastet worden sind.
Das Beharren auf solchen Formalien mag für den Leumund des einfachen Bürgers das beste Recht sein; bei Magistratspersonen wird es zur inakzeptablen Sophisterei.
Politische Verantwortung darf sich nicht hinter strafrechtlichen Unschuldsvermutungen verbergen.
Und noch weniger darf das Polittheater zur clownesken Vertuschung und Überspielung begangener Straftaten mit Öffentlichkeitsbezug missbraucht werden.
Was Pierre Maudet in Genf aufführte, ist nicht mehr weit vom Gebaren eines Silvio Berlusconi oder Donald Trump.
Daraus wären nun drei Konsequenzen zu ziehen:
1. Für den Gesetzgeber: Es ist zu erwägen, die bei der StGB-Revision 2007 gestrichene Nebenstrafe der Amtsunfähigkeit (alt Art. 51), die in den meisten europäischen und westlichen Demokratien übrigens weiterhin besteht, wieder einzuführen.
Damit würde die Freiheit des Stimmbürgers weit weniger eingeschränkt als die Stabilität und Glaubwürdigkeit der staatlichen Institutionen geschützt.
2. Für die Hausparteien und Sympathisanten der in Verruf Geratenen: Dass parteipolitische Loyalität mithin zur Belastung werden kann; man denke an die bundesdeutschen „Fälle“ des CSU-Ministers Dr. von und zu Guttenberg, dessen Titel nur die Adelsprobe zu bestehen vermochten.
3. Für die Hauptfiguren der Magistratsaffären: Dass sie – bei entsprechender Einsicht – die persönliche Grösse haben, im Interesse der Glaubwürdigkeit der staatlichen Behörden, in welche sie sich haben wählen lassen, die angemessenen Konsequenzen zu ziehen.
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Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Der neuste Politbrüller, diesmal aus dem Thurgau:
Da will sich ein doppelt vorbestrafter Anwalt (Name und Partei bekannt) zum Richter küren lassen.
DAS nenn ich mal „Fronterfahrung“…Kommentar melden -
Selten einen so unstrukturierten, einfach nur dummen, nein eher vollidiotischen Artikel gelesen. Der Autor darf sich gefüglich schämen!
Und Inside Paradeplatz gleich mit!Kommentar melden -
Gerade erreicht uns die Nachricht, dass der eine von zwei Schaffhauser Standesvertretern dem Ständerat nicht mehr angehört.
Dieser Weggeschickte bekundete soeben, wieder antreten zu wollen.
Er vergisst, dass bei den Schaffhauser Wahlen nicht er aus Qualifikationsgründen gewählt wurde, sondern es das Ziel war, dass der Besitzer von Trybol, Thomas Minder («Abzocker-Initiative»), nicht wieder gewählt werde.
Zweifellos haben einflussreiche Männer in Schaffhausen die Redaktoren des Intelligenzblattes beflügeln können, Minder auf Schritt und Tritt zu folgen und ihn mit herabsetzenden Texten zu diskreditieren.
Doch hat Minder – lieber AZ-Verleger – mit seinen selber gewonnen Einsichten und Ansichten etwa nicht recht behalten? Aufgrund der Abzockerei ist die Credit Suisse zugrunde gegangen. Wenn der Zank mit der UBS so weitergeht, wird die Schweiz bald keine unabhängige Bank mehr haben.
Das müsste dem angeblichen SPler zu denken geben.
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Oh, wow, Gisela. Wenn Politiker ausschliesslich wegen ihrer Qualität gewählt würden. Aber wenn dies sogar passiert, wenn der Kandidat herbeigeschwatzt nicht mal im Kanton wohnt, ist das vielleicht genau der Grund für seine Wahl.
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Die Aufzählung der Fälle ist auf drei beschränkt.
Da IP im Kanton Zürich sitzt, geht es nicht an, das Handeln der eigenen vier Regierungsräte zu thematisieren, das längst den Glauben ans Funktionieren dieses eidgenössischen Standes unterminiert.
