Nicht nur ein bisschen besser – nein: richtig. Mit Glanz in den Augen und Zivilcourage in der Brust.
Ich wollte einer werden, der in Talkshows sitzt und sagt: „Wir müssen Brücken bauen, keine Mauern.“
Ein schöner Satz. Leider führen viele dieser Brücken direkt zurück zur eigenen Blase – und dort wartet schon der nächste Brunch mit Gleichgesinnten.
Am Anfang war ich hoch motiviert. Ich las Bücher mit Titeln wie „Das Ego loslassen“ und „Wie man auch ohne Millionen überlebt“.
Ich löffelte Sojajoghurt und versuchte, in jedem Menschen das Gute zu sehen – selbst im Typen mit Pelzmantel auf dem E-Trottinett.
Ich sagte mir: Du wirst weich. Du wirst warm. Du wirst … woke. Oder so etwas in der Art.
Doch dann traf ich auf die Elite. Die wirkliche. Nicht die mit Reichtum und Macht – sondern die moralische Elite.
Jene Leute, die sich gegenseitig zum Nachhaltigkeitsbrunch einladen, wo der Kaffee aus handverlesenen Bohnen stammt, die von genderneutralen Kooperativen bei Neumond gepflückt wurden.
Leute, die bei jedem zweiten Satz „Komplexität“ sagen und bei jedem Problem „System“ murmeln – als wär’s ein Zauberwort.
Sie trugen Kaschmir mit Haltung, redeten vom Klima wie andere vom Wetter – nur mit mehr Betroffenheitsvokabular.
Und wenn man sie fragte, was sie eigentlich arbeiten, lächelten sie nur verschwörerisch: „Ich wirke.“
Es war mir schleierhaft, ob sie meinten, sie seien Lichtarbeiter oder einfach nur gut vernetzt bei Pro Helvetia.
Ich, der ich dachte, Satire sei ein Beitrag zur Demokratie, merkte plötzlich: Ich bin kein besserer Mensch.
Ich bin bloss ein Mensch, der gern ein bisschen stichelt, wenn der Schaumwein der Besserverdiener wieder mal als „Vergärungsprodukt mit solidarischer Vision“ verkauft wird.
Auch die Linken machtens mir nicht einfacher. Immer diese Aufrufe zu Solidarität, während sie gleichzeitig jeden moralisch abwatschen, der beim Wort „Verzicht“ nicht spontan Beifall klatscht.
Und wehe, man sagt im Tram laut „Gutmensch“ – da kriegt man Blicke, als hätte man Bio-Tofu mit Ketchup gegessen.
Ich versuchte wirklich alles. Ich wollte dazugehören, besser sein, irgendwie erleuchtet. Aber am Ende sass ich wieder da:
Mit einem halbgetrunkenen Bio-Kräutertee, einem steifen Nacken vom ganzen Nicken und dem Verdacht, dass ich einfach nicht gemacht bin für dieses neue Bessersein.
Ich bin keiner von denen, die in Davos Vorträge halten über Ethik, während sie auf dem Nebengleis ihr Vermögen in Liechtenstein parken und mit dem Privatjet zur nächsten Klimakonferenz jetten.
Ich bin einer, der seine Steuererklärung selber macht – mit Schweiss, Wut und der stillen Hoffnung, dass es niemand kontrolliert.
Ich bleibe, wie ich bin. Ein besserer Mensch auf Probe.
Mit klarer Meinung, leichtem Überdruck und der unerschütterlichen Hoffnung, dass ein Funken Ehrlichkeit und ein bissiger Witz mehr bewirken als jede glattgebügelte PR-Offensive der Anständigen. Denn wer über die Elite nicht lacht, wird irgendwann ihr Pressesprecher.
Kommentare
Die beliebtesten Kommentare
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Hanspeter Gautschin, wo haben Sie vorher geschrieben? Oder sind Sie eine neu entdeckte Perle?
