Die meisten Leser kennen das mittlerweile zum Standardwerk im Risk Management aufgestiegene Buch „The Black Swan“ von Nassim Nicholas Taleb. Nach ein paar weniger erfolgreichen Büchern hat Talebs gerade erschienenes Werk „Skin in the Game: Hidden Asymmetries in Daily Life“ es auf Anhieb auf mehrere US-Bestseller-Listen geschafft.
Talebs Botschaft ist klar: Während die Leistungen von Fliessbandarbeitern über Nachwuchsforschern bis zu Klavierstimmern rigoros und nach eindeutigen Kriterien gemessen werden und diese bei Fehlern ihren Job los sind, können sich Makroökonomen, Politiker und Manager aus der Verantwortung stehlen und dem Markt, dem Umfeld oder Untergebenen die Schuld geben.
„Keinen Bonus bekommen“ ist kein Todesurteil. Ganz im Unterschied dazu sind wir in vielen Bereichen des täglichen Lebens vom Autofahren bis zum Überqueren der Strasse buchstäblich mit dem „Tod“ konfrontiert; ein Fehlverhalten unsererseits kann unsere Existenz in Sekundenbruchteilen auslöschen, entsprechend ausgeprägt ist unser „Risk Management“.
Diverse Studien und Benchmarks haben immer wieder gezeigt, dass Unternehmen, bei denen grosse Kernaktionäre „Skin in the Game“ haben (Unternehmerfamilie statt Staatsfonds oder anonymen Streuaktionären), dem allein an Rendite interessierten Aktionär überdurchschnittlich viel einbringen.
In den letzten 10 bis 15 Jahren Börsengeschichte kam eine neue Kategorie von Konzernen in die globale Topliga: von Gründern geführte Unternehmen von Microsoft bis Amazon, die dank Innovation und viel verfügbarem Kapital auf die Überholspur gelangten.
Sprich: Firmen, bei denen die Verantwortlichen als CEO und Hauptaktionär gleich doppelt „Skin in the Game“ haben.
Genau genommen sogar dreifach, denn im Gegensatz zu einem Start-up oder Jungunternehmer oder einer nicht mehr in den Medien stehenden Unternehmerfamilie haben diese Milliardäre längst das Stadium erreicht, bei dem es nicht mehr um Geld oder Macht geht, sondern um Ego und Image; da ist im Gegensatz zu einem Jungunternehmer oder im Hintergrund agierenden Unternehmerfamilien Scheitern keine Option mehr.
Nimmt man nun „Skin in the Game“ als Massstab, stellt der SMI einen „Gruselindex“ dar. ABB, Adecco, CS, Geberin, Givaudan, Julius Bär, LafargeHolcim, Lonza, Nestlé, Novartis, Richemont, Roche, SGS, Sika, Swatch, Swiss Life, Swiss Re, Swisscom, UBS und Zurich: Von allen erhält allenfalls Julius Bär ein paar Trostpunkte und Swatch ein paar richtige Punkte.
Der grosse Rest teilt sich so auf: Mindestens drei können sich einer Rettung durch den Staat ziemlich sicher sein. Addiert man noch Minuspunkte für CEOs, die nie das Handwerk der Firmenkerntätigkeit gelernt haben, sieht die Bilanz noch düsterer aus.
Wie sieht das beim DAX und dem österreichischen ATX aus?
Im DAX steht definitiv mehr „Skin in the Game“ drin (Fresenius, SAP, BMW, Continental), im kleinen ATX nur Zumtobel. Aber nicht an der Börse kotierte eigentümergeführte Milliardenunternehmen finden sich in unserem östlichen Nachbarland zuhauf.
Swarovski, Red Bull, das Immobilienimperium Signa (mit Ernst Tanner von Lindt&Sprüngli als Aktionär), der Glücksspielkonzern Novomatic, Magna (in Toronto kotiert).
„Skin in the Game“ ist für die Aktienauswahl ein sehr gutes Kriterium. Aus meiner Sicht eine sichere Wette, dass der SMI in dieser Konstellation auch im nächsten Jahrzehnt ein Underperformer mit einer Reihe Sorgenkindern bleibt, von ABB bis Zurich.
(Extrakt für Inside-Paradeplatz-Leser; Originalartikel mit Kommentar „Longterm-Investor“ und weitere Investmentsdetails, siehe Longterm-Investor.)
Eine kleine Anmerkung: Die Roche GS mögen im Streubesitz sein, die Inhaber liegen aber in festen Händen: Gründerfamilie 50+%, Novartis ( aus Vasellas Zeit ) 33%. Und die GS und I entwickeln sich in etwa paralell…
Das Gegenstück zu „Skin in the Game“ ist die klassische, im SMI zahlreich vertretene „Dividendenaktie“.
Diese vordergründig als defensiv gepriesene Aktienart hat nun alle Arten von finanziellen Optimierungen, die das bisher stets gesunkene Zinsniveau zuließ hinter sich und entsprechend schlecht ist seit 2015 mamgels organischem Wachtum (trotz einer wirtschaftlich stürmisch wachsenden Welt) die Performance von:
– BCDI – Werten: https://www.boerse.de/kurse/boersede-Champions-Defensiv-Index-BCDI–Aktien/DE000SLA3CD7
– Coca-Cola: http://financials.morningstar.com/ratios/r.html?t=KO®ion=usa&culture=en-US – Man beachte hier die wachsende Verschuldung und das sinkende Eigenkapital („hohe Eigenkapitalrendite“)
– Buffett – Liebling Kraft-Heinz: https://www.boerse.de/historische-kurse/Kraft-Heinz-Aktie/US5007541064
– Buffett – Liebling Mondelez: https://www.boerse.de/historische-kurse/Mondelez-International-Aktie/US6092071058
M. E. ist die Finanzoptimierung bzw. „Financialisation“ von großen, börsennotierten Unternehmen in der naiven Erwartung weiterhin ungefähr gleich bleibender (Markt-)Verhältnisse quasi eine Art Diebstahl an den Zukunftschancen des Unternehmens.
Vergleichbar wie Coca-Cola heute mit einem rückläufigem Markt für gesundheitsschädliche, zuckerhaltige Erfrischungsgetränke und gegen die Einführung von Zuckersteuern kämpft, war dies zuvor beispielsweise der Aktienrückkauf der Deutschen Bank AG vor der Finanz- und Wirtschaftskrise, deren Geschäftsmodell heute infolge von Regulierung und Niedrigzinsen leidet:
http://www.manager-magazin.de/finanzen/artikel/a-490159.html
Oder auch die ehemals fremdfinanzierte Übernahme und Belastung mit diesen Verbindlichkeiten durch Bain Capital und KKR des inzwischen wegen der preiswerteren Internetkonkurrenz insolvent gewordenenen Spielwarenhändlers Toys“R“Us:
http://money.cnn.com/2005/03/17/news/fortune500/toysrus/
https://www.theguardian.com/business/2018/feb/23/toys-r-us-faces-bankruptcy-putting-3200-jobs-at-risk