Haben Sie schon einmal von Betterment, Wealthfront, Nutmeg, Lending Club oder Zopa gehört? Selbstverständlich, oder? Denn diese Firmen gehören inzwischen genauso zum (Banken-)Alphabet wie Cembra Moneybank, Postfinance, Swissquote oder UBS.
Die aufgeführten Unternehmen sind gekommen, um der Finanzbranche Kunden und Marktanteile wegzuschnappen. Sie sind branchenfremd, es sind sogenannte FinTechs (Finanztechnologie-Firmen), die an der Wertschöpfungskette der Finanzdienstleister nagen.
Aber nicht nur Startups wollen den Banken lukrative Geschäftsfelder wegnehmen, sondern auch etablierte Firmen wie beispielsweise Apple. Das US-Unternehmen lancierte im letzten Jahr Apple Pay, eine digitale Geldbörse. Mit dieser will der Konzern letztlich an den Endkunden gelangen, ganz einfach. Ob das gelingen wird, steht derzeit in den Sternen. Aber die Geschichte zeigt uns, dass Apple etwas Ähnliches bereits geschafft hat, als der Konzern die ganze Musikindustrie in die Knie zwang und die Branche revolutionierte.
Bei der Digitalisierung vermischen sich reale und digitale Welten, ganze Geschäftsmodelle werden massiv umgekrempelt – und davon bleibt eben auch die Finanzbranche nicht verschont. Digitale Services bieten der Branche einerseits enorm viele Chancen, etwa durch kostengünstige Lösungen und technische Innovationen. Andererseits entstehen neue Konkurrenten, die disruptive Finanzgeschäftsmodelle günstiger und schneller erschliessen als die etablierten Player.
Diese Veränderungen betreffen auch den gesamten Finanzplatz Schweiz. Doch weder Politiker noch Standortförderer haben das Thema Finanzinnovation und -technologie wirklich ernsthaft auf dem Radar. Es gibt bis heute von Bundesbern keine klaren Antworten, wie der helvetische Finanzplatz langfristig ausgestaltet werden soll. Vor allem unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Wandel hin zu einer digitalen Gesellschaft Realität ist.
Dabei steuert die hiesige Finanzbranche einen substanziellen Teil der Wertschöpfung bei. Der Finanzsektor beschäftigt direkt und indirekt gemäss SwissBanking 491 000 Personen und generiert – unter Berücksichtigung der indirekten Effekte (wie Zulieferer) – rund 15% der gesamten Wertschöpfung. Die Schweiz ist nach wie vor eines der wichtigsten Private-Banking-Zentren der Welt und mit einem 26%-Marktanteil des grenzüberschreitenden Vermögensverwaltungsgeschäfts die Nummer 1. Weltweit.
Während die Schweiz bezüglich FinTech-Strategie schläft, machen andere führende Finanzplätze – notabene unsere Konkurrenten – vorwärts. Etwa London, die weltweite Nummer zwei, wo man die Zeichen der Zeit erkannt hat. In der „City“ ist mit „Level39“ der grösste FinTech-Accelerator Europas angesiedelt. Auch die britische Regierung ist auf den Expresszug aufgesprungen. Im August letzten Jahres deponierte der Schatzminister von England, George Osborne, vor Bankern, Investoren und FinTech-Unternehmer in einer Rede vier Kernaussagen.
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Die erste zeigt die Überzeugung der Regierung Camerons, dass ein Finanzplatz dank Innovation und Technologie prosperieren kann. Der Wortlaut: „I am here today because the technologies that you are developing have a huge economic potential for our country, and for the world.“ Zu Deutsch: Die Digitalisierung der Finanzdienstleister biete enormes Wachstumspotenzial, das letztlich der ganzen Volkswirtschaft zu Gute komme.
Innovation verhilft einer Wirtschaft zu Prosperität, das war schon immer so. George Osborne weiter: „I’m here today because I want the United Kingdom to lead the world in developing Fin Tech. That’s my ambition – short and sweet.“ Die Regierung Cameron hat also erkannt, dass intelligente Technologien keinen Kostenfaktor darstellen, sondern die Zukunft bestimmen und dem Londoner Finanzplatz helfen, sich den neuen Realitäten anzupassen.
