Im Herbst verschickte die Postfinance 77’000 Briefe. Adressat waren die deutschen Offshore-Kunden der neuen gelben Finanzmacht.
Diese mussten sich ultimativ zwischen Offenlegung und Konto-Auflösung entscheiden.
Hintergrund war der bevorstehende Steuerdeal mit Deutschland. Die geplante Abgeltungssteuer zwang alle Schweizer Banken, ihre Kunden im Nachbarland vor die Wahl zu stellen, sich den Behörden zu stellen oder eine Abgeltung zu leisten.
Die meisten Finanzhäuser standen damals Gewehr bei Fuss. Sie warteten ab, bis die Abgeltung mit Deutschland definitiv würde.
Daraus wurde bekanntlich nichts, Berlin warf das Geschäft im Dezember auf den Müllhaufen der Geschichte.
Für die helvetischen Banken hatte sich der Fall vorerst erledigt.
Nicht so für die vorschnelle Postfinance. Diese musste ihren Kunden die Peinlichkeit gestehen.
Die 77’000 Antworten der Deutschen, welche in grosser Eile per 31. Oktober des letzten Jahres in Bern einzugehen hatten, hatten ihre Bedeutung über Nacht verloren.
„Wir haben etwa 77’000 deutsche Kunden angeschrieben“, bestätigt Marc Andrey von der Postfinance. „Da PostFinance für die Zukunftsbesteuerung keine anonyme Abgeltung anbieten wollte, mussten wir die Briefe so früh verschicken, um am 1. Januar 2013 bereit zu sein. Das war nun halt überflüssig.“
Die zugestellten Dokumente der Kunden mit deren Anweisung, ob gekündigt oder offengelegt werden soll, kann die Postfinance in den Schredder werfen.
„Die Rechtsgrundlage für eine Abgeltung ist nicht vorhanden, also werden die Antwortschreiben der Kunden nicht verwendet“, bestätigt der Postfinance-Mann.
Ob die Aktion die deutsche Kundschaft verärgert hat und sogar Geldabflüsse auslöste, ist nicht bekannt.
Klar ist hingegen: Der Marketingflop kostete Geld – und Image.
Das Porto für das Schreiben hin zum Kunden in Deutschland und von diesem zurück in die Schweiz betrug für die ursprüngliche Aktion wohl rund 200’000 Franken, zudem brauchte es eine weitere Kommunikation nach dem Abgeltungs-Aus und dem Abbruch der Aktion.
Hinzu kommt die ganze Vorbereitung mit juristischer Abklärung, die ebenfalls Kosten auslöste.
Insgesamt dürfte von 500’000 bis eine Million ausgegangen werden.
Soweit, so schlecht. Schlimmer ist der ramponierte Ruf. Für den Spott braucht der neue Bankriese nun nicht mehr zu sorgen.
Man habe für den Fall des Zustandekommens des Abkommens per 1. Januar 2013 bereit sein müssen, begründet die Postfinance ihre verunglückte Aktion im Rückblick.
Die Postfinance hätte im Unterschied zu den meisten Banken die Abgeltung nicht im Angebot gehabt, sondern einzig die Offenlegung, oder dann eben die Auflösung der Bankbeziehung.
Die übrigen Banken, die ihren deutschen Kunden auch die Abgeltung und damit Wahrung der Anonymität offeriert hätten, wären im Vergleich zur Postfinance „weniger unter Zugzwang“ gestanden.
Der Flop wird zu einem ungünstigen Zeitpunkt bekannt. Die Postfinance hat im Dezember von der Finma die Bankbewilligung erhalten.
Neu ist die gelbe Macht weitgehend den Banken gleichgestellt. Sie wird damit zu einer staatlich kontrollierten und garantierten Konkurrentin der privaten Finanzhäuser.
Während viele Privatinstitute seit Ausbruch der Krise um Erträge und Zukunft bangen, schaltet die Postfinance in den Vorwärtsgang.
