Ob die Six-Börsengruppe in der City bleibt, ist stellenmässig unerheblich. Umso mehr Symbolkraft hat ein Umzug vom Zürcher Selnau ins Westend beim früheren Hardturm-Stadium.
Die Handelszeitung bringt einen Trend in die Schlagzeilen, der Zürichs Banker trifft. Wo sitzen sie, wie sieht ihr Büro aus? Am Ende der Bonus-Bonanza gewinnen soziale Bedürfnisse an Gewicht.
Der Fall ist nicht schwarz-weiss, eine eindeutige Absatzbewegung aus der City an den Stadtrand gibt es nicht. Die Grossbanken und Julius Bär verlegten ihre Backoffice-Funktionen vor Urzeiten in die „Provinz“: zum Flughafen, nach Altstetten oder ins Albisgüetli. Dank dem boomenden Shopping-Paradies Sihlcity hat Letzteres schon fast City-Status erreicht.
Auch gibt es die umgekehrte Bewegung: von der Agglo zurück in die Innenstadt. Deloitte war etwas abseits in Oerlikon, belegt nun aber vis-à-vis der Swiss Life ein klassizistisches Vorzeigehaus am See. Auch McKinsey soll sich laut einem Zürcher Immobilienberater nach City-Raum umsehen, nachdem sich die Berater vor Jahren am Airport niedergelassen hatten.
Was unbestritten ist: Wer Geld und Ambitionen hat, sieht im „booming“ Westend Chancen zur Profilierung und kann durch attraktive Arbeitsplätze gute Leute anziehen. Mit ein bisschen Photoshop wird zudem unmittelbare Nähe zum Zürichsee simuliert.
Die Deutsche Bank machts vor. Am Sonntag, dem Tag vor dem Start im Westend-Wahrzeichen Primetower, warben die Deutschen grossflächig in der NZZ am Sonntag. Links im Bild stehen drei adrett gekleidete Menschen – blonde Fau im Deux-pièce, zwei junge Männer im Gigolo- und Business-Look – in luftiger Höhe vor einem gigantischen Fenster mit freier Sicht auf den Zürichsee. Dieser scheint vor der Haustür zu liegen.
Der Effekt führt dazu, dass Zürich eine Insel kriegt: rechts vom schwarz gekleideten Geschäftsmann mit Aktentasche, grün bewaldet und mit Booten im See. So stark der Rest an die Limmatstadt und ihr unteres Seebecken erinnert – diese Insel hat noch niemand gesehen.
Sie sei aber nicht erfunden, wehrt sich die Marketingfrau der Deutschen Bank Schweiz. Auf Anhieb könne sie nicht sagen, was das für eine Insel sei. Sicher aber sei, dass das Bild unverändert geblieben sei und man lediglich die Szenerie ein wenig „herangezoomt“ hätte.
Das Original bringt die Lösung. Von den obersten Etagen des Primetowers aus lugt über dem Zürichhorn ein Stück Seerand hervor. (Für den Effekt muss man sehr stark zoomen.) Damit hat die Deutsche Bank, die den Platzhirschen des Finanzplatzes den Kampf ansagt, Zürich eine bisher unbekannte Insel beschert.
Der Umzug gibt auch sonst zu reden. Im neuen Vorzeigebau belegen die Deutschen 5 Stockwerke mit insgesamt 5000 Quadratmetern. Der Ort ist besser erschlossen als mancher um den Paradeplatz.
Der Primetower ragt über dem Bahnhof Hardbrücke in die Höhe, wo täglich 90’000 Benützer verkehren und die S-Bahn-Haltestelle zur Nummer 7 der Schweiz macht.
Viel günstiger als die Bahnhofstrasse ist der Primetower nicht. Laut einem Immobilienfachmann zahlt die DB, wenn man die teuren Extras berücksichtigt, geschätzte 800 Franken im Jahr pro Quadratmeter, macht 4 Millionen Franken jährlich.
Würden rund 400 der total 1’000 Deutsche-Bank-Mitarbeiter dort arbeiten, ergäbe dies eine Jahresmiete von 10’000 Franken pro Arbeitsplatz. 800 Franken pro Monat und Desk, und das noch ohne Nebenkosten, ist ein stolzer Preis.
Damit kann die City fast mithalten. Der Jahres-Quadratmeter ist seit Ausbruch der grossen Finanzkrise 2008 von deutlich über 1’000 Franken auf Primetower-Niveau gesunken.
Wichtiger ist der Platz. Heute sei es für eine Bank oder eine grosse Beratungsfirma möglich, mitten in der City, etwa bei der Sihlporte oder beim Kaufleuten, 2’000 Quadratmeter zu mieten, sagt der Immobilienexperte. Das habe es früher nicht gegeben.
Davon hätte die Zürcher Kantonalbank profitieren können. Doch die Staatsbank, die soeben offiziell von den US-Strafbehörden zur Kooperation aufgefordert worden ist, hat sich für eine Luxus-Sanierung ihres Hauptsitzes an der Bahnhofstrasse 9 entschieden.
Für happige 200 Millionen Franken wird das weisse Haus gegenüber dem Nationalbanksitz bis etwa Mitte 2014 vollständig ausgehölt und modern hergerichtet.
Die Vorschriften des Denkmalschutzes seien ein Wahnsinn, enerviert sich ein ZKB-Sprecher. „Das geht soweit, dass wir die Blumentöpfe auf der Direktions-Terrasse im 5. Stock stehen lassen müssen“, schimpft der ZKB-Manager.
Das Haus gelte als Zeitzeugin der 1970er Jahre, begründet der Sprecher mit Bezug auf die Denkmalschützer. Am Ende gäbe es fast keine Parkplätze mehr, dafür „Veloplätze vom Feinsten“.
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