Mit der dritten Aussage untermauerte der Finanzminister die Ernsthaftigkeit der Absichten. „So today I can announce I am extending the scheme with another £100 million.“ Die Regierung investiert also aktiv in die Zukunft des Finanzplatzes und macht ihn damit zum führenden Hub für Finanztechnologie. Doch allein mit monetären Mitteln ist es nicht getan. Die Regierung unterstützt konkrete Hilfsangebote wie beispielsweise den FCA Innovation Hub, wo FinTechs regulatorische Beratungen erhalten, kostenlos.
Die Schlussbemerkung des Schatzminister trifft mitten ins Herz jedes Schweizer Bankers. „We have all the ingredients we need.“
Über die nötigen Zutaten verfügt eigentlich auch die Schweiz. Vielleicht hat die Eidgenossenschaft sogar eine noch bessere Ausgangslage als London. Kein anderes Land könnte Finanzinnovationen vorantreiben wie die Eidgenossenschaft. Hilfreich ist dabei die hohe politische Stabilität, eine zentrale Anforderung an jeden Finanzplatz. Diese ist weltweit einmalig. Eine liberale Wirtschaftspolitik ist eine weitere Basis, um ein Ökosystem FinTech aufzubauen. Auch die Schweizer Wissensmühlen müssen die internationale Konkurrenz nicht fürchten. Und von fehlendem Kapital kann schon gar nicht die Rede sein.
Doch wo stehen Schweizer Banken in Bezug auf die Digitalisierung? Mit Blick auf die „Digital Banking Readiness“-Rangliste des Unternehmensberaters ATKearney muss man sagen: im Niemandsland. Die Analysten sehen die Schweiz lediglich an 11. Stelle. United Kingdom, Singapur und die USA führen die Tabelle an. Aber auch Nationen, die über keine Bankentradition verfügen, wie Dänemark, Norwegen, Österreich oder Belgien, winken von oben auf die Schweiz.
Auf diesen Umstand haben einzelne Schweizer Banken reagiert – aber längst nicht alle. Aber letztlich kann der Aufstieg nur gelingen, wenn der Finanzplatz Schweiz eine gesamtheitliche Vision und Strategie verfolgt. Eine Vorreiterrolle im Bereich der Digitalisierung böte den Schweizer Banken eine grosse Chance: Sie könnten den Weg zurück in die Gesellschaft finden. Nach all den Milliardenbussen und Skandalen haben sie sich, gewollt oder ungewollt, vom Volk entfernt.
Innovative Technologien helfen aber nicht nur den inländischen Banken, sondern können als Exportgut in die ganze Welt verkauft werden. Die Schweiz hat eine einmalige Chance, ihre Reputation als traditionsreicher, stabiler und innovativer Finanzplatz auf alle Kontinente hinauszutragen. Und letztlich könnten die Schweizer Banken ihre internationale Expertise stärken und die Nummer 1 in der Vermögensverwaltung bleiben.
Doch was tun die Verantwortlichen der Banken und der Politik? Nachdem schon niemand das Schlamassel um Liborskandal, Devisenmanipulation oder dem systematischen Brechen von ausländischem Recht erklären konnte, sollten Banker jetzt die Zukunft (mit-)bestimmen, gemeinsam mit Politik und Standortförderung. Die Schweiz muss den Anspruch haben, langfristig in den Top-5 der Finanzplätze zu rangieren.
Immerhin gibt es erste Projekte, von Privaten initiiert. Seit Herbst 2013 wird die Finance 2.0-Konferenz (Der Autor ist Mitinitiator dieses Anlasses) durchgeführt, wo sich FinTechs und Banken treffen und austauschen. Im letzten Jahr haben sich zudem erste Schweizer FinTech-Firmen zur Vereinigung Swiss Finance Startups zusammengetan, um sich gemeinsam Gehör zu verschaffen.
Doch das reicht nicht. Jetzt sind Taten gefragt und keine leeren Worte. Wir haben alle Ingredienzen – jetzt muss es heissen: „Allez la Suisse!“
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Die beliebtesten Kommentare
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Einverstanden. Und, damit wir uns politisch nicht ins OFF manövrieren, müssen wir gleichzeitig unsere Bildungspolitik anpassen. Diese Entwicklung muss von einer Mehrheit getragen werden, die daran partizipiert.
