Bis zum 30. September 2015 müssen alle Selbstanzeigen bei der „Agenzia delle Entrate“ (italienische Steuerbehörde) deponiert sein. Rossella Orlandi, Direktorin der Agenzia delle Entrate, hat letzte Woche bekanntgegeben, dass bis heute 14’118 Selbstanzeigen via Internet eingereicht wurden. „Wir haben viele wertvolle und bisher geheime Daten erhalten, von denen wir bis anhin nur träumen konnten“, sagte die Spitzenbeamtin erfreut.
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Dieses Statement hat viele Unternehmer mit Schwarzkonten erschaudern lassen, denn die gelieferten Unterlagen werden einige in den finanziellen Ruin treiben. „Wer jetzt nicht mitmacht, darf keine Gnade mehr erwarten“, drohte denn auch Frau Orlandi.
Die Voluntary Disclosure Italiana scheint im letzten Moment also doch ein Erfolg zu werden. Das sah lange nicht danach aus. Bis Ende Mai waren nicht einmal 1’000 Selbstanzeigen eingetroffen.
Erst seit drei Wochen melden sich bei mir jeden Tag zwischen drei und zehn Kunden, während vorher nur zwei bis drei Mandate hereinkamen – pro Woche.
Die „Commercialisti“ (Treuhänder) in Italien arbeiten Tag und Nacht. Berge von neuen Bankstatements überfluten ihre Büros. Nach einer Umfrage von „Il sole 24 ore“, der Financial Times von Italien, sind 80 Prozent der Fälle immer noch pendent, da die Treuhänder auf unerwartete Schwierigkeiten mit den Berechnungen und dem Einsammeln der Bankunterlagen gestossen sind.
Die Berechnung der Steuerfolgen strukturierter Produkte und Hedgefunds, die in Italien nicht zugelassen und wenig bekannt sind, bescheren ihnen Kopfzerbrechen. Viele sind überfordert. Das Gesetz und die Vollziehungsverordnungen sind kompliziert und zum Teil widersprüchlich.
Gemäss der erwähnten Umfrage liegen 8 von 10 Fälle weiterhin unerledigt auf dem Tisch. Viele „Commercialisti“ nehmen gar keine neuen Fälle mehr an, weil sie Angst vor den Risiken haben. Deshalb haben die Präsidenten der Finanzkommission von Senat und Parlament eine Fristerstreckung bis ins kommende Jahr gefordert.
Alle Beteiligten unterstützen dies, doch konkrete und offizielle Schritte gibt es noch keine. Meines Erachtens wird eine Fristerstreckung zwar kommen, allerdings erst in der allerletzten Minute, wie immer in Italien.
Das Gesetz ist kompliziert. Um das Selbstanzeigeprogramm zu retten, hat die Agenzia delle Entrate in letzter Minute vier Rundschreiben erlassen, die Klarheit schaffen und Widersprüche beseitigen sollen. Wäre diese Rettungsaktion der italienischen Steuerbehörde früher gekommen, hätten viel mehr Steuergelder eingesammelt werden können.
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Franco Citterio, Direktor der „Associazione Bancaria Ticinese“, also des Tessiner Bankenverbands, fasst die Position seiner Mitglieder so zusammen: „Wir Schweizer Banken begrüssen die Voluntary Disclosure. Wir unterstützen und begleiten unsere Kunden im Prozess der Offenlegung“.
Meine Erfahrungen mit den hiesigen Banken ist eine andere. In vielen Fällen musste ich via Einschreiben abmahnen, um an die Unterlagen zu kommen. Für kleine Konten unter einer Million Franken musste ich zwei bis vier Monate warten, bis die die Bank die verlangten Dokumente zustellte.
Kleine Konten mit unversteuerten Geldern werden über so genannte „Exit Desks“ zusammengefasst und unpersönlich betreut. Ich musste mich vielfach mit temporär eingesetzten Arbeitskräften mit wenig Bankerfahrung herumschlagen, die sich zum Teil sogar weigerten, ihren Namen bekannt zu geben. Der mir vom Kontoinhaber genannte Kundenbetreuer ist meist spurlos verschwunden.
Ausser bei grossen Konten. Dort sieht es ganz anders aus. Bei Bankkonten von über einer Million, ist der Kundenbetreuer von früher stets zur Stelle, erhofft er sich doch, dass der Kunde das Geld weiterhin in der Schweiz verwalten lässt. Es vergeht keine Woche, bis alle Bankunterlagen anstandslos und komplett zugestellt werden. Bei Konten unter einer Million hingegen ist von „Unterstützen und Begleiten“ nichts zu spüren.