Denn in anderen Kantonen haben Medien, welche sich auf die Seite der Bürger stellten, das «Aus» bekommen. Der Bürger wird jetzt aus Blättern informiert, welche aus Steuergeldern finanziert werden.
Die vielgelobte Möglichkeit, Verwaltungs-Beschwerde zu führen – gegen Kostenvorschuss – oder verwaltungsrechtliche Anzeige zu erstatten, funktioniert nicht, weil in den Augen der Staatsverwaltung jeder selber schuld ist, der sich in seinem immer enger werdenden Korsett nicht wohl fühlt.
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Im Kt. VD sind schon andere hohe Politiker, allerdings Einheimische, wegen eigenartigem Gebaren aufgefallen. Da wäre eine ehemalige Bundesratskandidatin zu nennen, die nicht Bundesrätin wurde, dafür später NR-Präsidentin und noch immer NR ist. Und dann wäre ein ehemaliger VD-Staatsrat zu nennen, der es später zum Ständerat für den Kt. VD brachte. Beide wurden mit Vorwürfen konfrontiert, die wahrscheinlich schwerer wiegen als die nicht eingereichten Dr.-Arbeiten oder der nicht umgemeldete Wohnsitz von V. Dittli. Trotzdem: Keine Folgen. Über die Steueraktivitäten von V. Dittli kann ich mich als Externer nicht äussern.
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Vor lauter Bersets, Maudets und Dittlis (allesamt im Nuh wegbefördert und beliebig ersetzt) die Bilderberger dieser Welt nicht mehr sehen…
„Yes, A Small Cabal Of Elites Run The World Economy & Governments! w/ James Corbett“: https://www.youtube.com/watch?v=2W4HKi5Tpb0
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Wir brauchen dringend eine Verfassungsgerichtsbarkeit, eine parteiunabhängige Justiz sowie den Straftatsbestand der poltischen Widerrechtlichkeit (z.B. Notrecht).
Und nein, bin kein Trychler oder sonstiger Querulant…Kommentar melden-
Eine Verfassungsgerichtsbarkeit wird nie und nimmer funktionieren. Das beste Beispiel ist Frankreich mit dem „Conseil constitutionnel“, der politisiert ist und absolut keine objektive Entscheide fällt. Das letzte Wort muss immer das Volk haben.
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Politisiert ist halt immer dann, wenn man mit einem Entscheid nicht einverstanden ist.
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Die Konfliktsituation ist klassisch: Langjährige oberste Beamtenperson lässt die ihr übergeordente, neue Regierungsperson auflaufen, anstatt sie zu unterstützen. Honni soit quei mal y pense…
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Die VD-Regierung würde sich damit ins eigene Fleisch schneiden.
Wo Rauch ist, ist auch Feuer. Die Lappalie „steuerrechtlicher Wohnsitz“ wurde wohl feinziseliert vorbereitet.
Exekutive CH: Ä Güllägrueb à la US-Orang-Utan…Kommentar melden
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Die Zeiten ändern sich.
Mit Trump kam eine Person, welche – ohne Promistatus – schon längst lebenslänglich bekommen hätte, zum Präsidentenstatus. Auch in der Schweiz können sich Promis nahezu alles erlauben ohne dass sie belangt werden. Leute mit kriminellem Hintergrund haben geradezu Hochkonjunktur und sie sind viel erfolgreicher als liebe kleine Bünzli.
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Wieder einmal eine absolut zutreffende Analyse zur Arroganz von „Mächtigen“ in wohltuend perfektem Deutsch. Danke.
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Berset, Maudet, Dittli, alles Probleme aus der Westschweiz. Wie wäre es wenn Sie uns auch noch einige Eskapaden aus der Politik in der Deutschschweiz erklären würden. Oder gibt es die gar nicht?
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aus den Malediven?
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„Oder gibt es die gar nicht?“
NÖÖ, gibt es so wenig wie die SVP.Kommentar melden
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An das Schweizer Volk aus dem paradiesischen Brüssel.
Euer Alain
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mir gefällts im Represäntier Schpggijöbchen mit der super Vergütung in Brüssel.
