Bitte beantworten Sie folgende Frage, die jedes Wochenende als Teil eines Gesprächs mit Führungskräften in NZZ Executive gestellt wird: „Welches ist der Stellenwert sozialer Netzwerke für Sie, beruflich wie privat?“. Am besten schreiben Sie das auf einen Zettel und vergleichen dann Ihre Aussage mit unserer Kurzauswertung von etwa 100 Interviews.
– Die grosse Mehrheit in NZZ Executive geht wie selbstverständlich davon aus, dass „Soziale Netzwerke“ virtuelle Netzwerke sind. Die meisten äussern sich dann etwa so: “Beruflich nicht wegzudenken, privat halte ich mich davon fern“; eine nicht allzu kleine Minderheit nutzt virtuelle Netzwerke gar nicht, sondern beschränkt sich auf reale: „Ich setze auf persönliche Kontakte und nutze soziale Netzwerke kaum …“, und nur ganz wenige „… nutzen Social Media ausgiebig beruflich wie privat“.
– Eine kleine Minderheit präzisiert: „Wenn Sie damit Facebook & Co. meinen, dann …“ (Kommentar: eine solche wie auch immer geartete Präzisierung ist eigentlich zu erwarten. Stellen Sie sich vor, diese Frage würde in einem Bewerbungsgespräch gestellt.)
– Geradezu eine Ausnahme wären Sie, wenn Sie konkret werden, etwa im Sinne von: „Ich nutze Xing und LinkedIn persönlich als berufliches Adressbuch …“
Einige weitere typische Antworten aus NZZ Executive finden Sie hier. Was schliessen wir aus diesen Betrachtungen?
– Der Begriff „Soziale Netzwerke“ ist nicht eindeutig. Darum werde ich im Folgenden konsequent den Ausdruck „Social Media“ verwenden und mich dabei auf „berufliche Social Media“ beschränken, primär LinkedIn und Xing, ausser ich erwähne andere ausdrücklich.
– Die NZZ Executive Antworten stammen ausnahmslos von Personen, die gerade nicht stellenlos sind. Meine Erfahrung zeigt, dass stellensuchende Personen Social Media wesentlich intensiver nutzen (was nicht überraschend ist, denn Zeit ist ja vorhanden), deren Nutzen aber auch höher einschätzen; die Gründe dafür werden unten plausibel.
– Wie bei vielen Instrumenten gilt auch hier: Machen Sie sich doch in einer Phase damit vertraut, wo Sie noch nicht unter Druck stehen, Resultate erzielen zu müssen; das wird Ihnen wenn‘s draufankommt zugutekommen.
Über diese Erkenntnis hinaus konnten die 100 Aussagen nicht gross zur beruflichen Fitness beitragen, da sie zu allgemein sind. Mit der Ihnen bekannten Systematik der bisherigen sieben Standpunkte können wir hier aber mehr praktischen Nutzen stiften.
Wir fragen uns also: Wie setze ich Social Media gezielt ein? Wir beginnen mit den vier Elementen des Kreislaufes der beruflichen Fitness:
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1. Standortbestimmung / Erkenne Dich selbst. Social Media eignen sich dafür nicht. Denn gerade für die Selbsterkenntnis, für die eigenen Lebensziele, ist die innere Stimme wesentlich. Social Media (insbesonders Facebook, Youtube) sind zu oberflächlich, zu verführerisch, zu sehr von einem gerade aktuellen Trend bestimmt, als dass sie einen wesentlichen und sinnvollen Beitrag zur Selbstreflexion leisten könnten. Eine Auszeit, Gespräche mit Personen des Vertrauens, das Lesen von Biografien, persönliche Kontakte in traditionellen Netzwerken … sind hier durch nichts zu ersetzen. Wenn Sie doch nicht auf Bits und Bytes verzichten wollen: Online Tools können dabei immerhin unterstützen, beispielsweise hier.
