Die seit längerer Zeit erste 10-Prozent-Korrektur vom Swiss Performance Index Anfang Oktober haben die meisten Anleger wohl kaum gross registriert. Denn vom 16. Oktober bis vor einer Woche stiegen die Aktienpreise wieder pausenlos. Start- und Zwischenschub für den Spurt gaben Zentralbanken, mit dem Versprechen, die Geldpresse weiter fleissig zu drehen und das Zinsniveau tief zu halten.
Die Dauer des stetigen Aktienmarktanstiegs, ohne auf Schlussbasis den Durchschnittswert der letzten fünf Tage nach unten zu durchbrechen, war einzigartig in der US-Börsengeschichte, zumindest wenn man den historischen Vergleich bis 1928 zurück verfolgt. Gemäss vielen Marktteilnehmern ist nun die typische Weihnachts-Rallye angesagt, welche vom saisonalen Januaraufschwung abgelöst werden soll.
Patrick Artus, Leiter der Wirtschaftsabteilung des französischen Finanzhauses Natixis, beschreibt das heutige, durch Zentralbanken geplante Wirtschaftsumfeld so: „Tiefe Renditen verleiten zur Jagd aufs Risiko. Man muss die Risiken ignorieren, um dabei zu sein.“ Weiter sagt er: „Wir vertreten die Meinung, dass sich in den OECD-Ländern Blasen von Vermögenswerten weiter ausbreiten werden.“
Seit mehreren Jahren laufen Wirtschaft und Finanzmärkte auseinander. Zahlreiche Länder weisen wenig Wirtschaftswachstum aus, dies mit Ausnahme der USA, wo die Wirtschaft wächst, wenn auch unterdurchschnittlich. Viele international tätige Grossfirmen generierten trotzdem erkleckliche Gewinne. Steueroptimierungen (speziell in den USA), Steuergutschriften bei Banken, Kostenreduktionen und Aktienrückkäufe waren primär dafür verantwortlich.
Trotzdem konnten im Lauf des Jahres 2014 die amerikanischen Nach-Steuer-Firmengewinne nicht weiter ausgebaut werden, ähnlich wie im 2007. Die Bewertung von US-Aktien – ob gemäss Kurs-/Gewinn-Verhältnis, Preis-/Buch-Ratio oder der Abweichung zu einem historischen Preis-Durchschnitt – ist entsprechend aufgebläht, und man muss einen Vergleich mit den markanten Markthochs von 1929, 1998 bis 2000 und 2007 nicht scheuen. Risiken werden, wie oben erwähnt, ausgeblendet.
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Viele Fondsmanager können mit dem heutigen Markt, ob in den USA oder anderswo, nicht weiter mithalten. Sind sie somit schlechte Verwalter, wie es Kritiker immer wieder gern herausstreichen? In einem Gerichtsentscheid von 1830 (Harvard College gegen Amory, Massachusetts) wurde die Aufgabe eines Treuhänders wie folgt beschrieben:
„Alles, was von einem Treuhänder zum Investieren gefordert wird, ist, dass er es gewissenhaft durchführt und eine solide Wahl trifft. Er soll sich so benehmen wie Männer, die ihre eigenen Angelegenheiten mit Besonnenheit, Diskretion und Intelligenz vornehmen, nicht in Bezug auf Spekulationen, sondern in Bezug auf die permanente Ordnung ihrer Mittel, unter Berücksichtigung der zu erwartenden Erträge sowie der wahrscheinlichen Sicherheit des Kapitals.“
Wenn nun ein Vermögensverwalter gewissenhaft untersucht, ob das Geschäftsmodell einer Firma solid ist, jedoch der Markt von Titeln getrieben wird, die ein wenig abschätzbares Geschäftsmodell betreiben, sollte er – um mit dem Markt mithalten zu können – seinen gewissenhaften Analyseprozess über den Haufen werfen? Wenn, wie zum Beispiel in der Schweiz, ein Aktienindex von nur drei Titeln (Nestlé, Roche und Novartis = 60% des SMI) beherrscht wird, sollte ein Verwalter dann eine gesunde Portfolio-Diversifikation zu Gunsten einer hochkonzentrierten Anlagestrategie opfern? Täte er es, würde er seine treuhänderische Pflicht vernachlässigen?
Für zwei Jahre trieben Anleger Technologieaktien in eine Blase, die im Jahr 2001 platzte, dito für Immobilienwerte im 2007. Beide Blasen wurden durch einen 50%-Aktienmarktfall korrigiert. Seit 2012 werden die Pharma-, Biotechnologie-, Internet-, und – bis vor kurzem – Schieferöl-/Gas-Aktien nach oben gejagt; dieses Mal auf Grund einer Blase am Zinsmarkt, welcher, dank einem Zentralbanken-Experiment, auf historisch allertiefstem Renditeniveau verharrt.
Sollte das Zinsniveau, gemäss unterdessen scheinbar gegenstandsloser historischer Usanz, bei einer sich stetig verschlechternden Bilanz nicht steigen? Was trieb US-Banken in den verflossenen 12 Monaten dazu, ihre Staatspapieranlagen um 185,8 Milliarden auf 345,5 Milliarden Dollar praktisch zu verdoppeln, wenn nicht das unselige Experiment? Und was ist der allgemeine Nutzen davon, wenn offensichtlich das Wirtschaftswachstum nichtsdestotrotz nicht richtig anspringt?
Zwingt diese – gemäss unserer Ansicht künstliche – Konstellation, einen Fonds- oder Vermögensverwalter dazu, seinen gewissenhaften Analyseansatz aufzugeben und mit der Geldschwemme mitzuschwimmen, oder ist die Sicherheit eines Vermögens – in der heutigen verschlungenen Situation – von primärer Natur?
Ein Anleger muss sich dieser Wahl ehrlich stellen, sowohl, wenn er selber investiert, als auch, wenn er die Aufgabe einem Fonds- oder Vermögensverwalter anvertraut. Die Investmentlegende Ben Graham schrieb im 20. Jahrhundert Folgendes: „Eine Investition ist eine, die, nach gründlicher Analyse, Sicherheit des eingesetzten Kapitals und eine angemessene Vergütung verspricht. Operationen welche diesen Anforderungen nicht entsprechen, sind spekulativ.“
Kein Wort von relativer Performance, sondern einzig der Fokus auf zwei absolute Ziele: Erhaltung und Ertrag.
Könnte am Schweizer Finanzplatz, in dieser Nische der absoluten Bewertung, ein langfristiger Mehrwert für Kunden und den Finanzplatz geschaffen werden?
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