Die Finma funktioniert nach ihrer eigenen Logik. Man würde meinen, sie sei dem öffentlichen Recht unterstellt, in Tat und Wahrheit aber wird sie nach dem Modell einer Privatgesellschaft geführt; eigentlich sollte sie sich dem Willen der Parlamentarier beugen, in Wirklichkeit ist sie es, die die Gesetze macht.
Das macht die Finma zum Musterbeispiel für die Privatisierung der öffentlichen Hand … und ihrer Auswüchse.
Zum besseren Verständnis hilft ein Blick zurück ins Jahr 1997. Ein Gesetz mit dem Namen RVOG (Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz) hat dem Bundesrat in Bezug auf die Organisation der Bundesverwaltung freie Hand gegeben. Dort steht:
„Der Bundesrat bestimmt die zweckmässige Organisation der Bundesverwaltung und passt sie den Verhältnissen an. Er kann dabei von Organisationsbestimmungen anderer Bundesgesetze abweichen; ausgenommen sind die Fälle, in denen die Bundesversammlung die Organisationskompetenz des Bundesrates ausdrücklich einschränkt.“
In der Folge wurde eine erklärende Verordnung über die Restrukturierung (RVOV) herausgegeben. Darin ist die Gliederung der Bundesverwaltung in zwei Teile respektive in eine zentrale und eine dezentrale Verwaltung vorgesehen.
In der dezentralen Verwaltung gibt es rechtlich nicht autonome Einheiten wie die Eidgenössische Finanzkontrolle, eine Art internes Inspektorat des Bundes. Und es gibt die rechtlich autonomen Einheiten, dazu gehört die Finma.
Zur Finanzaufsicht hält der Bundesrat fest: „Die Führungsstruktur der Finma lehnt sich (damit) an das System der privaten Aktiengesellschaft an. Der Verwaltungsrat ist das strategische Organ. (…) Der Geschäftsleitung obliegt die operative Führung der Finma. Sie erlässt grundsätzlich die Verfügungen.“
Hier wird ganz offiziell deklariert, dass die Rolle der Parlamentarier von einem Teil der Gesetzgebung dieses Landes beschnitten wird, um einem Verwaltungsrat aus Privatpersonen den Weg frei zu machen.
Die Finanzaufsicht nutzt ihren Freiraum. Auf ihrer Website hält sie fest: „Als unabhängige Behörde über den schweizerischen Finanzmarkt hat die Finma hoheitliche Befugnisse über Banken, Versicherungen, Börsen, Effektenhändler, kollektive Kapitalanlagen, deren Vermögensverwalter und Fondsleitungen sowie Vertriebsträger und Versicherungsvermittler“.
Damit hat die Behörde in allen Sektoren des schweizerischen Finanzmarktes hoheitliche Befugnisse. Die Bezeichnung „Unabhängigkeit“ in Verbindung mit dem Begriff „hoheitliche Befugnisse“ ist problematisch.
Bei der Finma verschärft sich das Problem, weil sie nicht nur eine dezentrale Behörde mit vielen Freiheiten ist, sondern darüber hinaus auch Gesetze erlässt, Bussen ausspricht und Gesellschaften liquidiert.
Zum organisatorischen Aspekt und zur Machtkumulation gesellt sich darüber hinaus der finanzielle Aspekt. Denn die Finma verwaltet riesige Konkursmassen, deren Daten offensichtlich nicht veröffentlicht werden.
Bei näherer Betrachtung kommt eine weitere Überraschung zum Vorschein, die bisher kaum thematisiert worden ist. Es geht um zwei Seiten auf der Website der Finma. Sie umfassen eine „Warnliste“, die in der französischen Web-Version „schwarze Liste“ („une liste noire„)genannt wird.
Der Text dazu ist für einen Rechtsstaat jenseits der Vorstellungskraft, wird aber auf der Finma-Website Realität. „Die Finma führt und veröffentlicht eine Warnliste – mit Unternehmen, die möglicherweise ohne Bewilligung eine Tätigkeit ausüben, die bewilligungspflichtig ist und unter die Aufsicht der Finma fällt.“
Was es bedeutet, auf der schwarzen Liste der Finma zu landen, wird sodann ausgeführt. „Bei den Unternehmen, die auf dieser Liste stehen, hat die Finma Untersuchungen wegen unerlaubter Tätigkeit eingeleitet, konnte den Verdacht jedoch nicht weiter abklären, da die Unternehmen ihrer Auskunftspflicht gegenüber der Finma nicht nachgekommen sind.“
Weiter: „Ein Eintrag auf der Warnliste bedeutet nicht zwangsläufig, dass die vom aufgeführten Unternehmen ausgeübte Aktivität illegal ist. Indem die Finma entsprechende Unternehmen in der Warnliste aufführt, weist sie aber darauf hin, dass diese über keine Bewilligung verfügen.“
Schliesslich: „Betroffene Unternehmen werden von der Liste gestrichen, sobald die Finma die notwendigen Abklärungen und allfälligen Anpassungen vornehmen konnte.“
[simple-google-ads-ad-tag id=“ip_content_middle“]
Es gibt also eine Warnliste, die auf der Basis von „Vermutungen“ und nicht aufgrund von nachgewiesenen Verstössen erstellt wird. Die Finma publiziert auf ihrer Liste zur Zeit 452 Unternehmen auf einer rein hypothetischen Grundlage, inklusive Namen und Adressen.