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das ist richtig. die Banken sollten sollten sich abwenden von ihrem ‚Geschäftsmodell‘ der Tricksereien, das ihnen sehr viel Ärger und eine Imageschaden eingebracht hat. Im Moment wird das Banking neu erfunden. Nach 20 Jahren Anlauf wagen die IT-Firmen, die bei Geschäften mit virtuellen Gütern reich geworden sind, den Sprung in die reale Wirtschaft. Und diesmal sind sie besser als zu dotcom Zeiten. Sie wissen wie man Geschäfte macht, haben beträchtliche Resourcen und am wichtigsten, die Technologie hat eine höheren
Reifegrad. -
Wie von Alexander Saheb erwähnt: neue, junge Banken, kleine Banken, oft Regionalbanken – alle haben sie den Vorteil, nicht gegen internen Widerstand ankämpfen zu müssen.
Unser Beitrag – auch digital: http://www.adviceonline.ch
Wir jedoch sind überzeugt, dass der Berater am Ende immer überdauern wird und wir deshalb ein Tool kreiert haben, dass genau diesen Menschen, der schlussendlich mit Menschen zu tun hat, unterstützt und nicht alles ver-maschiniert.
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Pingback: Finance 2.0 – Blog
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klar, banken müssen aufholen bzw versuchen neue Trends zu adaptieren. das ist nicht einfach, weil sie schon komplett eingefahrene Strukturen haben. die fintechs nicht, die putzen sich für Neukunden richtig gut raus.
„Die Digitalisierung stellt Banken als langjährig gewachsene Organisationen vor immer die gleichen Probleme.“ schreibt unser Blogautor Matthias Bitzer von Namics, der Banken aufs digitale Pfert hilft
http://www.bankingundfinance.ch/kunde-und-vertrieb/die-digitale-transformation-bei-banken-verstehe-deine-kunden-teil-24/ -
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Danke für den Artikel!
Unser Beitrag: http://www.truewealth.ch -
ich frage mich, warum Bern da Steuergelder dafür verpulvern soll. die Manager der schweizer banken sind frei, sich zu bewegen und bei ihren Aktionären Geld einzusammeln für hoffnungsvolle Technologien. die firmen sollen sich ihre Chancen selbst erschliessen und nutzen und unternehmerische Risiken eingehen. nur weil sich kein manager traut dafür mal richtig geld auszugeben, muss man jetzt nicht nach dem staat rufen. der ist nicht dafür da, Hunde zum jagen oder firmen auf profitträchtige felder zu tragen. den gewinn wollen die firmen am ende schliesslich für sich behalten und am liebsten keine steuern zahlen. und das gern gebrachte „arbeitsplatzargument* ist Blödsinn, weil ohne arbeitsplätze keine Firma funktioniert. arbeitsplätze sind keine gnadengabe, sondern eine Grundvoraussetzung für das betreiben eines profitablen Unternehmens. sonst gäbe es ganz sicher schon lange keine mehr.
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Sie haben Recht, Direktinvestitionen sind hier nicht angebracht, einzelne Branchen zu bevorzugen brauchen wir nicht, daher auch der SNB-Entscheid richtig (einseitig die Export- und Tourismusindustrie zu subventionieren). Was es jedoch braucht ist gute Rahmenbedingungen, damit langfristig investiert wird. Und hier gäbe es doch einiges zu tun hier, was in den letzten Jahren kaputt gemacht wurde.
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Spannend wird es dann, wenn noch das TOPLABEL-Wealth Management dazukommt. Als U/HNWI hab ich Vertrauen in die Luxusgütermarken. Die verstehen was von „edel“ und „Kunde ist König“ und Banker kann man auf dem Markt einkaufen. Wenn also CARTIER Luxury Wealth an den Start geht – ev. zusammen mit einer FinTech Adresse – und die Schönen und die Reichen die ja bereits in ihren Geschäften stehen/kaufen noch selbst über ein Multi Family Office betreuen wird es lustig oder? Und das eine oder andere Traditionshaus PB / WM ‚mächtig nervös‘.
Zumal mit offener Architektur auch die beliebte Unabhängigkeit gegeben ist. Und noch eins oben drauf, wer immer 20Mio plus AuM bei „CARTIER MFO/Desk“ in den Bücher hat, bekommt signifikante Rabatte bei den CARTIER DL und Produkten. NB: Cartier ist Team Partner bei Snow Polo St. Moritz in der kommenden Woche. Mal schauen was die so denken zum Thema.-
Dummes Geschwafel. Und ein U/HNWI sind Sie niemals.
