Peter Wuffli begründet hohe Entschädigungen / Boni mit der unternehmerischen Verantwortung des Top-Managements: „(…) top managers should rather be compared to entrepreneurs“ (Seite 83 seines neuen Buchs Inclusive Leadership) – und nicht mit Berühmtheiten aus Film, Musik und Sport.
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„After all, we were the ones betting our careers on a positive outcome.“ (Seite 83). Störend dabei dieses „we were the ones“, als ob das nicht auch für alle anderen gälte, die zwar nicht an strategischen Entscheiden beteiligt waren, sondern „lediglich“ an deren Umsetzung.
Zumal er später die Unterscheidung zwischen strategischen und operativen Aufgaben relativiert: „The distinction between these two types of tasks is very fuzzy and often leads to temptations for abuse.“ (Seite 184) – unter der Kapitalüberschrift „Doing Real Work“.
Ich habe sowieso Mühe mit gewissem Management-Jargon, etwa was „Verantwortung“ betrifft. Unter dem Stichwort „Meaningful Purpose“ schreibt Wuffli beispielsweise zur Partners Group: „(…) and we see ourselves as being responsible for the dreams of the over 100 million people who ultimately benefit from those investment results by way of increased prosperity.“ (Seite 163).
Das ist etwas zu viel Verantwortung aufs Mal; für meine Träume möchte ich selber zuständig sein. Als Slogan ist das trotzdem hervorragend, weil emotional sehr berührend und sicher motivierender als „den Gewinn um 30% zu steigern“ oder ähnliches.
Nebenbei: Auch der Personalchef ist nicht fürs Personal verantwortlich, sondern für gewisse Regulierungen, Prozesse; tönt halt gut, so viel Verantwortung.
„(…) entrepreneurial initiatives and performance of both owner entrepreneurs as well as professional managers should either be honored or penalized in an entrepreneurial way, dependent upon success and results.“ (Seite 84)
Wenn man dieses Credo beispielsweise der Entwicklung von Sauerborn oder UBS Deutschland generell gegenüberstellt, so fragt sich, wie das jetzt konkret zu bewerten wäre; und das lässt einen ziemlich ratlos zurück, zumal es sich hierbei ja nicht um Nebenschauplätze handelt.
„Should entrepreneurs be evaluated based on its success or on the intentions and mindset behind its ambitions?“ (Seite 109). Natürlich: Aus Fehlern lernt man, und Wuffli plädiert dann auch dafür, eine Mischung aus dem europäischen und angelsächsischen Ansatz der Fehlertoleranz zu leben.
Das hätte man dann aber auch bei Mathis Cabiallavetta berücksichtigen können. Und: Es darf nicht zur „Privatisierung der Gewinne und Sozialisierung der Verluste“ führen.
Der Versuch also, die Boni mit dem Vergleich von Top-Managern und Eigentümer-Unternehmern zu rechtfertigen, ist nicht nur wegen der oft unklaren Konsequenzen in Frage zu stellen.
Er überzeugt auch aus folgendem Grund nicht: Bankmanager konnten das Erbe antreten von während Generationen aufgebautem Kapital, Wissen, Brand-Value, Reputation; und der in der UBS oft zitierten Franchise, ja der hervorragenden UBS-Franchise. Zusätzlich wurde das unterstützt durch Faktoren, die den Banken gewissermassen mit in die Wiege gelegt wurden: stabile politische Lage, starke Währung, Bankgeheimnis (damals), plus Sonderfaktoren wie „too big to fail“.
Unternehmer dagegen, beispielsweise Peter Spuhler, der eine tote Industrie „neu erfand“, hatten nichts dergleichen, ausser auf dem Markt verfügbare Arbeitskräfte aus der ehemalige Lok-Industrie (der starke Schweizer Franken ist in diesem Geschäft ja nicht unbedingt ein gutes Verkaufsargument).
Und diese Fachleute brachten sinnvolle Innovationen hervor: Gelenktriebwagen halb so schwer und halb so teuer, verglichen mit älteren im Einsatz stehenden Fahrzeugen.
