Wer vom Sockel stürzt, hat nichts zu Lachen. So ist die Schweiz.
Am eigenen Leib erfährt dies Konrad Hummler. Der Chef der von den USA angeklagten Wegelin-Bank ist zum schwarzen Schaf von Swiss Banking geworden.
Für seine Branchenkollegen ist Hummler Freiwild. Übers Wochenende kühlten Spitzenleute ihr Mütchen an jenem Mann, der bis vor wenigen Wochen der unbestrittene Star von Helvetiens wichtigster Industrie war.
Patrick Odier, Genfer Privatbankier und als Präsident der Bankiervereinigung der Oberhirte der hiesigen Finanzbranche, sagte der NZZ am Samstag: „Bei der Bank Wegelin kann ich nur sagen, dass die Bank ganz klar im Widerspruch zur Strategie des Finanzplatzes gehandelt hätte, sollte sich die Anklageschrift bewahrheiten.“
Dann setzte Odier noch eins obendrauf. „Ohne Kenntnis der genauen Faktenlage scheint mir das unverständlich, auch wenn es Einzelfälle waren“, posaunte er hinaus.
Einzelfälle? Erstens stehen derzeit 11 Banken am US-Pranger, neben Wegelin sind das Credit Suisse, Julius Bär, Zürcher und Basler Kantonalbank und weitere „honorige“ Finanzunternehmen.
Zweitens kursieren Gerüchte, dass die USA eine weitere Verdächtigen-Liste mit noch mehr Schweizer Banken führen. Wer dort drauf stehen könnte, weiss niemand mit Sicherheit.
Drittens ist praktisch der ganze Finanzplatz mit unversteuerten US-Geldern der UBS „kontaminiert“. Diese verwaltete rund 20 Milliarden Dollar von 20’000 US-Steuerhinterziehern. Wenn Wegelin als besonders aktive UBS-Profiteurin gut 100 US-Kunden aufgenommen hatte: Wo sind dann alle übrigen gelandet?
Ginge es „nur“ um die 11 Banken, müsste Bern nicht mit den USA über einen Globaldeal verhandeln. Der will ein Ende der Angriffe auf den ganzen Finanzplatz. (Nota bene: Nur die Banken wären fein raus, nicht aber die Kundenberater, die Amerikaner mit unversteuerten Geldern betreut hatten.)
Odier weiss das, als höchster Banker des Landes und Mitglied der Spitze von Lombard Odier, eine der wichtigsten Genfer Privatbanken, ist er im Bild. Warum drischt er trotzdem öffentlich auf Hummler ein?
Zum Einen stimmen viele in den Mainstream ein. Es gehört derzeit zum guten Ton, Hummler anzuschwärzen. Damit kann man sich selbst als Saubermann in der Öffentlichkeit präsentieren.
Der Verlockung erlag auch Martin Senn von der Zürich-Versicherung. Aus dem Nichts heraus meldete sich der Versicherungs-CEO am Sonntag in der NZZ zur US-Anklage gegen die Bank Wegelin.
„Ich bin nicht Richter über die Banken“, begann Senn, um dann vom Leder zu ziehen. „Als Staatsbürger aber bin ich der Meinung, dass wir uns in allen Geschäften an die rechtlichen Vorgaben halten müssen. Wir können kein Interesse haben, auf einem Businessmodell Geschäfte zu betreiben, die gegen Gesetze in anderen Ländern verstossen. Das ist weder im Interesse der Schweiz noch der Unternehmen.“
Hinter der lauten Rhetorik stecken knallharte Ziele. Odier und wohl auch Senn wollen die Schuld möglichst einseitig Wegelin und den anderen angeschossenen Instituten in die Schuhe schieben, damit sie selbst beim grossen Reinemachen glimpflich davonkommen.
Es geht um den grossen Preis eines Globaldeals. Einen solchen strebt Odier an, „dafür engagieren wir uns“, betonte er in der NZZ.
Die USA nannten einst die Zahl von 10 Milliarden Dollar. Selbst wenn man bei der Hälfte landet, müsste der Finanzplatz eine Riesensumme leisten. Wer zahlt?, lautet die zentrale Frage.