2. Grundsätzliche berufliche Entwicklungsmöglichkeiten / Optionen. Hier liegt die Stärke der Social Media. Auf LinkedIn oder Xing können Sie entweder aktiv nach Personen suchen, die Sie kennen, aber aus den Augen verloren haben, und dabei erfahren, wo und in welcher Rolle diese heute tätig sind. Passiv erhalten Sie aufgrund Ihrer persönlichen Angaben (Beruf, Arbeitgeber, Kompetenzen) Namen von Personen, die für Sie interessant sein könnten. Sie sehen also praktisch und konkret, wohin sich andere mit Ihnen vergleichbare Personen beruflich entwickelt haben – was eigene Möglichkeiten aufzeigen kann, auf die Sie anderweitig nicht unbedingt gekommen wären. Die riesige Menge an durchaus brauchbaren, oft überraschenden Kontakten und Informationen heben die Social Media von den traditionellen Netzwerken ab, wo man sich eher „unter seinesgleichen“ bewegt und die Zahl der Treffen natürlich limitiert ist. Das eine tun und das andere nicht lassen.
3. Entscheiden und Umsetzen. Nun braucht es natürlich wieder den Schritt ins reale Leben; die Kontaktaufnahme mit wie oben beschrieben „gefundenen“ Personen, die Ihnen vielleicht „nützlich“ sein könnten, ist dank LinkedIn und Xing problemlos möglich, ohne dass Sie eine Ahnung haben müssen, wie Sie diese Personen sonst erreichen könnten. Ich habe so ehemalige (Bank-)Kollegen und Kolleginnen wieder gefunden, die heute selbständig im Beratungsgeschäft tätig sind und die mir meinen eigenen Einstieg in die Selbständigkeit erleichtert haben.
In anderen Situationen kann es einfach darum gehen, über diese Kontakte relevante Informationen zu möglichen Berufsfeldern (zum Weg dahin) oder zu anderen Arbeitgebern zu erhalten.
4. Laufende Überprüfung und Anpassung. In der Regel meinen wir hier, dass Sie Ihre Fortschritte in Ihrer beruflichen Entwicklung steuern. Facebook und andere Social Media könnten Sie nun dazu verführen, sich laufend mit Ihrer Peer Gruppe zu vergleichen, was durch die Verfügbarkeit der Daten auf dem Netz sehr einfach ist. Wenn Sie das obsessiv machen, übertreiben Sie möglichweise und bleiben beruflich nicht fit, sondern werden lediglich unzufrieden. Kommt Ihnen das bekannt vor? Und benutzen Sie möglicherweise gar verschiedene Tools und Apps zur Selbstvermessung? Dann sollten Sie diesen Artikel lesen: „Anleitung zur Selbstoptimierung“.
Das Dilemma (Muss ich immer besser / anders werden? Kann und darf ich nicht einmal auch einfach zufrieden mit mir sein?) ist nicht neu; es ist eine Gratwanderung, die durch Social Media, Globalisierung und anderes einfach eine intensivere Dimension erhalten hat.
Nun folgen die drei Spezialthemen, die wir bisher behandelt haben.
5. Weiterbildung. Eine Kombination von allem bisher Gesagten: Welche Weiterbildung für Sie passt, müssen Sie von Ihren Zielen ableiten – die Beiträge und Beispiele von real existierenden Personen in den Social Media können aber helfen, aussergewöhnliche Wege zu finden und sich für das richtige Angebot zu entscheiden.
Aber Achtung: Weiterbildung heisst ja nicht nur Seminare, Kurse und Diplome (off the job Ausbildung), sondern auch (oder vor allem, je nach Situation) on the job Lernen durch neue Aufgaben, andere Rollen, zusätzliche Projekte, Standortwechsel …. Dieses so wichtige on the job Lernen kommt in den Social Media auf den ersten Blick eher zu kurz (was zuerst ins Auge sticht, sind die in welcher Form auch immer durchlaufenen Unis, FHS und die entsprechenden Abschlüsse und Diplome); auf den zweiten Blick, wenn man sich in die Lebensläufe vertieft oder Push Meldungen bekommt („XY hat eine neue Funktion im Bereich …“), erschliessen sich auch die on the job Entwicklungen.
6. Wirkungsvolle Bewerbung. LinkedIn und Xing sind auch Jobbörsen / Stellenportale. In welchem Bereich Sie auch tätig sind, Sie werden tatsächlich aktuelle und relevante Angebote finden. Arbeitgeber (auch Banken) nutzen diese Kanäle ganz selbstverständlich, was Ihre Hemmschwelle (falls Sie eine haben), sich dieser Medien ebenfalls zu bedienen, senken sollte.
