Montag, 26. November 2012: In Zürich herrscht trüb-nebliges Herbstwetter. Alles scheint wie immer: Trams fahren durch die City, Menschen eilen durch die Strassen, Läden öffnen ihre Türen.
Am schmucken Sitz der kleinen Privatbank Frey an der Bahnhofstrasse 82a ahnen die Mitarbeiter und Manager nichts Böses. Da klingelt es an der Pforte, draussen bitten unbekannte Herren in dunklen Anzügen um Einlass.
Sie seien von der Berner Finanzbehörde Finma, meinen sie kurz, und marschieren ins Haus.
Unverzüglich kommen die Beamten zur Sache. Bis Mitte Dezember bleibe Zeit, um sämtlichen amerikanischen Kunden zu kündigen. Alle Vermögen, darunter zum Teil altes Geld, müssen innert 3 Wochen verschwinden.
Sollte dies nicht der Fall sein, dann wäre wohl mit dem Schlimmsten zu rechnen, malen sich die Frey-Chefs aus.
Die Finma hat scharfe Waffen in ihrem Arsenal. Sie kann per Federstrich die Bankenleitung absetzen und einen eigenen Beauftragten ans Steuer setzen. Der wäre dann direkter Statthalter des Watchdogs.
Auch eine US-Anklage steht wohl im Raum.
Widerstand zwecklos, sagt sich das Frey-Management, darunter Präsident Markus Frey, ein bekannter Zürcher Wirtschaftsanwalt, der die Familienbank vor einigen Jahren übernommen hat.
Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt. Sofort richtet die Bank ein 24/7-Callcenter ein und kontaktiert jeden einzelnen US-Kunden. Viele haben ihre bei Frey angelegten Vermögen in der Heimat in Übersee nie deklariert.
Die Botschaft an die US-Klientel ist stereotyp, für die Betroffenen jedoch einschneidend. Bis Freitag, 14. Dezember, muss das Konto geräumt sein. Danach werde es aufgehoben.
Das IRS werde alle nötigen Informationen zur Besteuerung der amerikanischen Kunden erhalten, wird aus Zürich versprochen.
Es ist der totale Zusammenbruch. Die Bank Frey galt lange als kleine Wegelin-Kopie an der Bahnhofstrasse. Präsident Markus Frey bot ähnlich wie Wegelin-Oberpartner Konrad Hummler den USA pointiert die Stirn.
Nun bezahlt das Institut den Höchstpreis: Es wird gedemütigt, hat keine alternativen Handlungsoptionen mehr. Rette sich, wer kann, lautet der letzte verbleibende Ausweg.
Ein Sprecher der Finma wollte sich gestern nicht zum „Sturm“ auf die Frey-Bank im letzten November äussern.
Auch die Bankverantwortlichen gehen auf Tauchstation, sie lassen Anfragen unbeantwortet. Aus dem Umfeld der Frey-Chefs ist lediglich zu vernehmen, dass „jetzt alles in Butter“ sei.
Frey und Wegelin arbeiteten seit Jahren eng zusammen. Die Zürcher Kleinbank war Insourcing-Kundin bei den St. Gallern und bezog dort verschiedene Backoffice-Leistungen.
Während Wegelin im US-Konflikt unterging, blieb die Bank Frey bisher offiziell unbehelligt.
Im November verstärkten sich Gerüchte, dass weitere Schweizer Banken von den USA unter Beschuss geraten könnten. Unter den genannten Instituten befand sich die Bank Frey.
Wenige Tage, bevor die Finma bei der Privatbank einmarschierte, ging Frey-CEO Gregor Bienz von Bord. Erst im Dezember berichtete die Bank von einem Weggang „auf eigenen Wunsch“.
Anfang dieser Woche könnte sich die Lage für Frey zugespitzt haben. Ein US-Gericht zwang die UBS zur Offenlegung von weiteren Kundendaten. Die UBS dürfte dem Aufruf Folge leisten. Die Daten liegen in den USA.
Es geht um ein sogenanntes Korrespondenzkonto der Bank Wegelin. Die Privatbank wickelte darüber einen Teil ihres US-Offshore- und ihres Dollar-Geschäfts ab.
