Raoul Weils Verhaftung vor Wochenfrist in Bologna könnte inszeniert gewesen sein. Weils US-Anwälte standen vor wenigen Wochen in intensivem Kontakt mit der US-Justiz.
Es ging um die Konditionen, wie Raoul Weil, bis 2008 die Nummer 3 der Grossbank UBS und seither angeklagt, mit den USA ins Reine kommen könnte.
Der Deal, den Amerika Anfang 2009 der UBS offeriert hatte, half Weil nichts. Der Höchstrangige unter den vielen Angeklagten auf Schweizer Seite blieb ein international gesuchter Verbrecher.
Nun mehren sich die Zeichen, dass Weil mit Hilfe seiner Anwälte intensiv eine Lösung für sich angestrebt hatte. Diese umfasst zwingend ein Geständnis auf US-Boden.
Weil diese Variante zu abenteuerlich klang, wurde die Spur nicht weiterverfolgt.
Doch genau das könnte das Kalkül sein. Würde sich Weil freiwillig den USA stellen und dort Aussagen aus seiner Zeit als hochrangiger UBS-Chef machen, dann würde er möglicherweise in Clinch mit Schweizer Gesetzen geraten.
Zudem wäre sein Image am Boden. Statt Mitleid, wie es derzeit angesichts der Auslieferungshaft in einem italienischen Gefängnis der Fall ist, würden dem Banker Wut und Missgunst entgegenschlagen.
Das zeigte eindrücklich der Gang der Wegelin-Banker nach Übersee. Sie wurden von höchsten helvetischen Politikern als Nestbeschmutzer und Verräter beschimpft.
Weils Verhaftung in Bologna ist bei näherer Betrachtung eigenartig. Das fängt beim Ort an. Warum Bologna? Eine Italien-Kulturreise führt eher nach Rom, Florenz oder Venedig.
Dann gewichtiger die Frage, warum Weil gerade jetzt reiste.
Hier kommen die Aussagen eines Insiders des Zürcher Finanzplatzes ins Spiel. Er bezieht sich auf zwei Gespräche, von denen er Kenntnis erhalten habe.
Diese hätten sich zwischen Ex-UBS-Kollegen und Raoul Weil abgespielt, und zwar vor rund 4 Wochen.
Damals, so die Quelle mit Bezug auf die Unterhaltungen mit den beiden Vertrauensleuten, habe Weil unter keinen Umständen reisen wollen.
Beide Gesprächspartner hätten Weil von sich aus aufgefordert, einen gemeinsamen Abstecher ins Ausland zu machen, sagt die Quelle. Beide Male habe Weil abgelehnt.
Zuvor soll Weil trotz US-Haftbefehl wiederholt ins Ausland gereist sein, hiess es in mehreren Medienberichten. Die Aussage wird von verschiedenen Ex-Kollegen von Weil gestützt.
In den beiden Gesprächen vor Monatsfrist habe Weil bemerkenswerte Aussagen gemacht, sagt die Quelle.
Seine Anwälte stünden kurz vor einer Lösung mit dem Department of Justice (DOJ) von Amerika, weshalb ein Trip ins Ausland derzeit nicht gescheit wäre.
Dabei hätte es sich in einem Fall lediglich um einen Katzensprung von Basel ins benachbarte Deutschland respektive Elsass zu einem Nachtessen in einem Restaurant gedreht.
Doch offenbart war Weil damals nicht einmal dazu bereit; obwohl das Risiko, verhaftet zu werden, äusserst gering gewesen wäre.
Unter Schengen gibt es kaum mehr Grenzkontrollen zwischen Basel, Deutschland und Frankreich, und ein Essen führt nicht wie bei einer Hotelübernachtung zu einer Offenlegung der eigenen Identität.
Raoul Weil, so sagen Vertraute über den Ex-UBS-Spitzenmann, sei ein überlegter Typ. Riskantes Verhalten oder Überheblichkeit würden nicht zu ihm passen.
Als UBS-Manager sei Weil ein strategischer Kapitän gewesen, immer dezent, aus dem Hintergrund operierend, kein Macho-Typ, sondern ein intellektueller, ruhiger Chefbanker.
Nach Weils Verhaftung im Hotel in Bologna hiess es rasch, der Ex-UBS-Mann sei einer neuen Online-Meldepflicht im Nachbarland zum Opfer gefallen.
Die Meldung wurde in vielen Medien kolportiert. Es entstand der Eindruck, dass die Verhaftung reiner Zufall und einfach Pech gewesen sei.
Hätten Weil und seine US-Anwälte einen Plan, wie sie mit den Behörden zusammenarbeiten wollten, dann würden sie genau diesen Eindruck erwecken wollen.
Ins Bild passt, dass Weils heutige Schweizer Firma, die Reuss Gruppe, betont, dass Weil die Auslieferung in die USA bekämpfen würde. Bologna ist echt – so die Message.