Ihr Gewinn schoss von 235 Millionen im 2008 auf 591 Millionen im 2011 hoch. Das entspricht mehr als einer Verdoppelung.
Noch eindrücklicher ist die Entwicklung der Kundenvermögen, die bei der Postfinance deponiert sind.
Diese lagen 2006 bei gut 40 Milliarden. 2011 betrugen sie über 92 Milliarden. Plus 130 Prozent.
Selbst eine Zürcher Kantonalbank, die beim Neugeldzufluss von der Grossbankenkrise auf dem Platz Zürich besonders profitierte, kann kein vergleichbares Wachstum ausweisen.
Vom Krisenjahr 2008 bis Ende 2012 stiegen die ZKB-Kundenvermögen um gut 40 Prozent.
Die Kundenkonten der Postfinance sind in den letzten Jahrzehnten explodiert. Mehr als jeder zweite Einwohner des Landes hat ein Konto bei der Staatsbank.
Das macht die Postfinance zum führenden Retailinstitut des Landes. „Immer öfter ist (die Postfinance) für ihre Kundinnen und Kunden die erste Wahl für sämtliche Geldangelegenheiten – deshalb ist in den letzten Jahren auch die Anzahl Kundenkonten gestiegen“, macht die neue Bank Werbung auf ihrer Homepage.
Weil Schwarzgeld wegfällt, wird der Inlandmarkt für alle Banken zum umstrittenen Schlachtfeld. Mit der Banklizenz für die Postfinance verschärft sich der Wettbewerb mit einem staatlichen Powerplayer.
Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Was ist mit unserer Finanzindustrie los? Die gleiche Frage erlaube ich mir gewissen Parteien bzw. Exponenten zu stellen.
Was wollen diese mit einem automatischen Inforationsaustausch erreichen (mal abgesehen von erweiterten geschäftlichen Zugängen, u.a. in Deutschland)?
Ein solcher Austausch ist nicht mal gem. OECD Richtlinien Standart. Doch sollen unsere „hellen Köpfe“ vorpreschen, lachende Staaten sind u.a. GB, Singapore, gewisse Staaten der USA.
Es ist nicht mehr nachvollziehbar was in der Schweiz abgeht. Es ist inzwischen seit längerem eine Tatsache, dass auch die Schweiz Stürmen ausgesetzt ist. Zu derem Ueberstehen ist Rückgrat gefordert. Doch es scheint, dass dieses nicht mehr vorhanden ist. -
@Clude: Vielleicht haben Sie den Artikel nicht richtig verstanden: Banken, die die Abgeltungssteuer für die Zukunft nicht anbieten, mussten vor Jahresende 2012 die betroffenen Kunden anschreiben. Da die von ihnen erwähnten „anderen“ Banken die Abgeltunssteuer angeboten hätten, hatten sie auch keinen Informationspflicht bis Ende Dezember. Kleiner Tip: 1. Lesen 2. Denken 3. Schreiben – das wäre die richtige Reihenfolge.
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@blackthorne: Die Nachversteuerung durch Einmalzahlung wird per per 31.05.2013 belastet. Bis relativ kurz vor diesem Zeitpunkt haben die Kunden die Möglicheit die Erklärung zur freiwilligen Meldung abzugeben, auch bei der Postfinance.
–> Darum bedenke: Postfinance hätte die Briefe auch noch ende November verschicken können, nach der Abstimmung der Deutschen!
Gelesen, nachgedacht, geschrieben 🙂
Tipp: Fachliteratur: http://www.swissbanking.org/home/dossiers-link/issues/steuerabkommen.htm
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Was für ein durchdachter und fundierter Beitrag. Banken, die die Abgeltungssteuer für die Zukunft nicht anbieten, mussten vor Jahresende 2012 die betroffenen Kunden anschreiben. Dass die Abgesltungssteuer mit Deutschland dahinfällt, wurde erst Mitte Dezember 2012 klar. Zeitlich wäre eine andere Planung nicht möglich gewesen.