Gemäss US-Informationen nutzten 2 weitere Banken das Wegelin-Korrespondenzkonto bei der UBS. Naheliegend ist, dass es sich dabei um Insourcing-Banken wie die Zürcher Bank Frey handelt.
Wegelins Kniefall, die Finma-Aktion gegen die Bank Frey und die absehbaren Weiterungen um das UBS-Korrespondenzkonto werfen Fragen auf.
Erstens könnte die Schweizer Aufsicht Finma zum verlängerten Arm der USA geworden sein. Die Zwangsmassnahme vom November gegen Frey könnte je nachdem die Grenzen des Schweizer Rechts strapaziert haben.
Zweitens gerät Finma-Bankenchef Mark Branson, der die Oberverantwortung für den „Einmarsch“ bei Frey trägt, in Erklärungsnot.
Branson stand im Juli 2008, als die UBS-Steuersaga am Anlaufen war, vor einem US-Senatsausschuss in Washington Red und Antwort. Branson war damals Finanzchef der UBS-Vermögensverwaltung, des wichtigsten Bereichs der Grossbank.
Gut möglich, dass Branson von den US-Behörden damals um weiteres Kooperieren gebeten wurde.
15 Monate nach seinem denkwürdigen Auftritt in der US-Hauptstadt kürte die Finma Branson zu ihrem neuen Bankenchef.
Im Libor-Fall muss sich Branson gegen Vorwürfe wehren, seine Aufsichtspflichten als Ex-UBS-Chef Japan verletzt zu haben. Das Parlament ist am Ermitteln.
Im US-Steuerfall gerät Branson unter Druck, weil er den USA immer wieder entgegenkommt.
Der US-Feldzug dürfte dereinst als entscheidend für die Zerstörung des alten Bankgenplatzes dastehen. Dann könnte Branson als zentrale Schachfigur der US-Strategen in die Geschichte eingehen.
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Die beliebtesten Kommentare
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Die Vögel in Zürich hatten es schon lange gezwitschert, dass nebst Wegelin die Bank Frey noch nicht begriffen hatte, dass die aktive Akquisition von US Persons kein Geschäftsmodell mehr ist. Erstaunlich, dass die FINMA erst jetzt eingegriffen hat. Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet die Kanzlei von Herrn Frey die korrekte Datenherausgabe von US Persons bei einer grösseren Bank überprüft hat und gleichzeitig Herr Frey mit seiner Bank die Finger nicht von den US Persons lässt.
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wundert es irgendeinen? ein land, dessen oberste finanzmarktaufsicht von einer dame geleitet wird, deren partei sich offiziell die überwindung und abschaffung des kapitalismus ins parteiprogramm geschrieben hat, hat nichts anderes verdient.
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In einer Grossbank hat ein Kundenberater mehr assets als diese ganze mickey mouse bank… Da werden paar unabhängige VV die ihre nicht deklarierten Kunden dort buchen telefone erhalten. Bravo Finma, wie wenn der FCB den FC Amriswil besiegt – who cares?
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Das ist ja wie im Wilden Westen! Ich dachte, dass die Bank Frey eine „Koservative“ Bank sei?
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Die „Kose-Form“ stimmt haargenau. Es ist nur ein klitzekleines Bänkli … gewesen. Kaum jemand wird der umgetauften First Zurich Privat Bank eine Träne nachweinen.
PS: Wegelin-Bruderer war dort übrigens bis Feb. 2010 langjähriger VR-Vize. Doppelt gemoppelt.
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@sandra niggli
sehr arrogant ihre aussage.
erstens, die angestellten werden der bank sehr wohl eine träne nachweinen.
zweitens, hier wird das gesetzt wieder mal mit füssen getreten, die finma bzw. die usa bestimmt, nicht unser gesetzt.aber wer die zusammenhänge nicht sieht der verfasst halt solche antworten..
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@stephen:
Die Angestellten dieser Bank sind sicher bedauernswert. Das waren sie allerdings schon vorher…
Die gute Seite ist, dass das Verstecken von Schwarzgeld als business model bald ausgedient hat.
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Ehrlich gesagt verstehe ich die ganze Aufregung nicht (auch in der heutigen Tagespresse) über die Untersuchung des US-Dollar Wegelin-Kontos bei der UBS Stamford.
