Die Credit Suisse hatte ein riesiges Kulturproblem – jeder hatte es gemerkt, keiner was getan.
Die Bank versäumte es, dieses professionell anzugehen. Wie wollte sie Vertrauen schaffen und Schranken für kurzfristig denkende Mitarbeitende setzen?
Die Anreizsysteme sind grundfalsch. Milliarden von Boni bei Milliarden an Verlusten.
Was immer jetzt konkret passiert: Die Credit Suisse ist so oder so zum Prototyp geworden für den Beweis des Satzes: „If you think compliance is expensive – try non-compliance“.
Die Bank hat sich foutiert um Regeln und Anstand – Mozambique schickt Grüsse.
Was ganz speziell befremdet, ist die nicht präventiv wirkendende und nicht nachvollziehbare Engelsgeduld der FINMA mit der Grossbank, die nicht wissen wollte, wie man sich korrekt organisiert.
Seit mehr als einem guten Jahrzehnt bietet die Bank Anschauungsunterricht dafür, wie man es nicht macht. Und dies bei einer prudentiellen Aufsicht.
Vielleicht wäre es angebracht, die Rolle der externen Revision (zunächst KPMG, dann PwC) zu hinterfragen.
Es kann den Prüfern nicht ernsthaft entgangen sein, dass nicht einmal dokumentiert war, wofür die 600 höchsten Mitarbeitenden der Bank verantwortlich sein sollten.
Der Verwaltungsrat hat aufgrund seiner Verantwortung hinsichtlich dieser Organisationspflicht ein ureigenes Interesse, müsste man annehmen.
In mir weckt das Zweifel daran, dass die Verwaltungsräte ihre Oberaufsicht über die mit der Geschäftsleitung betrauten Personen wirklich wahrgenommen haben.
Am 5. Dezember 2022 äusserte sich Axel Lehmann im SRF Eco Talk zur Frage der Unternehmenskultur.
Grundlage bildete dabei meine Kritik, dass dieser elementare Aspekt von der CS beziehungsweise dem Verwaltungsrat nicht thematisiert werde.
In seiner Antwort war ein den Anforderungen genügender tone at the top nicht zu hören. Vielleicht ist es der Tatsache einer dürftigen Rhetorik und eines technokratischen Wortschatzes geschuldet – ich weiss es nicht.
Lehmann sagte, wir wollen uns fundamental ändern, und sprach umgehend von Risikomanagement und Risikokultur.
Er scheint nicht erfasst zu haben, dass Unternehmenskultur weit darüber hinaus geht.
Sein Satz, er „tue lieber schaffe“, zeigt: Er scheint nicht verstanden zu haben, was in diesem Zusammenhang seine Rolle als Verwaltungsrat und als dessen Präsident im Besonderen ist.
Sich der Arbeit statt der Kommunikation zu widmen, lobt man beim Handwerker, aber in einer Grossbank macht nicht der Chef die Arbeit, sondern er führt.
Führung und Werte müssen sichtbar und hörbar kommuniziert sowie extern und intern überzeugend vermittelt werden.
Ein Handeln im „Off“ (das heisst nicht öffentlich) genügt keineswegs. Ein Verwaltungsratspräsident, der das nicht als unabdingbares Kernstück seiner Arbeit in der extremen Krise verstehen will – was soll man dazu sagen?
Es hätte einen brüllenden Löwen gebraucht, keinen Klopfspecht.
Zu den weichen Elementen der Organisation gehören die Führung und die strategische Anleitung durch den Verwaltungsrat (high level leadership).
Das beinhaltet, dass Grundsätze vom VR öffentlich vertreten und vorgelebt werden müssen (tone at and from the top), um die notwendige Glaubwürdigkeit und Durchsetzungskraft zu verleihen.
Es geht diesbezüglich um das sogenannte „Kontrollumfeld“ und die essentielle Rolle der Unternehmenskultur; es geht um das Herz der Institutionen-Ökonomik.
Damit sollten die intrinsische Motivation und die Verantwortung aller Mitarbeitenden, insbesondere der Geschäftsleitung optimiert werden.