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Ist es langfristig befriedigend, sein Geld in Luxusgüter zu investieren? Finde es langweilig, daher mein Tipp an sie, investieren sie das Geld weder in Cartier noch in grosskapitalisierte Aktien sondern direkt in junge Firmen (Startups und KMUs), dann schaffen sie langfristig am meisten Mehrwert und gleichzeitig Arbeitsplätze und es macht auch noch viel Spass.
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Die Entwicklung in unserer Gesellschaft war und ist voraussehbar. Unsere Werte orientieren sich fast ausschließlich an den Bedingungen, die durch unser monetäres System vorgegeben werden. Sollten wir nicht zuerst unsere Ziele (neu) definieren, um darauf hin die Regeln für die Grundlagen unseres Handelns auszurichten? Dazu ist es jedoch auch notwendig zu verstehen wie Geld funktioniert…mit London können wir weder konkurrieren, noch kann dieses Model kopiert werden.
Unser Augenmerk richtet sich nicht mehr auf ein nachhaltiges Wirtschaften und der Bedürfnisbefriedigung, sondern auf eine schnelle und oftmals sinnlose Vermehrung von Kapital, die sich eines Tages als Scheinwerte erweisen werden. Wir hinterfragen nicht den Nutzen sondern befinden uns in einem globalen, kollektiven Wahn auf der Jagd nach zweifelhaften Werten. Dinge, die sich nicht, oder nur schwer remonetisieren lassen haben in unserer Welt offensichtlich keinen Wert.
Aber ich bin sehr optimistisch was die Zukunft betrifft. Dass Ende dieser Finanzära ist sehr Nahe, klar wurde sie, durch buchhalterischen Tricks und andere Manipulationen und Betrügereien, die mit einem Rechtsstaat nichts mehr gemein haben, bis heute verlängert, nichtsdetotrotzt, kann mit mathematischer Präzison sein Ende attestiert werden.
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Korrekt, kopieren ist keine Schweizer Tugend, das können andere besser (Asien). Wir müssen unseren eigenen Weg gehen, aber im Bereich der Technologie haben wir in der Tat Aufholpotential, die Voraussetzungen wären jedoch ideal (gute Infrastruktur, gute Ingenieure, gute Bildung). Was es braucht sind Unternehmer, die wieder Risiken eingehen und ihr Geld nicht nur in grosskapitalisierte Aktien stecken. Es braucht Mut, sein Geld oder ein Teil davon in ein Startup zu investieren. Ich gehöre dazu, und zwar in mein Eigenes. Ich bin aber so fair und mache hier nicht dafür Werbung, wie es andere tun.
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Hoffen, dass das kein Wunschtraum bleibt! Es herrscht nur Angst in den obersten Etagen. Aus einem verzagten Hinterteil kommt selten ein fröhlicher Furz, wie ein altes Sprichwort sagt..
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@Ritter: Gestatte mir die Richtigstellung: Das hat Martin Luther, der (erfolgreiche!) Che Guevara der Katholischen Kirche des Mittelalters, gesagt. Und er hat, historisch belegt, nicht politisch korrekt Hinterteil gesagt, sondern Arsch! Tatsächlich könnte es sein, dass es heute zuviel verzagte Aersche in der Finanzindustrie gibt. Wohlvermerkt, nicht in Bezug auf das Ego, sondern den Altruismus. Den gibt’s in der heutigen Zeit nicht mehr. Mehr Luther müsste man haben, heute!
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Richtig so. Unser Banker verstecken sich. Statt progressiv nach vorne zu schreiten, verstecken sie sich hinter Bankgeheimnis, Regulation und sonstigen Themen. Ich als Bankmitarbeiter würde mir wünschen, ich könnte in einem innovativen Institut arbeiten. Dem ist leider nicht so. Veraltete Strukturen, Socialmedia-Verbot, altertümliche Beratungsprozesse, keine richtigen digitalen Kundenkanäle. Warum sind wir nicht wie Amazon, Nespresso, Google? London zeigt wie es funktionieren kann. Doch auch hier verlieren wir wohl den Anschluss.
Richtig so. Unser Banker verstecken sich. Statt progressiv nach vorne zu schreiten, verstecken sie sich hinter Bankgeheimnis, Regulation und sonstigen…
Hoffen, dass das kein Wunschtraum bleibt! Es herrscht nur Angst in den obersten Etagen. Aus einem verzagten Hinterteil kommt selten…
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