Die FINMA hat doch den US-Behörden bereits sämtliche Daten der über 4’000 UBS-Kunden geliefert, welche die UBS auf die Strasse stellte: Namen der Banken (Wegelin, Basler KB usw.) welche diesen vertriebenen UBS-Kunden Asyl gewährten, Namen der Kunden, Höhe der Vermögen usw.?
Was benötigen die Amis denn sonst noch, um ihre Bürger an die Steuerpflicht zu erinnern? Danke für Euer Feedback!
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Recht bekommen, durchzusetzen, auf Gegenrecht beharren etc., ist ein klar geregeltes Ritual mit wenig bis keinem Spielraum. Beim Recht brechen hingegegen ist man so frei wie nur möglich, das haben uns doch ein paar gerissene Haudegen jahrelang vorgemacht …
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Einmarsch ist die richtige Bezeichnung. Er kommt aus dem Militär und stellt Macht über Recht. Die Schweiz zerfällt und keinen interessiert’s. Unsere Regierung besteht aus lauter Dilettanten. Der zuvorkommende Gehorsam gehört aber nicht zu unserer Geschichte, ganz im Gegenteil. So lange es uns aber wirtschaftlich noch so gut geht, wird sich nichts ändern. Die Strategie der Schweiz führt aber in die Sackgasse und die Konsequenzen werden wir schon bald zu spüren bekommen. Dann wird es auch keine Euro/CHF Untergrenze mehr brauchen. Die Schweiz geht unter, wetten dass?
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Mit den Luschis und Läugelis, die wir in Bern als „Landesnegierung“ haben, kann es für CH nur schief herauskommen. Leider. – Weiss aus erster Hand, dass man sich z.B. in Brüssel über die CH-Verhandlungsdelegation bzw. das jeweils aufgebotene CH-Hasenfussaufgebot hinter verschlossenen Türen vor lachen krümmt bzw. sich vor den Treffen auf ein gehöriges Hasenschiessen freut.
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Wenn das 1933/34 vom Staat aus der Taufe gehobene Gesetzeskonstrukt des Art.47 I.V.m.“Unterscheidung Steuerhinterziehung/Steuerbetrug/ keine Amtshilfe/Amtshilfe“ wieder verschwindet, geht die Schweiz nicht unter.Zum einen verschwinden nicht von heute auf morgen die Vorteile, die 80 Jahre lang aus diesem (zu Lasten anderer Länder gehenden)Konstrukt gezogen worden sind.Zum anderen wird das Ansehen der Schweiz gehoben.Und das ist à la longue viel wert.Dass die Schweiz untergeht, will niemand.Dass sie gleichberechtigter und gleichverpflichteter Partner ist, das dagegen wollen wohl alle.Wer sich nicht primär am „Geld“ als Fixstern orientiert, wird eine solche Entwicklung begrüßen können.
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Auch die Frey-Leute gehören eben angepackt!
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Meinen Dank an Herrn Mehrle, ich sehe es ähnlich. Auch wenn wir uns von unserer Regierung teilweise im Stich gelassen oder falsch vertreten fühlen, sind wir von einem Untergang sehr weit entfernt.
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Paul-Dieter Mehrle genau mit solch inkompetentem, historisch-kurzsichtigem und sozial verblendetem Geschwätz können Sie nach Bern gehen. Mit den Doppelbesteuerungsabkommen nach OECD wurde die Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung schon lange aufgehoben bzw. Amtshilfe wird querbeet ein gewährt. Die Schweiz hat kampflos ihren gravierenden Wettbewerbsvorteil aufgegeben und à la longue wird sich der Lebensstandard in der Schweiz Spanien, Deutschland, Griechenland, der EU eben, angleichen, was heisst, dass auch ihre Kinder mit hoher Arbeitslosigkeit, Verslummung und EU-Diktatur aufwachsen werden.
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Einmarsch ist die richtige Bezeichnung. Er kommt aus dem Militär und stellt Macht über Recht. Die Schweiz zerfällt und keinen…
Mit den Luschis und Läugelis, die wir in Bern als "Landesnegierung" haben, kann es für CH nur schief herauskommen. Leider.…
Ehrlich gesagt verstehe ich die ganze Aufregung nicht (auch in der heutigen Tagespresse) über die Untersuchung des US-Dollar Wegelin-Kontos bei…