Das Gespräch im SonntagsBlick mit Colm Kelleher ist eine Bombe. Der UBS-Chairman, also der Kapitän der übermächtigen Schweizer Grossbank, äussert zum ersten Mal höchst Brisantes.
Nämlich, dass der oberste Bankenpolizist im Finanzland Schweiz, die Finma, komplett versagt hat im Fall Credit Suisse.
„Wenn ich solche Briefe der Bankenaufsicht bei Morgan Stanley oder UBS erhalten hätte, hätte ich gesagt: Leute, wir haben ein Riesenproblem“, sagt Kelleher im zentralen Teil des Gesprächs.
„Die Tatsache, dass die Credit Suisse diese Briefe erhielt und nichts oder zu wenig unternommen hat, ist unfassbar.“
Die Aussage beinhaltet alles, was man zum CS-Fiasko, das im Frühling vor einem Jahr die ganze Schweiz an den Rand eines feurigen Vulkans geführt hatte, wissen muss.
Es waren die Finma und ihre Chefs, die den Bonus-getriebenen CS-Masters of the Universe jeden noch so grossen Trick und Missgriff durchgelassen hatten.
Diese frisierten die Bücher. Das wusste die Finma, aber es waren die USA, die damit auf den Putz hauten.
Sie gaben sich Milliarden-Boni, ohne je das dafür nötige Geld zu verdienen. Die Finma gab ihren Segen dazu.
Ihre Unterstellten schädigten das mausarme Mosambik, wuschen Drogengeld der bulgarischen Mafia, gingen mit einem vorbestraften Südkoreaner mit 10 Milliarden ins Risiko.
Die Finma reagierte zahm. Gleich wie im Greensill-Fiasko, mit dem die CS ihren Ruf bei den Reichsten unter den Kernkunden aufs Spiel setzte.
Die Finma ist nicht Schuld am grössten Firmen-Untergang aller Zeiten einer Schweizer Firma. Aber sie hätte die nötige Notlösung am Ende verhindern können.
Das geht heute aus den Äusserungen Kellehers hervor. Der hat als VR-Präsident jener Firma, welche die CS übernommen hat, Einblick in alle E-Mails, Briefe und anderen Geheimnisse.
„Seit 2015 war es für mich offensichtlich, dass die Credit Suisse als eigenständiges Unternehmen nicht mehr überlebensfähig sein wird“, führt Kelleher gegenüber dem SonntagsBlick aus.
„Ihre Zukunft lag damals in meinen Augen in der Fusion mit einer anderen Bank. Ab Oktober 2022 bestand ihre Zukunft aus meiner Sicht nur noch in einer Notrettung.“
Dann kommt’s: „Ich verstehe also nicht, warum man acht Jahre gewartet hat, wenn ab 2015 die Warnzeichen da waren.“
Als obligater Disclaimer folgt, dass es „primär die Verantwortung des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung der CS“ gewesen sei, „das Ruder radikal herumzureissen“.
Doch das Neue – und Hochexplosive – ist die unmissverständliche Kritik des Wallstreet-Topshots, der seit zweieinhalb Jahre die UBS in letzter Instanz befehligt, an der Schweizer Aufsicht.
Während diese Briefe schrieb, bereitete sich Kelleher auf den Notfall vor.
„Ich kam im März 2022 zu UBS. Das Erste, was ich tat, war, eine Arbeitsgruppe zusammenzustellen, die sich auf den Fall CS vorbereiten sollte.“
Es sei nicht um das Geschäft des Jahrhunderts gegangen. „Wir waren wirklich besorgt, dass etwas passieren könnte.“
„Wenn also wir uns Sorgen gemacht haben, warum dann nicht auch andere? Ein unkontrollierter Untergang der CS hätte auch UBS viel Geld gekostet.“
Warum nicht auch andere? Die Kernfrage im Drama, gestellt von einem Angelsachsen, en passant, in einem Gespräch, bei dem es um noch viele andere Themen geht.
Gemeint ist die Finma, die sich seit der grossen UBS-Krise im 2008 von 300 auf 600 Leute verdoppelt hatte. Warum hat sie sich nicht wirklich Sorgen um die CS gemacht, und zwar rechtzeitig?
Deren „Waffenarsenal“ hat sich in den Jahren vor dem CS-GAU vervielfacht, mit Finig, Finfrag, Fidleg und wie die unzähligen neuen Gesetze und Regulatorien alle heissen.