Wie steht es mit Innovation im Banksektor? Zu wenig davon, beispielsweise im Bereich Asset Management, wo Chancen zum Wachstum bestünden. Typisch auch, und vielleicht ursächlich für die Innovationsschwäche: Schweizer Assetmanager schätzen sich selber viel besser ein, als ihre Kunden sie sehen (NZZ, 19.1.2016).
Ist dieser Mangel an Selbsteinschätzung ein Grundproblem unserer Zeit, oder unseres Top Managements? Nicolas Hayek: „Die Manager wurden in ihrem Glauben sozialisiert. Sie sehen sich tatsächlich als Auserwählte.“ (Aus einem Flugblatt zur Abzockerinitiative)
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Darin findet sich auch folgendes Wuffli-Statement: „Ich verstehe die allgemeine Empörung. Einiges wird sich ändern müssen. Hohe Zahlungen für abtretende Topleute in einem Unternehmen in schwerer Schieflage sind nicht zu rechtfertigen. (…) So muss auch die Entlöhnung Sache der Eigentümer sein.“ (NZZ am Sonntag, 09.11.08)
Wuffli gab ja einen Teil seines Bonus zurück. „Many people were surprised by my decision, because I was one of the first in the financial industry to do this, but it made perfect sense to me and was consistent with the ethical framework I have chosen to follow along my life’s journey.“ (Seite 233)
So weit, so gut. Nehmen wir John Costas (der übrigens noch von der alten UBS unter Mathis Cabiallavetta eingestellt wurde) und seine Entourage, die „badly executed“ (Seite 33) mit DRCM; trotz ihres offensichtlich selbstverschuldeten Scheiterns bekamen sie noch unter Wufflis Verantwortung Millionen-Boni ausbezahlt.
Für diese Verträge wäre jetzt einmal die wirkliche Verantwortung eines Personalchefs gefragt gewesen, aber dazu findet sich nichts, nirgendwo.
Trügt einem das Gefühl, dass Wuffli das Richtige für sich selber macht, aber aus was für Gründen auch immer Manager, für die er ja auch eine gewisse Verantwortung trägt, sich kaum darum scheren?
Das Erstaunliche daran ist, dass dies ja nicht während möglichen Wirren einer Anfangsphase passierte, sondern nachdem Wuffli jahrelang Gelegenheit hatte, seine Führungsmannschaft entsprechend seinen Vorstellungen zu formen.
Durch die Anwendung seiner „Partnership Principles“ (Seite 146ff.), auf die wir in unserem dritten Teil eingehen, wären eigentlich die Voraussetzung vorhanden gewesen, dies zu erreichen.
Einer seiner „five major regrets“ bezieht sich vermutlich darauf: „I should have picked up warning signals earlier regarding the questionable character and motivations of some of my investment banking colleagues, and I should have acted upon them, regardless of the risk of disrupting the organiszation and losing talented people.“ (Seite 232)
Das ist starker Tobak, auch wenn Wuffli keine Namen nennt. Jedenfalls ist diese Erkenntnis (der letzte Teilsatz) aus strategischer HR-Sicht (Bonusgarantien und anderes) eine der wertvollsten und – wie vieles hier – über den besprochenen Einzelfall hinaus von allgemeingültiger Bedeutung.
Diese Allgemeingültigkeit stellt sich auch für folgende Frage: Kann der „Makel“ der extremen Manager-Entschädigung getilgt werden durch nachträgliches (oder ab einem bestimmten Level einsetzendes) Mäzenatentum (die Zuckerberg- und Gates-Beispiele gehören hier nicht dazu, weil das eben Eigentümer / Unternehmer sind)?
Meine klare Antwort ist: Ja und Nein. Nein, weil daraus Entwicklungen entstanden, die nur schwer umkehrbar sind (Überregulierung, Abzockerinitiative), der Ruf der Bankbranche lädiert und das Vertrauen geschrumpft ist – und das betrifft eben nicht nur das Top-Management, sondern alle Vertreter der Branche.
Ja, weil den Empfängern dieser Punkt wohl egal ist.
Generell hätte ich mir etwas weniger Rechtfertigung der Boni gewünscht und dafür eine vertiefte Auseinandersetzung mit den ökonomischen Folgen (die ethisch-moralische Sich noch schwieriger darzustellen und noch weniger fassbar).