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Ich finde es ein Skandal, dass bei der Postfinance Kundenkonti explodieren können. Das ist ja lebensgefährlich…
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….wieso soll die Postfinance überhaupt Offshore- Kunden betreuen? Macht doch betriebswirtschaftlich mehr Sinn, wenn diese Kunden zu spezialisierten Banken oder IAMs wechseln. Das würde bedeuten, dass durch anfällige Kostenanpassungen die Postfinance ein Schweiz- gerechtes Kunden-Offering anbieten könnte.
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Ihre Feststellung ist erschreckend einfach und offensichtlich. Postfinance und Kantonalbanken sollten nur Schweizer Kundschaft haben dürfen. Die Realität sieht anders aus: Kundschaft aus Russland, Kolumbien, UAE, und dies ohne jegliche cross-border Kompetenz für diese Märkte aufzuweisen. Holy cow! sagt sich da der Schweizer. Wenn man aber für ein paar Jahre Deutsche oder irgendwelche Manager zur Gewinnmaximierung ans Steuer setzt, dann ist dies die logische Konsequenz (und die Manager mit ihren Boni bereits lange über alle Berge). Viel Spass beim Aufräumen!
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was für eine posse. das kann ja lustig werden mit der banklizenz. noch bevor die EU weiss was sie eigentlich will, eilen die postfinance bücklinge willig den EU oberen zuvor. während in angestammten EU mitgliedsländern neue EU richtlinien meist auf die lange bank geschoben werden, scheint man in bundesbern vor lauter langeweile auf jeden EU paragrafen zum eiligen vollzug zu warten.
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Denken in Varianten nennt sich das und mach in der Betriebswirtschaft durchaus Sinn.
Was haben die Banken wohl in IT-Vorleistungen investiert?
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@Schlaumeier: Ihr Kommentar zeigt, dass Sie diesen Bericht wohl nicht richtig verstanden haben. Alle Banken mussten ebenfalls bereit sein, wie die Postfinance –> die Banken waren einfach ein wenig klüger und haben die Briefe nicht verschickt, bevor das Abkommen unterzeichnet war.
Und da sich ein Nein aus Deutschland bereits Monate vorher abgezeichnet hat, umso peinlicher für Postfinance!!!
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@Clude: Ihr Kommentar zeigt, dass SIE und der Journalist die Vorgehensweise von Postfinance nicht richtig verstanden haben. Da sich ein Nein aus Deutschland bereits Monate vorher abgezeichnet hat, aber nie zu 100% sicher war, dass das Nein kommt, hat PostFinance nicht Gelder verschwendet für teure IT zur Berechnung der Abgeltungssteuer, sondern den Kunden mitgeteilt, dass für die Zukunft bei Postfinance nur die Offenlegung möglich ist. Dafür musste Postfinance die Kunden rechtzeitig informieren. Mich näme Wunder was die anderen Banken für die nutzlose IT verschwendet haben, das wäre interessant.
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Ich würde sehr gerne bei der PostFinance ein Investment Banking aufbauen: Es müssen ja 92 Mrd CHF in kürzester Zeit in den Sand gesetzt werden 🙂
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Ja und weiter ???
Wer versucht vorausschauend zu denken, kann auch mal daneben liegen. Entscheiden ist schwieriger als im nachinein über vorliegende Ergebnisse zu befinden …-
Das ist eine alte „Binsenweisheit“ das man am ende klüger ist. Also wir in der CS machen auch viel für den Müll, aber das ist der Preis, denn wir wollen/müssen first mover sein, zumindest nach unserm Management.