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> Ich sagte mir: Du wirst weich. <
Was Sie dann ja auch geworden sind, wie dieser weinerliche Artikel trefflich zeigt. Wie kann man sich vom woken Kindergarten so aus dem Konzept bringen lassen?!
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Wenn du ein besserer Mensch sein willst, folge den Geboten der Schöpfung und nicht den Geboten der Menschen.
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„ich wirke“
🤣🤣🤣 Sehr geil -
Linke werden nie verstehen, dass man der Gesellschaft und sich selbst am besten dient, indem man fleissig arbeitet. Sie sind ständig auf der Suche nach dem besseren Ich, statt sich über den Lohn der fleissigen Arbeit zu freuen und darüber hinaus dankbar zu sein, was menschlicher Fleiss und Erfindergeist an Wohlstand hervorgebracht hat. Am Ende ihres Lebens ärgern sie sich dann, dass sie eigentlich nie gelebt haben.
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Ich weiss nicht Wörnli, Arbeit allein kann‘s auch nicht sein…
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Naja, Wörni, wenn schon nicht gelebt, so hast du doch gearbeitet.
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Was stört Sie am Bild des pelztragenden E-Trottinettfahrers? Der Pelz oder das Fahrzeug?
Herr Gautschin, Sie befassen sich fast ausschliesslich mit der Gesinnung der Anderen. Können Sie es besser?Erinnert mich an die Partei, die sich vorzugsweise mit dem Vermögen der Anderen befasst, statt selber für welches zu sorgen.
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Her Gautschin, ich bewundere Sie. Ein Soja-Joghurt ist etwas vom scheusslichsten, was die Welt bislang erfunden hat. Und Sie löffeldn das einfach so …
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Lieber Herr Gautschin
Herzlichen Dank für Ihren herrlichen Text. Sie und Herr René Zeyer sind eine Bereicherung für Inside Paradeplatz. Bitte weiter so! -
Wer, wenn denn nicht der Herr Gautschin, müsste eine Erklärung haben, was dieses ominöse „woke“ als Kondensationskern der Empörung über jedwede eingegebene Frustration, Unsicherheit, Kränkung und Hinabsetzung eigentlich bedeuten soll? Schliesslich ist er ja gegen Etiketten.
Aber eben. Er macht sich damit ja gar nicht über die Mächtigen lustig. Und wirkt deshalb ebenfalls nicht – und schon gar nicht nachhaltig. Aber das ist ja auch ein Anspruch. Gutmenschlichkeit braucht es dazu tatsächlich nicht.
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Es wird bei Herrn Gautschin thematisch langsam etwas eintönig.
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Er sollte vielleicht den Titel ändern zu „Mein Weg zum Cringeness-Award“.
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Du kommst im Leben weiter, wenn du zuerst davon ausgehst, dein Gegenüber ist ein Idiot und lässt dich dann vom Gegenteil überzeugen, was leider nicht oft vorkommt.
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Ich bin der unguteste aller Ungutmenschen.
Ich rauche Zigarren in der Gartenwirtschaft.
Ich lache nicht über die Elite. Ich neble sie
ein. -
Einfach nur wohltuend!!!!
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Sehr gut – ich fasse folgendermassen zusammen:
Der Gutmensch ist ein ‚Sittenwächter‘, der seine Moral und Ethik den andern Menschen aufzwingt. -
Klarstellung…
Untenstehender Klarstellung darf man glauben…
…genauso wie fliegenden Einhörnerinnen. -
„Denn wer über die Elite nicht lacht, wird irgendwann ihr Pressesprecher.“
Danke für diese Perle!
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Da bist du ja auf dem besten Weg dazu, Felsasepp.
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Bravo 👏
Sehr gut - ich fasse folgendermassen zusammen: Der Gutmensch ist ein ‚Sittenwächter‘, der seine Moral und Ethik den andern Menschen…
"Denn wer über die Elite nicht lacht, wird irgendwann ihr Pressesprecher." Danke für diese Perle!
Bravo 👏