Ich habe viele Fälle von ehemaligen italienischen Gastarbeitern aus Süditalien, die sich vor Jahren für immer nach Italien zurückgezogen hatten. Das sind in der Regel eher bescheidene Konten, welche für den Bezug der Pensionskasse und dem Horten der hart verdienten eisernen Reserven hier belassen wurden.
Gerade diese Mandanten sind auf Hilfe angewiesen, denn die Banken haben in ihren Fällen kaum Interesse, sie zu „unterstützen“ und zu „begleiten“. Vielmehr versuchen sie generell 5’000 Franken für die Edition (Herausgabe) der Bankunterlagen zu verlangen.
Da der Umfang der Dokumente in diesen Fällen meistens überschaubar ist, kann man mit den meisten Banken verhandeln und den Preis für die Edition herunterhandeln. Im Verkehr mit den italienischen Steuerbehörden sind diese Kunden trotzdem total überfordert. Sie haben das Geld in der Schweiz ehrlich verdient und versteuert. Sie verstehen nicht, wieso sie jetzt in Italien nochmals zur Kasse gebeten werden.
Der Aufklärungsbedarf ist entsprechend gross. Der italienische Staat will scheinbar auch bei diesen Leuten abkassieren, obschon genau sie mit den klassischen italienischen Schlaumeiern („i furbi“) nichts zu tun haben, da sie alle gutgläubig handelten.
Die grossen Auditfirmen PWC, KPMG & Co. werben im Internet flächendecken mit grosszügigem Werbebudget für die Gunst der Selbstanzeiger, zeigen aber bei den Kleinkunden keinerlei Interesse. Die Banken haben ihre Kunden ausschliesslich an die grossen Auditfirmen weitergeleitet. Das haben mir mehrere Kundenbetreuer von Banken bestätigt.
Einer davon hatte einen Schwiegervater, der sich nach Italien zurückgezogen hatte. Er kam quasi in privater Sache zu mir mit ihm, während er alle seine grossen Kunden bereits an die Auditfirmen vermittelt hatte. (Aus Mitleid zum Schwiegervater habe ich dieses Mandat auch angenommen.)
Offiziell gibt es (noch) keine Statements zur Verlängerung. Wer es versäumt hat, bis zum 30. September die Selbstanzeige einzureichen, wird dies wohl auch danach noch machen können, muss aber mit verschärften Sanktionen rechnen.
Die italienische Steuerbehörde ist mit ihrer Schätzung auf bloss 50’000 Konten gekommen. Die nun bekannte erste Flut von 14’118 Konten in nur 3 Wochen deutet darauf hin, dass die Anzahl der Konten weitaus höher liegt. Leider wurden zum Teil die falschen Leute Opfer einer aus der Hüfte geschossenen, unausgereiften Gesetzgebung.
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Zum Thema unversteuerte AHV-Renten und italienische Offenlegung folgender Link: http://www.auswanderung.ch/index.cfm?nav=2,20&SID=1&DID=2&NewsID=159
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@Vinz,@Hans Meier,
Halbwahrheiten sind die besten Lügen: Mal ein banales Beispiel aus der Praxis. Der Autor Schreibt:
„Ich habe viele Fälle von ehemaligen italienischen Gastarbeitern aus Süditalien, die sich vor Jahren für immer nach Italien zurückgezogen hatten. Das sind in der Regel eher bescheidene Konten, welche für den Bezug der Pensionskasse und dem Horten der hart verdienten eisernen Reserven hier belassen wurden.“
Die absolute Merheit dieser sogenannten einfachen Leute aus „Süditalien“ (Einwanderer der 50er – 70er Jahre) hat bei endgültiger Rückkehr in Italien die 2e Säule (überwiegend auf Anraten von Schweizer Banken, Versicherer, Treuhändler und Gestalten wie der Autor) undeklariert gegenüber dem italienischen Fiskus hier belassen. Die AHV wird durch die Kasse in Genf direkt in Italien in Euro ausbezahlt. Darauf wird automatisch eine Quellensteuer von 5% an dem italienischen Fiskus weitergeleitet.
http://www4.ti.ch/dfe/dc/dichiarazione/direttive/dir-fonte-attuale/
Der Autor verzapft hier nicht wenige Irrläufer. Ja, die „Muratori“ sind Opfer, nicht des italienischen Fiskus, sondern dieses El-Dorado für Betrüger wie es nunmal das System der 2en Säule und angeschlossenen Parasiten wie Banken und Versicherungen nunmal sind. Egal, ob man einen Vorbezug oder monatliche Rente der PK bezieht; wenn man den Entschluss fällt sich für immer nach Italien zurückzuziehen, dann sind sämtliche „Zahlungsflüsse und Konten“ offenzulegen. Dass heisst, die 2e Säule muss in der Steuererklärung in Italien (730) offengelegt werden.