Spannender ist die Möglichkeit, gezielt nach Ihnen bekannten Personen zu suchen, die bei einem potentiellen Arbeitgeber beschäftigt sind, womit Sie zusätzliche Informationen für eine wirkungsvolle Bewerbung gewinnen können, oder informell an offene Stellen gelangen können.
7. Bewerbungsgespräch. Social Media, und hier speziell das Arbeitgeberbewertungsportal kununu, offerieren neue Möglichkeiten zur Vorbereitung des Gesprächs. Kununu hat unbestritten (auch wenn Sie die Erfahrungsberichte und Bewertungen nicht zum Nennwert nehmen) einen gewissen Unterhaltungswert. Darüber hinaus kann man aber durchaus – vorsichtig – Punkte erkennen, die im Bewerbungsgespräch angesprochen werden könnten. Wenn Sie die Erfahrungsberichte in Zusammenhang setzen mit den ebenfalls vorhandenen „offiziellen“ Unternehmensdarstellungen und Stellungnahmen (einzelne Arbeitgeber pflegen letzteres offensichtlich), ergeben sich allenfalls weitere Anhaltspunkte für’s Gespräch. Konkret: wenn ein für Sie wichtiger Punkt häufig negativ bewertet wird (beispielsweise Weiterbildungsmöglichkeiten), würde ich im Gespräch nach positiven Evidenzen für das Gegenteil fragen („Welche Weiterbildung sehen Sie als Teil einer Entwicklung in Ihrem Unternehmen …?“).
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Wir sind nicht auf Twitter, Facebook, Youtube, Google+ und weitere eingegangen, obwohl Arbeitgeber auch diese Medien aktiv nutzen und sie darum für unsere Zwecke der beruflichen Fitness im Sinne der Information (Stil, Kultur, Employer Branding) von gewissem Nutzen sein können. Allerdings: die Gefahr, dass Sie hier Dinge von sich preisgeben, die Ihnen später einmal unangenehm sind, ist gross.
Als Selbständigerwerbender (das ist ja immer auch eine grundsätzliche Option der beruflichen Entwicklung, auf die wir hier ein Auge werfen) kann es als Teil Ihres Internetauftrittes mehr Sinn machen, aktiv dabei zu sein; in diesem Fall aber würde ich allerdings etwas Geld investieren für einen professionellen Auftritt.
Nun also: Sie sind und bleiben seriöse Geschäftsleute, wenn Sie Social Media nutzen; lassen Sie sich nicht von der Sprache in gewissen Medien irritieren („Freunde“, „liken“,…), entscheidend ist, dass Sie etwas damit anfangen können. Dabei gilt wie in allen Netzwerken: Geben und nehmen, beides gehört zusammen. Zum Glück sind die Eintrittsbarrieren bei Social Media tief, das heisst Sie müssen wenig von sich preisgeben, um zu ersten Kontakten und Informationen zu kommen; jedoch – je mehr Sie später bieten, desto mehr werden Sie erhalten.
– Darum: nutzen Sie die Möglichkeiten der Social Media jetzt, auch wenn Sie glauben, es (noch) „nicht nötig“ zu haben. Fangen Sie mit LinkedIn und Xing an.
– Wenn Sie bei diesen Social Media schon dabei sind: Machen Sie mehr daraus, indem Sie kontrolliert aktiver werden, mit gegenseitigem Bestätigen von Kompetenzen auf LinkedIn (endorsements).
– Selbstverständlich vernachlässigen wir deswegen unsere realen Netzwerke nicht – im Gegenteil.
Vielen Dank für die Info über die Sozialen Netzwerke und ihren Stellenwert im Arbeitsmarkt.
Die Auftritte diverser „Heads of Whatever“ auf Xing und Linkedin sind oftmals mehr als nur peinlich. Und wenn dann einer dieser „Heads of Whatever“ die Stelle verliert, schreibt er „seeking new position“ oder sonst etwas. Damit macht man sich ja nur lächerlich. Das virtuelle Beziehungsnetz kann man vergessen. Gut sind persönliche Beziehungen. Aber die Idee mit „kununu.ch“ ist sehr gut und vermittelt bereits einen ersten Eindruck der Firma, für die man sich interessiert.
Diese Aussage kann ich bestätigen, bis jetzt haben mir LinkedIn und Xing nichts gebracht.