Firmen, die auf dieser Liste stehen, werden im Hinblick auf ihre Chancen im Markt bestraft. Einige sind bereits seit 2009 fichiert. In sechs Jahren ist es der Finma offensichtlich nicht gelungen, diesen Unternehmen eine Schuld nachzuweisen.
Wie kann es sein, dass eine Polizei, die als einzige Behörde „Eintrittskarten zum Finanzmarkt“ vergibt und über extrem teures Informatikmaterial verfügt, nicht weiss, ob ein Unternehmen konform ist oder nicht? Ist das glaubwürdig?
Fragwürdig ist auch die „Veröffentlichung von Endverfügungen unter Namensnennung“, die allein im Ermessen der Behörde liegt. Dazu steht: „Die Finma kann ihre Endverfügungen nach Eintritt der Rechtskraft unter Nennung der betroffenen Personen veröffentlichen.“
Sie kann, muss aber nicht. Dunkelkammer Finma. Da stellt sich die Frage der Willkür. Und auch der in der Verfassung festgehaltene „Schutz der Privatsphäre“ ist gefährdet.
Viele Schweizer und Schweizerinnen würden nur zu gerne Namen, Heimatort, Alter und Adresse der Schuldigen im Libor-Skandal wissen. Dass es Schuldige gibt, steht fest, denn die Finma hat die UBS bekanntlich zu einer Busse verurteilt. Wurde jemand persönlich bestraft? Da schweigt die Finma. Umgekehrt führt sie eine namentliche Prangerliste. Warum?
Die Finma handelt nach einer eigenen Logik, welche die Bürgerrechte strapaziert. Im Februar 2009 hatte die Behörde dem US-Justizministerium am geltenden Bankgeheimnis vorbei die Namen von 255 Amerikanern offengelegt und damit den Betroffenen die rechtliche Möglichkeit genommen, vor Gericht Einspruch zu erheben.
Am Ende bleibt die Frage im Raum: Handelt es sich hier um eine willkürliche Nutzung der öffentlichen Gewalt, die einem Missbrauch der Macht entspricht?
Kommentare
Kommentieren
Die beliebtesten Kommentare
-
Die FINMA ist genauso wenig kriminell wie die Schweiz als ein korruptes Land gelten kann. Immerhin müssen wir sie, dank der ebenso vom Parlament unabhängigen SNB unter Zauberer Thomas Jordan, als das derzeit höchst verschuldete Land in Europa sehen. Das ist das Problem der Privatisierung der öffentlichen Hand, nicht eine von Bürgern wohl wenig beachtete Warnliste, die in der französischen Version der FINMA-Website liste noire heisst – aber Anleger, Gläubiger und Versicherte auf mögliche Gefahren auf dem Finanzmarkt aufmerksam machen soll. Und die Rolle der Parlamentarier bleibt solange nichtig oder gar in die falsche Richtung agierend, als das Parlament effektiv nicht wahrnimmt bzw. nicht begreift, was vor seiner Nase – dank Bundesbehörden mit Freiraum – effektiv zum Schaden der Steuerzahler geschieht.
-
Die FINMA ist genauso mutmasslich kriminell wie die Betrüger, die sie aus dem Verkehr ziehen sollte. Sie operiert in einem rechtlichen Graubereich und ändert die Spielregeln nach eigenem Gusto, täuscht die Öffentlichkeit und lenkt von ihren internen Problemen ab.
-
Immerhin braucht es mehr als blosse Vermutung, um auf der schwarzen Liste zu landen: Es muss auch die Kooperation fehlen, damit die FINMA ihre Vermutungen überhaupt abklären kann!
-
@Liliane Held-Khawam
Ihre Gedankengänge sind einmal mehr inhaltlich schwer nachvollziehbar und kommen unstrukturiert daher. Leider implizit auch Ihre Recherche. Dies nicht nur in diesem Artikel.
Sie schreiben:
„Am Ende bleibt die Frage im Raum: Handelt es sich hier um eine willkürliche Nutzung der öffentlichen Gewalt, die einem Missbrauch der Macht entspricht?“Impliziert diese Frage Ihre zentrale Botschaft? – Wenn ja, dann sollten Sie die „willkürliche Nutzung“ und den „Missbrauch der Macht“ weiter konkretisieren. Sonst entpuppt sich Ihre ganze Schreibe als billiges FINMA-Bashing, was gewiss nicht Ihrer Absicht entspricht.
-
Lieber Herr Bankkunde
Also ich kann sagen, dass ich den Beitrag von Frau Held nicht sehr schwierig fand und auch einigermassen verstanden habe. Vielleicht war für Sie verwirrend, dass Frau Held nach der Einleitung zuerst den Sachverhalt darstellte, der allerdings zweistufig ist, und dann zum Ergebnis kam und nicht umgekehrt?
In meiner Branche macht man das immer so.
-
-
Na ja, auf der Finma-Warnliste sind tatsächlich hunderte von Dummschwätzern und Schadensstiftern aufgeführt. Ausnahmen bestätigen die Regel.
-
Die FINMA ist genauso mutmasslich kriminell wie die Betrüger, die sie aus dem Verkehr ziehen sollte. Sie operiert in einem…
Lieber Herr Bankkunde Also ich kann sagen, dass ich den Beitrag von Frau Held nicht sehr schwierig fand und auch…
Na ja, auf der Finma-Warnliste sind tatsächlich hunderte von Dummschwätzern und Schadensstiftern aufgeführt. Ausnahmen bestätigen die Regel.