Und nicht mit Boni für „Risikoträger“, die keine sind und die den Bonus als Fetisch behandeln, an dem sie ihr Handeln ausrichten.
Ein VR-Präsident ist der Primus inter Pares. Er übernimmt die organisatorische Leitungsrolle im Verwaltungsrat und stellt eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen VR und Geschäftsleitung sicher.
Er ist nicht nur das Gesicht, sondern müsste der prägende und wahrgenommene Tonträger hinsichtlich Integrität und Regeltreue sein. So sähe Leadership aus.
Gerade bei der von einer nicht enden wollenden Serie von Skandalen geprägten CS wäre das nach allen Seiten vertrauensbildend.
Letztlich ist die Credit Suisse an den Abgrund gelangt, weil sie bewiesen hat, dass ein „anything goes“ sehr lange hingenommen wurde.
Nicht nur intern. So hat sie ihren funktionalen und sozialen Ruf zerstört und das Vertrauen verloren.
Mit weiteren kommunikativen Fehlleistungen in diesem Jahr hat sie das schlechte Bild einer Abzockerbank fixiert. Zum Vergessen.
Henry Kissinger sagte: „An issue ignored is a crises ensured“.
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Die Angelegenheit erinnert mich an Ereignisse 2015 in Österreich. Dort sollten ebenfalls Verbindlichkeiten einer Bank abgeschrieben werden https://rdb.manz.at/document/ris.vfght.JFT_20150703_14G00239_00 ; immerhin sollte dies per Gesetz und nicht einfach durch die Regierung per „Notrecht“ vorgenommen werden. In Österreich existiert glücklicherweise ein Verfassungsgerichtshof, der den Widerspruch dieses Gesetzes gegen den Schutz des Privateigentums und die Europäische Menschenrechtskonvention erkannte und das Gesetz aufhob. Wie wäre die Rechtslage in der Schweiz? Kann das Bundesgericht solches angebliche „Notrecht“ wieder aufheben bzw. vom Anfang an für unwirksam erklären?
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Sehr geehrter Herr Liedermann
Ihre Fragestellung ist sehr wichtig. Sie erinnern sich wie während Jahrzenten p.a. CHF 450 Millionen (MwSt.) vom CH-Parlament in Bern der AHV vorenthalten wurden, oder?. Das hatte alt Bundesrat Villiger 1999 so genial aufgegleist!. Über all die Jahre waren es dann über 10 Milliarden CHF die der AHV entzogen wurde bis (2020). Das CH-Parlament verstösste somit jedes Jahr gegen die Verfassung. Jeder von uns hätte vor dem Verfassungsgericht dagegen klagen können. Leider ist die Schweiz eines der wenigen Länder in Europa, die kein Verfassungsgericht kennt und letztlich wurde das Ganze – sehr spät – mit einer Abstimmung gestoppt. Soviel zu alt Bundesrat Villiger, FDP und angeblichen Direkten Demokratie.
Sie erinnern sich auch, wie die FINMA auch die Vorgänge um die PK Prämien und Leistungen u.a. der IV untersucht und all das obszöne scheffeln für normales „Geschäften“ eingestuft hatte, oder?. Da ging es um die Jahre 2003 – 2012 und Einnahmen von 23 Mrd. sowie Leistungen von 11 Mrd. also um Rendite von 55% über 9 Jahre und die PK und IV Leistungen für hunderte tausende Arbeiter.
Im gleichen Zeitraum, erinnern Sie sich vielleicht, wie man die «Scheininvaliden» und «schmarotzenden Sozialhilfebezügern» durch das unser Land hetzte und wie sich eine willfährige Meute von Abstimmungsberechtigten Schweizern ausgesprochen hat die oben erwähnten Volksschädlinge gerecht zu bestrafen und egal wie krank und behindert auf Arbeitssuche zu schicken. Von den Profiten der privaten PK und IV Versicherungen redete in dieser Zeit kaum jemand… doch dort finden sich die schwarzen Zahlen während man die Arbeiter auffordert noch ein paar Jahre länger zu arbeiten, die Jungen auf die Alten hetzt weil man das alles nicht mehr bezahlen kann und wir über unsere Verhältnisse gelebt haben…
Grüsse
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Sehr geehrte Frau Roth. Sie bringen es auf den Punkt.