„Die Finma sagt, sie hatte nicht die gesetzlichen Befugnisse, um durchzugreifen“, kontern die SonntagsBlick-Frager. Darauf Kelleher:
„Andere Aufsichtsbehörden haben mir in der Vergangenheit gesagt: Colm, wenn du das hier nicht in Ordnung bringst, kriegst du Probleme. Das ist, was Regulierungsbehörden tun.“
Nicht die Finma. Sie schrieb Briefe. Einen nach dem anderen.
Und am 19. März 2023, als die Escher-Bank nach 167 Jahren von der Bildfläche verschwand, strich die Bankenaufsicht mir-nichts-dir-nichts 17 Milliarden Dollar Wandel-Obligationen.
Sonst hätte die UBS den Deal nicht wie gewünscht vollziehen können, meinte Kelleher in einem früheren Interview mit der NZZ.
Die 17 Milliarden Dollar könnten je nach Ausgang der rund um den Globus laufenden Gerichtsprozesse noch zu einer Milliarden-Forderung gegen die Schweiz führen.
Am Ende müsste Bern zahlen – mit dem Ersparten seiner Bürger.
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Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Kluge Strategie von Colm.
Er liefert der FINMA die Begründung, beim Eigenkapital nochmals eine Schippe draufzulegen.
Und auch sonst noch etwas genauer hinzuschauen.
Vielleicht wäre das aber ohnehin keine so schlechte Idee.
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Where is Lara Waner and Homa Siddiqui now? Gone into the sunset with their tail tucked between their legs and far too busy to actually answer questions about how this all happened.
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Die UBS hätte die Credit Suisse nie übernehmen sollen. Wetten?
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Entgegen Ihrer Überzeugung sind Sie einfach nicht witzig. Bingen Sie mal einen Namen ohne Bezug auf Loomit.
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An sich nichts Neues. Das Problem heisst Staat und Amstad.Der unermessliche Schaden beim Ruf der Schweiz und des Swiss Banking, kann noch schlimmer werden, wenn auch die UBS versagt. Nach all den kleinen IT Problemen im telebanking befürchte ich dass die UBS in ernster Gefahr ist. Man stelle sich nur vor, dass es einem Hacker gelingt die UBS Kundendatei zu usurpieren.Daran denke ich manchmal.Ueberraschen würde es mich nicht.Bei Uebernahmen ist alles möglich und den Chefs gebe ich keinen Kredit.
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2 Fragen:
A Übersetzungsfehler oder ‚geschönt‘: „……die sich auf den Fall DER CS vorbereiten sollte.“ ?B Wer verordnet der Finma, was sie zu tun und vor allem, was sie NICHT tun darf ?
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Eine Frau (Finma-Präsidentin) öffentlich derart hart mit Fakten zu kritisieren, braucht heutzutage schon Mut.
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… Luki hängt an der Rad- WM ab.
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Ja ja diese Schweizer, können sie es wirklich besser? Denke nicht. Das Swissness-Sterben begann mit Swissair. Der damalige VR, CEO und alle Mitarbeiter dachten wirklich, dass man mit Arroganz die Besten sein können 🙄 Wohl nicht. Leider haben alle CH-Chefs aus dieser Dummheit Nichts gelernt. Das Sterben geht weiter, leider 🤷♂️
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Hochmut kommt vor dem Fall… Finde seine Aussagen doch etwas arrogant.
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Ich habe ein Gespräch gehört, die Leute sagten, man dürfe nicht vergessen welcher Wirtschaftsprüfer jahrelang für die CS Haupt-Auditor war und wo diese Wirtschaftsprüfer heut zutage zum Teil arbeiten.
Wir sind doch alle Freunde, oder. -
Kelleher ist geerdet, wie damals Senn & Co.. Was ist in 10 Jahren? Boni verderben Banken früher oder später. Da die Schweiz zu klein ist, muss für die UBS ein Trennbankensystem her. Das wird aber nicht kommen, da fette Steuereinnahmen die schönste aller Schweizer Freuden ist.
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Die Finma ist schon seit Jahren unnütz. Gehört m.E. sofort aufgelöst.
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Warum soll die Schweiz mit Steuergeldern zahlen?
UBS hat ja den Deal des Jahrhunderts gemacht! Genau betrachtet Assets ohne Leute 😉
Die UBS hätte die Credit Suisse nie übernehmen sollen. Wetten?
Eine Frau (Finma-Präsidentin) öffentlich derart hart mit Fakten zu kritisieren, braucht heutzutage schon Mut.
Kluge Strategie von Colm. Er liefert der FINMA die Begründung, beim Eigenkapital nochmals eine Schippe draufzulegen. Und auch sonst noch…