Das hat die absolute Merheit dieser „Muratori“ nicht getan! Bei den Verhandlungen Schweiz/Italien i.S. Steuerangelegenheiten, hat sich die Schweizer Seite sehr aktiv bemüht, den oben genannten Berufsstände Imunität zu verschaffen, gegenüber dem italienischen Fiskus. Die Gründe liegen auf der Hand (Beihilfe zur Steuerhinterziehung). Die „Muratori“ wurden auf subtile Art und Weise suggeriert dieses Geld (PK-Geld und Bank,- Postkonten, Lebensversicherungen) hier in der Schweiz (UNDEKLARIERT geg. Italienischen Behörden) zu belassen; nach dem Motto: „Das Bankengeheimniss ist in der Schweizer Verfassung verankert, Rechtssicherheit der Schweiz, Kompetentes und Zuverlässiges Bankenssystem usw.“ Stattdessen? Das alles wird für die Schweizer Bevölkerung eine katastrophalen Dimension erreichen, deren Ausmaß wir noch nicht mal erahnen können.
Meine Eltern sind auch zurück nach Italien. Sie haben via:
http://www.acli.ch/ILDialogo/dialogo_2007_3/p24.pdf
120.- CHF bezahlt, um die Dokumentation lückenlos zusammenzustellen; daraufhin, erhob der italienische Fiskus auf den Zinsanteil der PK -Vorbezug eine Einmalsteuer von 12.5% und auf die bezahlte monatliche PK-Rente 6%. Ergo: meine Eltern zahlen jetzt als Pensionisten weniger Steuern in Italien als wie sie in der Schweiz hätten bezahlen müssen! Wenn man sich an das Gesetz hält und sich an Profis wendet, -und nicht an Schweizer Warmwasserverkäufer-, (Übrigens: diesselben, die den Finanzplatz Schweiz und tausende von Arbeitsplätze vernichtet haben), dann hat man nichts zu befürchten.
Bitte informiert Euch und bleibt bei den Fakten!
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Bravo! Die meisten „Ciucci“ hier haben keine Ahnung…. (v.a. Hans Meier)
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Auch in meinem Bekanntenkreis hat es frühere Gastarbeiter, die sich vor wenigen Jahren in Italien zurückgezogen haben, um in ihrem Heimatland ihre wohlverdiente Pension zu geniessen. Leider sieht das italienische Voluntary Disclosure Gesetz keine „de minimis“ Klausel vor, welche die Kleinsparer schonen könnte. Die klassischen Steuerhinterzieher haben Ihren Wohnsitz in üblicherweise Norditalien. Die süditalienischen Gastarbeiter haben bereits jeden Franken nach Italien geschickt und werden nun von der italienischen Steuerbehörde nochmals zur Kasse gebeten, obwohl sie in Italien nie gearbeitet haben und ihre Steuern in der Schweiz entrichtet hatten. Diese Leute sind nun sehr verunsichert und wissen nicht was sie tun müssen. Die italienischen Treuhänder haben kein Interesse an diesen Kleinkunden und verlangen horrende und ungerechtfertigte Honorare, indem sie die Notlage ausnützen. Diese einfachen Leute sind überfordert und von allen im Stich gelassen.
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Traurig, aber warum wollten diese Gastarbeiter überhaupt in ihr …land zurück, das sie nicht ernähren konnte? Lieber in der Schweiz im Regen mit Regeln, als in Italien in der Traufe statt an der Sonne. Sie hätten ja in der alten Heimat eine Wohnung mieten können und den Wohnsitz hier behalten können. Wären sie nach Amerika ausgewandert, wären sie auch nie mehr zurückgekommen…
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Auch in meinem Bekanntenkreis hat es frühere Gastarbeiter, die sich vor wenigen Jahren in Italien zurückgezogen haben, um in ihrem…
Traurig, aber warum wollten diese Gastarbeiter überhaupt in ihr ...land zurück, das sie nicht ernähren konnte? Lieber in der Schweiz…
@Vinz,@Hans Meier, Halbwahrheiten sind die besten Lügen: Mal ein banales Beispiel aus der Praxis. Der Autor Schreibt: "Ich habe viele…