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Wenn man dem linken Lager Wähler zuführen will, dann hat die CS hier ganze Arbeit geleistet. Wenn ich richtig interpretiert habe, hat das Top-Management in 10 Jahren 3 Milliarden Verlust produziert und dafür 30 Milliarden Bonus bekommen. Milchbüechli-Rechnung: Hätten Sie auf 10 % der Boni verzichtet, wäre wenigstens ein schwarze Null dagewesen.
Ist so etwas nicht kriminell? Wer ein Geschäft – vielleicht aus edlen Gründen – weiterbetreibt, obwohl er zahlungsunfähig ist, macht sich strafbar, mindestens hier in Tschechien (ob das in der Schweiz auch so ist, weiss ich nicht sicher). Wer sich Bonus auszahlt, ohne dass der Firma ein Profit enstand, geht straffrei aus?
Vielleicht sehe ich gewisse Sachen zu einfach, aber ich will diese Schweinerei gar nicht „komplex“ betrachten. Wer wirft endlich den ersten Stein (symbolisch gemeint ..)? -
Die sogenannten weichen Faktoren sorgen für besonders harte Landungen,wenn man sie nicht berücksichtigt weil man dafür keine Sensorik hat.
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Depotstimmrecht abschaffen!
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Jetzt noch mehr bla-bla.
Compliance muss man auch richtig einsetzen können. CS hat auf micro compliance gemacht, wie viele andere Banken. Auf kleine Details rumgehackt und grosse Probleme nicht gesehen. Compliance sind aber meistens kleine Beamte die vom Geschäft wenig verstehen. Das Gute gerne verhindern und das Grosse nicht sehen. Das Compliance Angestellte einen Bonus erhalten ist meines Erachtens „not compliant“!!!!
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Die Beschreibung des Sachverhalts trifft auf alle Unternehmen zu, die reguliert werden oder dem Bund durch Eigentumsverhältnisse nahe stehen. Wenn die Bevölkerung nur im Ansatz wüsste, was in den Bundesbetrieben an Ignoranz ggü. wertschöpfenden Ansätzen abgeht, dann flöge das Konstrukt Schweiz mit einem Knall auseinander. Jährliche 22+ Franken-Dividenden hin oder her.
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Sehr guter Artikel, herzlichen Dank, Frau Roth! Kleine Nebenbemerkung an Herrn Hässig: Sehen Sie, es gibt trotz Ihres Zweifels sehr fähige Personen weiblichen Geschlechts!
Wenn man auf Stufe Managing Directors mit CS-Vertretern zu tun hatte, fiel immer auf, dass der hierarchischen Struktur eine sehr hohe Bedeutung bei der Credit Suisse zukam. Bei Kundenmeetings – wo ich als Berater die Kundenseite unterstützte-, trabten immer ein Heer an „wichtigen“ Personen auf. Die Visitenkarten waren spätestens nach drei Quartalen veraltet, da die Organisationseinheit sicher in dieser Zeitspanne änderte (mit der Begründung, man wolle näher beim Kunden sein; als ob es für den Kunden wichtig sei, in welcher Einheit die gewünschte oder gekaufte Dienstleistung erbracht wird).
Wir befinden uns nun in einem Dilemma: wird die Credit Suisse von der UBS übernommen, laufen wichtige institutionelle Anleger Gefahr, höhere Preise für dieselbe Dienstleitung bezahlen zu müssen, weil der harte Wettbewerb zwischen der CS und UBS nicht nicht mehr spielt. Und dies nur, welche die CS-DNA im Topmanagement eine toxische war.