Hummler&Co., meinen der Genfer Odier und der Zürcher Senn. Doch sie machen die Rechnung ohne den schlauen Fuchs aus St.Gallen.
Im Militär brachte es Hummler bis zum Oberst. Er weiss, was es heisst, eine Bedrohungslage zu analysieren, die eigenen Handlungsoptionen zu prüfen, einen eiskalten Entscheid zu fällen und diesen in die Realität umzusetzen.
Das ist Hummlers Welt, in ihr fühlt sich der gefallene Bankier in seinem Element. Sich von einem Funktionär wie Odier in die Enge treiben zu lassen, kommt nicht in Frage.
Letzte Woche zeigte Hummler seinen Kampfgeist. Zuerst sistierte er sein Amt als NZZ-Präsident, um sich den Rücken für den Showdown mit den USA freizuhalten.
Am Freitag liess er dann den Gegner aus Amerika im Regen stehen. Ohne korrekt zugestellte Anklage erscheine kein Wegelin-Banker vor dem Richter, liess er Übersee wissen.
Für Bankenpräsident Odier und seine Freunde in der Berner Verwaltung wird Hummler damit zum unberechenbaren Element. Die USA müssen die Wegelin-Bank nun via Rechtshilfe vor die Gerichtsschranken zerren.
Doch Rechtshilfe kann nur Bern geben. Gibt der Bundesrat grünes Licht, wäre das ein Präjudiz im folgenden Sinn: „Wegelin verletzte nicht nur US-Recht, sondern auch Schweizer Gesetze.“
Das wäre der Dammbruch. Alle beschuldigen Banken inklusive der Too-Big-To-Fail Credit Suisse und den zwei kantonalen Instituten mit ihrer Staatsgarantie würden von der obersten Schweizer Instanz zum Abschuss freigegeben.
Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ich teile Ihre Meinung, siehe mein Artikel in der Online Zeitung LesObservateurs.ch
http://www.lesobservateurs.ch/economie/konrad-hummler-un-homme-qui-fait-face -
„Helvetiens wichtigste Industrie“. Aua. Bitte berichtigen: Helvetien ist kein Synonym für die Schweiz, sondern ein historischer Begriff, das Bankenunwesen ist keine Industrie, sondern eine sterbende Dienstleistung, und sicher nicht die wichtigste.
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Die Schwarzgeldstrategie war Jahrzehnte lang das Hauptprogramm des Schweizer Finanzplatzes – bankintern an den meisten Orten offiziell. Kein Banker in unserem Land sollte daher den Mund zu voll nehmen. Das ist keine Kritik, sondern eine Tatsache. Ich gehe sogar soweit zu behaupten, dass diese Strategie dereinst logisch war. Doch heute ist sie dies nicht mehr und es muss kräftig aufgeräumt werden. Aufräumen heisst auch, dass der Charakter eines typischen Bankers hinterfragt werden muss.
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Brilliante Analyse. Bravo Insideparadeplatz.
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Richtig ist, dass in der Schweiz Schweizer Recht gilt. Ebenfalls besteht jedoch auch keinen Zweifel daran, dass die aktive Mithilfe zur Steuerhinterziehung, die das die Bank Wegelin offenbar gemacht hat, gegen die Branchen eigenen Standesregeln verstossen. Nicht zu vergessen ist zudem, dass es hier primär um in den USA lebende US-Staatbürger geht. Der Finanzplatz Schweiz ist sicher nicht dazu da, solchen Personen ohne wirklichen Bezug zur Schweiz, als Steuerhinterziehungs-Drescheibe zu dienen.
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Ich unterstütze Konrad Hummler in all seinen Bemühungen, dem Versuch der USA in unserem Lande Recht zu setzen, Einhalt zu gebieten. Ich wünsche ihm dabei, nicht zu letzt auch im Interesse unseres Landes und unseres Finanzplatzes, durchschlagenden Erfolg.
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Genau.
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Ich unterstütze Konrad Hummler in all seinen Bemühungen, dem Versuch der USA in unserem Lande Recht zu setzen, Einhalt zu…
Richtig ist, dass in der Schweiz Schweizer Recht gilt. Ebenfalls besteht jedoch auch keinen Zweifel daran, dass die aktive Mithilfe…
Brilliante Analyse. Bravo Insideparadeplatz.