Falls Weil wirklich ein intelligenter Typ ist, dann könnte ihm zugetraut werden, dass er eine weitreichende Kooperation mit den USA clever aufgleisen würde.
Der arme Weil, der in den Klauen der bösen USA hängen bleibt, die ihm dann keine andere Wahl mehr lassen, als auszupacken. Für die anstehenden Befragungen wäre dieses Image von Vorteil.
Die Alternative wäre der Weg von Martin Lack, ein Ex-Kollege von Weil aus UBS-Zeiten, der sich fast zur gleichen Zeit in ein neues Verhältnis mit den US-Justizbehörden brachte.
Lack ging Mitte Oktober freiwillig nach Florida und stellte sich dort einem Haftrichter. Ende November beginnt sein Prozess.
Die zeitliche Koinzidenz von Lacks Reise über den grossen Teich und Raoul Weils Verhaftung in Italien gibt der These, wonach alles nur Show ist, weiteren Auftrieb.
Lack und Weil kannten sich, und sie hatten früher Kontakt, um über einen möglichen Deal mit den USA zu sprechen.
Von Lack ist bekannt, dass der UBS-Vermögensberater, der ab 2003 als Selbständiger viel US-Schwarzgeld zur Basler Kantonalbank gebracht hatte, schon seit Jahren einen Deal mit dem DOJ anstrebte.
Doch an Lack zeigten die USA null Interesse. Statt ihn anzuhören, klagten sie ihn im 2011 an. Ein Bürokollege von Lack hatte sich zuvor in Miami auf frischer Tat erwischen lassen, wie er einen Lack-Kunden überreden wollte, sich nicht selbst bei den Behörden anzuzeigen.
Nun war für Lack, der mit einer Amerikanerin verheiratet ist und Kinder hat, die oft in die USA reisen, ein Deal noch viel dringender geworden. Die Schweiz als goldener Käfig – das war für Lack keine lebenswerte Alternative.
In den letzten 2 Jahren versuchten seine Anwälte mehrmals, mit dem DOJ ins Geschäft zu kommen. Niemand regte sich.
Dann, vor ein paar Wochen, meldeten sich die USA scheinbar aus heiterem Himmel. Sie boten Lacks Anwälten einen Deal an.
Das war um die Zeit herum, als bei Raoul Weil laut dessen Vertrauten ebenfalls Bewegung aufgekommen war.
Lack flog Mitte Oktober nach Miami. Nach der Landung wurde er verhaftet und nach Fort Lauderdale überstellt, ein Ort etwas nördlich von Miami. Dort verbrachte er eine Nacht im Gefängnis.
Am Folgetag plädierte Lack vor einem US-Haftrichter auf schuldig. Die Kaution von 750’000 Dollar, davon 10 in bar, hatte sein Anwalt bereits mit einem Check mit im Gerichtssaal. Lack konnte darauf zurück in die Schweiz.
Nicht einmal eine Woche später wurde Weil in Italien verhaftet.
Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Genau das könnte die Absicht der USA sein. Ihr Programm für die Banken zur Schwarzgeld-Bereinigung wird auf Schweizer Seite erstmals kritisch durchleuchtet.
Die USA wollen möglichst viele helvetische Geldhäuser in die sogenannte Kategorie 2 drängen. Dort sind die Bussen am höchsten und der eigene Aufwand dank einem Schuldeingeständnis der Banken am kleinsten.
Doch für einige Schweizer Institute könnte die Rechnung tödlich sein. Ihr Eigenkapital reicht möglicherweise nicht für die hohen Bussen.
Bereits die Fahnen gestrichen hat die Bank Frey. Sie gehört zwar zur Kategorie 1, dort sind die Banken, gegen die bereits ermittelt wird.
Doch Freys Aussage, dass die vielen Auflagen weiteres Geschäften verunmöglichen würden, liess aufhorchen.
Mit Weil und Lack gelang es den USA, wenige Wochen vor Ablauf der Meldefrist für Kategorie 2 Angst und Schrecken zu verbreiten.
Das Timing hätte nicht besser sein können.
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Die beliebtesten Kommentare
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Die Abwicklung des CH-Bankgeheimnis legt eine Verschnaufpause ein. Während die Haudegen der Teppich-Etagen überführt, abgeurteilt und nach dem Plaudern wieder auf freiem Fusse sind, werden andere Länder bald nachhaken. Allen voran Deutschland, Frankreich und Indien.
Dieser Kanossagang ist noch lange nicht ausgestanden, weshalb ich fürchte, das dicke Ende steht der Schweiz erst noch bevor.
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@Charles A. Tan
Es gibt einen fundamentalen Unterschied: Mit Deutschland, Frankreich und Indien haben die CH-Banken nicht vor 12 Jaren Qualified Intermediary-Verträge abgeschlossen.