Beste Restaurants, Kohle ohne Ende, Null Verantwortung, viel…attraktive, ihr wisst schon…zwinker-smiley…
Herzlich, Euer Tigrillo
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Berset und Verantwortung für sein unsägliches Verhalten übernehmen?
Niemals. Er wird immer weiter Schaden über die Schweiz bringen. Aus purem sozialistischem Machthunger und Egoismus.
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Vielleicht muss Berset doch ein wenig vorsichtig sein, hat doch seine ehemalige grosse Liebe, welche er in absolut unanständiger Weise fallen liess, vor kurzem eine politische Karriere begonnen. Das Karma schlägt zurück.
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und mit grossem Interesse bei der Sache, Schwarzwald lässt grüssen.
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und Grüssen an die das Blödvolk in Bananarepublika Schweiz, aus dem lockeren Schoggijob in Brüssel, wo ich als Belohnung für die Pharmalobbyhörigkeit, fürstlich belohnt werde.
Ich hab Milliarden versenkt und die idiotischsten Lockdowns verordnet und bestimmt, dass der Pseudo-Virus im Stehen schädlich, aber im Sitzen harmlos ist…und ihr Dödel habt’s mir abgenommen!
Ich lach mich hier schlapp über Euch. Euer Tigrillo-Schlapphut-Flug-As.
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Der Autor ist ein katholischer Interessenvertreter als „Unternehmensjurist“ geschmückt, der ins „Werk“ der Gesellschaft funkt. Glaubwürdig? Jus in Luzern halt.
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Die Einordnung stimmt. Die Ableitung zur Unglaubwürdigkeit erschliesst sich mir allerdings nicht…
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per se sind sie mit einem Zertifikat nicht ansteckend. Ich garantiere Ihnen…
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ist eine sog. Nullnummer. Welche Folgen sollte das für den Autoren haben?
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Bist wohl selbst die größte Nullnummer!
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Er ist katholisch-politisch. Da gibts Pünktli im social opus score in Rom für diesen Text.
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Menschen, die aus unterschiedlichen Ländern einwandern, bringen verschiedene Bildungshintergründe und intellektuelle Fähigkeiten mit.
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Dies erlaubt es ihnen sogar zu erkennen, dass dies ebenfalls auf Leute zutrifft, welche bei der Geburt zufälligerweise den gleichen Pass erhalten.
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Da fühlt sich aber einer mehr als nur angesprochen…
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Exakt, falls eine Ausländerin einen Schweizer heiratet erhält das gemeinsame Kind automatisch den Schweizer Pass.
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Tut mir leid, wenn Sie sich angesprochen fühlen.
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Wir wollen und brauchen keine Papierschweizer!
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Richtig erkannt. Im letzten Jahr stieg die Ausländerkriminalität um gut 30%! Heil Dir Helvetia!
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Beobachter, hör auf zu
. Bleib besser bei deinen Velowegen.
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Naja, deine intellektuellen Fähigkeiten können ja eher nicht gemeint sein.
Und, Urner, ich rede von Schwyzern, nicht Schweizern.
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Genetische Faktoren spielen eine Rolle bei der individuellen Intelligenz, aber auch Umweltfaktoren wie Ernährung, Zugang zu Bildung und sozioökonomische Bedingungen.Wenn diese Faktoren sich in einer Gesellschaft verschlechtern, könnte dies theoretisch negative Auswirkungen auf die durchschnittliche Intelligenz haben.
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darum haben wir ja jetzt die KI, sie hat zwar keine Gefühle aber es wird schon klappen.
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Die Gesellschaft prägt Individuen, umgekehrt ist wohl Schnittmenge und reine Arithmetik. Vielleicht habe ich Ihren Kommentar nur missverstanden, aber er zeigt mir arische Züge einer vergangenen Epoche…
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Da kann man nur eines feststellen, dummes und naives Stimmvolk!
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Berset und Verantwortung für sein unsägliches Verhalten übernehmen? Niemals. Er wird immer weiter Schaden über die Schweiz bringen. Aus purem…
Da kann man nur eines feststellen, dummes und naives Stimmvolk!
per se sind sie mit einem Zertifikat nicht ansteckend. Ich garantiere Ihnen...