100 Millionen plus Zinsen fordert Deutschland von der Zürcher Privatbank Julius Bär. Es geht um Assets der früheren DDR auf Konten der Bank Cantrade. Diese verkaufte die UBS 2005 der Bär.
Bär-Chef Collardi spielt auf Zeit. Er bestreitet die Forderung vor Gericht, gleichzeitig geht er auf die UBS los. Falls er gegen Berlin verlieren sollte, soll die Grossbank ihn schadlos halten.
Das Vorgehen hat System. Oberstes Ziel für Collardi sind hohe Gewinne – im Hier und Jetzt. Was danach kommt, das kümmert den jungen Bankenchef wenig.
Après moi le déluge. Rückstellungen für die Forderung aus grauer Sowjetzeit hat Collardi ebenso wenig getätigt wie, dass er vorsichtig abschreiben würde, um später positiv zu überraschen.
Collardi ist der Meister des Aufpeppens der eigenen Leistung.
Seit 2009 lenkt der Mann mit den drei Vornamen – Boris, Francesco, Jean – die Julius Bär. In dieser Zeit hat er knapp 1 Milliarde Franken Extragewinn ausgewiesen.
Angewendet hat er immer den gleichen Trick. Er hängt nicht den tatsächlichen Gewinn nach Buchhaltungsregeln an die grosse Glocke, sondern einen nach eigenem Gusto berechneten.
Bei diesem fehlen die Abschreiber auf den Goodwill – also was die Zürcher bei ihren zahlreichen Übernahmen im zurückliegenden Jahrzehnt „zu viel“ bezahlt hatten – sowie die Kosten für die Integration.
Collardi zeigt ein Flat-Resultat; eines, bei dem alles, was irgendwie nach Sonderfaktor klingt, ausgeblendet wird.
Das Ergebnis dieser Verbuchungs- respektive Publikationspraxis – die echten Gewinne werden im Kleingedruckten ganz kurz erwähnt – ist eine Differenz, die das Ausmass des Andreas-Grabens annimmt.
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Im 2009, als Collardi die operative Leitung übernahm, wies Bär einen „adjustierten“ Gewinn von 473 Millionen aus. Effektiv waren es damals 389 Millionen. Differenz: 84 Millionen.
2010 waren es bereinigt 504 Millionen, effektiv 353, 151 weniger.
Undsoweiter.
Jahr für Jahr lagen die tatsächlichen Gewinne, welche für Reserven und Aktionäre bereitstanden, um einen dreistelligen Betrag tiefer.
Höhepunkt war letztes Jahr. Da wies Collardi 480 Millionen aus, effektiv waren es gerade mal 188 Millionen.
292 Millionen Unterschied – die Schönfärberei hatte neue Dimensionen erreicht.
Über die Dauer, so das Argument, würden sich die beiden Zahlen angleichen. Wenn nämlich der für die Übernahmen bezahlte Goodwill werthaltig wäre, dann würde sich dies in tatsächlichen Gewinnen niederschlagen.
Davon ist nichts zu sehen.
Von Januar bis Juni verdiente die Bär-Bank nach Buchhaltungsstandard IFRS einen Halbjahresgewinn von 179 Millionen.
Ausgewiesen wurden wie gewohnt mehr, nämlich 288 Millionen.
Zählt man die seit 2009 entstandenen Differenzen zwischen „bereinigten“ und „effektiven“ Gewinnen zusammen, dann kommt man auf eine horrende Summe. 943 Millionen beträgt der Unterschied.
Um fast eine Milliarde also haben Collardi und seine Bär-Manager das eigene Resultat schöner dargestellt als nach geltenden Regeln üblich.
Die eigenwillige Praxis hat Vorteile – für die verantwortlichen Manager. Sie stehen nicht nur leistungsmässig besser da, als sie es sonst würden. Sondern sie können sich auch grössere Boni zuschanzen.
Zumindest, solange niemand daran Anstoss nimmt.
Dass dies so bleibt, dafür sorgt ein Firmenkonstrukt, das ideal ist für solche Manöver.
Über der Julius-Bär-Bank thront die Julius-Bär-Gruppe. Abgesehen vom Besitz der Privatbank ist in der Gruppe praktisch nichts Wichtigstes angesiedelt.
Doch die Saläre und Boni, die nach aussen gezeigt werden, stammen von der Gruppe. So findet sich dort die Entschädigung von CEO Boris Collardi (2013 knapp 6 Millionen) und jene von Bär-Präsident Daniel Sauter (1 Million).