Eine ökonomische Argumentation kann davon ausgehen, dass was mikroökonomisch (für den Einzelnen) gut ist, in manchen Fällen makroökonomisch (für das Unternehmen, die Wirtschaft, die Gesellschaft) negative Folgen haben kann.
Ich hätte eine solch ökonomisch begründete Bonusdiskussion an verschiedenen Stellen erwartet, beispielsweise bei „Limits to Partnership Approach“ (Seite 153), bei der Beurteilung der Kundenorientierung (Seite 170ff.) und des one UBS / one firm Konzepts (Seite 178), bei der Wirksamkeit des UBS Leadership Institutes (Seite 213).
Grosse Boni können das Silo-Denken fördern, sie erschweren die Zusammenarbeit über Grenzen („what‘s in for me?“) sowie die Integration, und sie binden Management-Kapazitäten. Eigentlich stehen sie vielem im Weg, was Inclusive Leadership ausmacht.
Und zum Schluss noch dies: Irgendwie vernebelt der Bonus unsere Köpfe, so wie die gelbe Schuhe tragenden Güllener in Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“ nicht mehr Herr ihrer selbst sind.
Im dritten und abschliessenden Teil, der morgen Freitag erscheint, fokussieren wir uns auf wichtige praktisch umsetzbare Elemente von Inclusive Leadership.
Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Dass ein Mann wie Wuffli das Wort Verantwortung überhaupt in den Mund nimmt, zeigt seine Überheblichkeit, denn wirkliche Verantwortung kennen diese de facto Immunität geniessenden Leute genauso wie Politiker schon lange nicht mehr. Wirkliche Verantwortung zeichnet sich darin aus, dass die Antwort auf Misserfolg zwangsläufig mit Konsequenzen auf persönlicher Ebene (nicht einzig jobbedingter Prestigeverlust) verbunden sein muss, z.B. Verlust des gewohnten Lebensstandards, Freiheitsentzug etc. ansonsten das Anreizsystem sich immer stärker korrumpiert.
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Es hat in der Schweiz leider Tradition, dass die grössten Versager in der Wirtschaft später als Professoren an Universitäten und Hochschulen berufen werden, um den Studenten gute Unternehmensführung beizubringen. Ich hoffe, Wuffli macht da eine Ausnahme und beschränkt sich auf das Schreiben von Büchern (die man gottseidank nicht lesen muss). Die Studenten werden es ihm danken!
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Oder umgekehrt.
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Wuffli ist einer der grössten Schönschwätzer, die mir in meinem Berufsleben begegnet sind. Er hätte sich besser um die Subprime Exposures gekümmert, anstatt darum, welche Farben in Präsentationen verwendet werden. Dazu kommt noch seinen Naivität bestimmten Menschen gegenüber, vor allem Amerikanern, die ihn mit ihrem Auftreten um den Finger wickeln konnten. Ehrliche Schweizer Krampfer, die sich nicht so produzieren und verkaufen konnten, hat er hingegen gerne abgekanzelt. Not very inclusive, if you ask me!
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Wuff-wuff, sagte der Wuffli, ouff-ouff stöhnten die Mitarbeiter.
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Was immer Wuffli schreibt, Tatsache ist:
Unter der Aegide Ospel/Wuffli und Kurer/Rohner stürzte der Marktwert der UBS von 210 Milliarden auf 40 Milliarden ab.
Rund 600 Milliarden Kundengelder wurden abgezogen.
Das Bankgeheimnis wurde mit der Lieferung von Kundendaten an den IRS zu Fall gebracht.-
Wufflis Buch sollte besser „All Inclusive“ heissen, statt Inclusive Leadership. – Wen interessiert Wufflis Elaborat überhaupt?
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Was immer Wuffli schreibt, Tatsache ist: Unter der Aegide Ospel/Wuffli und Kurer/Rohner stürzte der Marktwert der UBS von 210 Milliarden…
Wufflis Buch sollte besser "All Inclusive" heissen, statt Inclusive Leadership. - Wen interessiert Wufflis Elaborat überhaupt?
Wuffli ist einer der grössten Schönschwätzer, die mir in meinem Berufsleben begegnet sind. Er hätte sich besser um die Subprime…