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Bla bla bla
Die Altlasten gibt es schon seit 10 Jahren. CS Schweiz ist profitable und die neue Spitze kann nicht zaubern. Die USA nutzt doch das auch als Druckmittel gegen die Schweiz wegen der Neutralität zum Ukrain-Krieg. Jede Wirtschaftskrise ist der USA geschuldet. -
Die CS ist das eine, die Pfeiffen im BR das Andere.
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Wie wahr! Und wann werden diese zur Rechenschaft gezogen? Für den angerichteten Schaden wird wie immer der Steuerzahler aufkommen müssen (ohne Bonus oder eben mit Malus).
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Unfähigkeit ist das eine, kriminelles Handeln, resp. solches nicht unterbinden, das andere.
Dass das Bonussystem der Banken kontraproduktiv ist, sollte mittlerweile jedermann klar sein. Aber ebenso falsch ist, dass bei Fehlverhalten die Bank mit Milliardenbussen bestraft wird, die Übeltäter und die Verantwortlichen jedoch praktisch nie zur Rechenschaft gezogen werden. Leute, die ob ihrer „Verantwortung“ Millionen-Saläre beziehen, sollten bei Misswirtschaft mit ihren Vermögen haften und bei kriminellen Machenschaften auch strafrechtlich verfolgt werden. -
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Ich stimme zu, allerdings sollte die strafrechtliche Verfolgung, wie zum Beispiel bei Autofahrern oder Hundehaltern, auch bei Fahrlässigkeit möglich sein. Antrag auf Strafverfolgung sollte die Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit bei der Staatsanwaltschaft stellen können.
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Wow, klare Worte. Es würde sicher viele interessieren, ob die Verantwortlichen der letzten 10 Jahre zur Rechenschaft gezogen werden können.
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Liebe Frau Roth, Sie haben leider keine Ahnung von der „externen Revision“. Die Aufgabe einer externen Revision ist es nicht, den Geschäftsgang zum Guten zu wenden. Die externe Revision hat lediglich die Korrektheit des Abschlusses, den Entscheid über die Gewinnverwendung sowie das Vorhandensein des internen Kontrollsystems zu bestätigen. Besuchen Sie doch einen Einführungskurs zu den rechtlichen Grundlagen des Revisonswesens. Wenn Sie etwas daran ändern möchten, müssen Sie zuerst über das Parlament gehen. Aber hier irgendwelche Revisionsgesellschaften anzuschwärzen, ist massiv fehl an Platz.
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Teil des IKS ist auch das Risiko-Management. Und bei der Revision des IKS muss somit geprüft werden, ob das Risiko-Management qualitativ und quantitativ den Risiken des Geschäftsbetriebs entsprechen.
Ich behaupte mal, dass die meisten Firmen ein Schönwetter-Risiko-Management betreiben und viele Revisionen auf diesem Auge super kurzsichtig sind.
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Wo war denn das „interne Kontrollsystem“ z.B. im Fall Greensill?
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Das ist das traurigste Kapitel Schweizer Geschichte. Ich schäme mich für diese Nieten.
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Die Besserwisser sind so schädlich wie die Versager
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In Meilen suchen sie noch einen Bademeister. Aber dies ist den feinen Bankster wohl zu wenig.
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Würden Sie ihre Kinder einem solchen Bademeister anvertrauen?
Der misst zwar die Temperatur des Wassers und gibt Weisungen zum Sonnenschutz.
Aber die Badenden werden nicht beaufsichtigt…
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wieder mal ein Kommentar von Loomit, welcher es in sich hat. Chapeau. Könnte es nicht besser.
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Aufgabe des Bademeisters ist es, beim Ablassen des Wassers festzustellen, wer keine Badehose anhat. Diese Funktion war offenbar leider längere Zeit vakant.
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In Meilen suchen sie noch einen Bademeister. Aber dies ist den feinen Bankster wohl zu wenig.
Unfähigkeit ist das eine, kriminelles Handeln, resp. solches nicht unterbinden, das andere. Dass das Bonussystem der Banken kontraproduktiv ist, sollte…
Wie wahr! Und wann werden diese zur Rechenschaft gezogen? Für den angerichteten Schaden wird wie immer der Steuerzahler aufkommen müssen…