Im Total von 17 Millionen für 7 operative Manager sind auch der Finanzchef, der Kommunikationschef und wenige weitere Unbekannte enthalten.
Nicht drin sind die Vergütungen der mächtigen Sparten- und Regionenleiter. Sie bilden die Spitze der Bank Bär, nicht jene der Gruppe.
Deren Entlöhnung bleibt somit im Dunkeln. Doch sie sind vermutlich jene mit dem grössten Reibbach.
Mit von der Partie sind mehrere langjährige Bär-Banker, die von Collardi offenbar in Ruhe gelassen werden.
Insider behaupten jedenfalls, dass sie das wahre Machtzentrum bilden und das Geschäft in Eigenregie führen, während Collardi die Gallionsfigur nach aussen spielt.
Wie hoch die Vergütungen dieser Bär-„Fürsten“ sind, bleibt deren Geheimnis.
Sicher ist, dass das Konstrukt mit einer Gruppe, die faktisch aus einer Tochter besteht und über Jahre „adjustierte“ Gewinne zeigt, Boni ohne öffentlichen Aufschrei ermöglicht.
Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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bbb
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Diese Praxis wird bereits seit mind 2009 angewandt. Ich finde es erstaunlich, dass IP dies erst jetzt kommentiert. Wo bleibt ihre Recherche?
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Eine Sauerei! Das darf doch nicht wahr sein. Diese lusche Praxis ist doch nicht mit den schweizerischen Offenlegungsvorschriften vereinbar. Und was sagen die (amerikanischen) Grossaktionäre der Bären dazu? Nix, denn sie benutzen vermutlich selbst ähnliche faule Tricks.
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Und die hochgelobte Finanzanalysten-Gemeinde schaut zusammen mit den institutionalisierten Überwachungsinstanzen weg. Einfach nur blamabel und gleichzeitig überaus bezeichnend.
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Alle sitzen ja im gleichen Boot, sind Brüder im Geiste oder unterliegen der Hackordnung. Einmal wurde ein Analyst rausgeworfen, weil er den Konkurs der Swissair angekündigt hatte.
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Kleingedrucktes giltet halt auch.
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Einmal mehr ein wertloser Bericht.
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@Marcel Meister. Begründung gefälligst?
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Wenn das tatsächlich so ist, dann muss die Staatsanwaltschaft eine Untersuchung wegen „ungetreuer Geschäftsbesorgung“ in die Wege leiten.
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Heute jährt sich der Zusammenbruch von Lehman Brothers zum 6. Mal, wo tausende von Schweizerinnen und Schweizer bei der Credit Suisse und ihrer Tochter Neue Aargauer Bank auf grob fahrlässige Weise rund 1.3 Milliarden Franken verloren. Und das, infolge einer unentschuldbaren Fehleinschätzung: weil die CS angeblich davon ausging, dass die US-Regierung Lehman retten würde, obwohl die Credit Default Swaps auf 790 Basispunkte geklettert waren. Das alles ist vergessen! Stattdessen müssen wir über die „Bubenstreiche“ von Bär’s Collardi lesen.
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‚Bubenstreich‘ ist für die beschriebenen Aktivitäten des BC wohl etwas untertrieben. Was mich wundert ist, dass sich die hochbezahlten Finanzanalysten so was bieten lassen und nicht massiv intervenieren. Das kann doch nicht angehen. Zudem müsste wohl auch die Rolle des CFO (Enkelmann) etwas genauer unter die Lupe genommen werden.
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@Thomas P. Der CFO berichtet an den CEO, daher würde er wohl das Boot nicht schaukeln. Allerdings gibt’s beim Good Governance zusätzlich folgende Überwachungsinstanzen: Internal Audit, External Audit, Verwaltungsrat & unsere Oberkontrolleurinstanz FINMA.
Wenn niemand was gemerkt haben soll bzw. den Mut hat, sich zu melden, dann gute Nacht Finanzplatz Schweiz. -
@ Randy, Der Grund warum die Überwachungsinstanzen nichts gesagt haben, ist weil es nichts zu sagen gibt. Der Gewinn wurde zwar nicht ganz transparent dargestellt, es liegt jedoch kein Verstoss gegen die Rechnungslegung vor.
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…wo bleibt der Rest und die Konklusion?
...wo bleibt der Rest und die Konklusion?
Heute jährt sich der Zusammenbruch von Lehman Brothers zum 6. Mal, wo tausende von Schweizerinnen und Schweizer bei der Credit…
'Bubenstreich' ist für die beschriebenen Aktivitäten des BC wohl etwas untertrieben. Was mich wundert ist, dass sich die hochbezahlten Finanzanalysten…