Mit nur ganz wenig gesundem Menschenverstand wissen wir eigentlich schon anfangs was umgesetzt wird und was im Müll landet. Ja mir denken und müssen die Anweisungen einfach befolgen. Unser Management gibt Anweisungen und denkt später darüber nach. Das ist unsere Top Strategie. Darum kriegen unsere Bosse solche grosse Boni. So jetzt habe ich zwei geheimnisse gelüftet und wünsche allen einen schönen Tag -
@Beat: Auch für dich lieber Beat: Vorausschauend arbeiten ist gut, die Postfinance hat mit diesem Versand genau das Gegenteil bewiesen. Vielleicht hast du im letzten Jahr die verschiedenen Presseartikel gelesen? Ein Nein hat sich bereits Monat vorher abgezeichnet. Wie die Postfinance mussten alle Banken in der Schweiz ebenfalls bereit sind – mit Voraussicht haben diese die Briefe jedoch zurückgehalten.
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Es ist wohl nicht sehr schwierig als Staatsinstitut, mit subventionierter Staatsgarantie, zugehaltenen Eigenmitteln und überhöhten Sparzinsen, welche absolut am Markt vorbei gehen – Volumen zu generieren. Die Frage ist, wie es zukünftig weiter geht.
–> Beratungsintensive Geschäfte sind bei der „Postbank“ wohl am falschen Ort, da habe ich in der Vergangenheit schon meine Erfahrungen gemacht. Und Zahlungsverkehr kann ich bei jeder Bank bekommen, dafür brauche ich nicht nochmals einen Staatsriesen, der vom Bund einen längeren Spiess bekommt… wir haben schon genügend Kantonalbanken, welche von den fast kostenlosen Staatsgarantien profitieren.
Der Krug geht zum Brunnen bis er bricht…
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Meines Wissens sind die meisten Banken auf dem CH-Finanzplatz genau gleich vorgegangen, man musste ja gewappnet sein gegenüber der Kavallerie…würde hier nicht von einem Flop sprechen.
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@Warren: Zu guter Letzt –> selbstverständlich mussten alle Banken bereit sein, aber diese haben die Briefe noch nicht an die Kunden verschickt, bevor das Abkommen unterschrieben war!! Arbeiten hier alle bei Postfinance, dass sie den Artikel nicht verstehen? 🙂
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@ Clude
Dies ist so nicht korrekt. Kenne verschiedene Bankinstitute die die Briefe auch bereits schon versandt hatten. Bei einer Annahme des Abkommens zum spätest möglichen Termin (Mitte Dez. 12) wäre es ansonsten zu eng geworden, um den Kunden noch Alternativen zu lassen bzw. die entsprechenden Form. zu erledigen. PS: Bin kein Postfinancler und werde auch nie einer werden 🙂
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@Warren: bei diesen Briefen handelte es sich um die Abkommen mit UK und AT, aber käumlich DE! Bitte nochmals informieren oder Namen nennen… der Zeithorizont war nicht zu knapp, die Kunden aus DE hätten ja nicht bis 31.12.12 antworten müssen.
Stellen Sie sich vor, alle Kunden, die das Konto vor diesem Datum gelöscht haben sind NICHT betroffen.
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@Clude: Warren hat definitiv recht: es gibt Banken, die an Ihre deutsche Kundschaft Briefe versandt hat – meine zum Beispiel!
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@ en Tüdsche: Diesen Namen würde ich ja gerne wissen! TKB, SGKB, ZKB, UBS, CS, Raiffeisen, Migrosbank, Regionalbanken waren es auf jeden Fall nicht…
Dann müsste es ein unbedeutender Mitspieler sein –> nicht wie die Postfinance.
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Meines Wissens sind die meisten Banken auf dem CH-Finanzplatz genau gleich vorgegangen, man musste ja gewappnet sein gegenüber der Kavallerie...würde…
Es ist wohl nicht sehr schwierig als Staatsinstitut, mit subventionierter Staatsgarantie, zugehaltenen Eigenmitteln und überhöhten Sparzinsen, welche absolut am Markt…
Ja und weiter ??? Wer versucht vorausschauend zu denken, kann auch mal daneben liegen. Entscheiden ist schwieriger als im nachinein…