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Klar,diese plötzliche Arrestation Weil’s scheint nichts anderes als eine billige Inszenierung der Amis zu sein.Wieso sonst, würde ein cleverer Typ wie dieser Weil, sich ausgerechnet in Italien, wo man ja weiss das man als Hotelgast sofort den Behörden gemeldet wird, sobald man eincheckt, sich in eine solche Gefahr begeben!, Dumm ist der ja nicht! Vieleicht hat ja sogar EWS diese Strategie mitentwickelt, um den CH- Finanzplatz nachhaltig von solchen “ Elementen“ zu säubern …Zutrauen würde man Ihr dies alleweil.Ganz nach dem Motto “ Follow me Sir, I am just behind you“
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„Das zeigte eindrücklich der Gang der Wegelin-Banker nach Übersee. Sie wurden von höchsten helvetischen Politikern als Nestbeschmutzer und Verräter beschimpft.“
Ist „Nestbeschmutzer und Verräter“ nicht eher kurz und präzise Zusammengefasst als beschimpft?
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@plagiator aka Frage: ich weiss nicht auf welchem planeten Sie zuhause sind, aber um Ihre Frage zu beantworten: nur, weil hummler & co sich nicht wie (ganz besonders!) viele politiker/innen in vorauseilendem gehorsam der macht des stärkeren gebeugt haben, macht sie dies nicht zu nestbeschmutzern und verrätern. diese bezeichnungen fallen mir vielmehr ein zu den politikern, die namen von bankkunden und -beratern ausgeliefert haben, ohne die rechtliche grundlage sauber zu klären.
es passt hingegen perfekt zur obersten hüterin des finanzplatzes, ihrem verhalten bei wahlen ggü. ihrer damaligen partei und ihren aktionen, die die CH mit garantie noch sehr teuer zu stehen kommen werden.
Sie und ich werden die rechnung präsentiert bekommen. -
@“frage“: Hummler & Co. haben sicherlich nicht – wie andere Schlümpfe – vorauseilenden sich dem Druck gebeugt.
Trotzdem ging die Biegung offensichtlich sehr leicht vonstatten:
– Ein bisschen amerikanischer Druck.
– Ein bisschen Piepen aus dem st.-gallischen et voilà.(Bzgl. Name war ich der Ansicht, dass ich den „Nicknamen“ zuerst gewählt hatte, jedoch nicht regelmässig nutze. Falls Sie wünschen, würde ich die erste Erscheinung auf insideparadeplatz.ch suchen.
Das gibt eine Menge arbeit, da IP schon fast 2 Jahre on ist :))
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Gut möglich, dass das DOJ zuerst noch den Prozess gegen Martin Lack (die Fälle Gadola und Bagios sind ja bereits abgeschlossen) durchziehen wird, bevor die Bussenhöhe der Basler KB bestimmt wird.
Gemäss gestriger „Schweiz am Sonntag“ (Seite 2) jammert BKB-Bankrat Markus Lehmann „Es macht den Eindruck, dass hier auf Zeit gespielt wird. Es ist mühsam. Wir möchten schon lange abschliessen.“ Interessierten Beobachtern ist sein denkwürdiger Arena-Auftritt noch in bester Erinnerung. Auch sein Kollege und SVP-NR Sebastian Frehner doppelte nach:
„Die USA müssen uns (die Basler Kantonalbank) endlich aus der Geiselhaft entlassen.“
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Interessant wie viel sich bei dieser Story rund um „Basel“ dreht!
Was macht eigentlich Hans Rudolf Matter? Ist er von seinem angekündigten Sprachaufenthalt in Italien noch nicht zurückgekehrt! Oder darf er wie der Basler Raoul Weil auch nicht ausreisen und niemand hat was gemerkt? Er könnte sonst ein neues Portal „Inside Spiegelgasse“ eröffnen!
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Congratulations INSIDE PARADEPLATZ
**********************************Ihr Beitrag ist clever und tiefgründig.
Der smarte Mr.Weil dürfte sich geschmeichelt und ertappt fühlen. -
Weiss nicht, ob hier Weil nicht überschätzt wird. Wäre natürlich schon raffiniert (für Ihn und das DoJ), wenn er so mit den US Behörden zusammenspielen würde… – Vielleicht gibt es dann ja auch noch eine „Gewinnbeteiligung“ wie bei Bradley.
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@lh: Interessante Theorie und lesenswerter Artikel, danke.
@Numerus Clownus: Ihr Name ist treffend gewählt und Ihr Kommentar sowas von spannend. -
@Guter Wochenstart: Danke für die Blumen. Ihr Kommentar übetrifft ja gar noch den meinen bezüglich Spannung. Gut gemacht!
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Weiss nicht, ob hier Weil nicht überschätzt wird. Wäre natürlich schon raffiniert (für Ihn und das DoJ), wenn er so…
********************************** Congratulations INSIDE PARADEPLATZ ********************************** Ihr Beitrag ist clever und tiefgründig. Der smarte Mr.Weil dürfte sich geschmeichelt und ertappt fühlen.
@lh: Interessante Theorie und lesenswerter Artikel, danke. @Numerus Clownus: Ihr Name ist treffend gewählt und Ihr Kommentar sowas von spannend.