Schon bei der Auftragsvergabe rieben sich viele Mitarbeiter die Augen. Das UBS Card Center, eine der grossen Kreditkarten-Firmen des Landes, setzte beim Neubau auf Open Way.
Die russische Softwarebude war ein unbeschriebenes Blatt. Und doch stachen die St.Petersburger andere Bewerber locker aus.
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Open Way erhielt den Auftrag, das ganze IT-System des UBS Card Centers in einem riesigen Projekt im Kern neu zu bauen.
In der Folge flogen Heerscharen von Ingenieuren und vermeintlichen Cracks aus der einstigen Zarenstadt nach Zürich-Glattbrugg beim Flughafen Kloten.
Ein ganzer Stock im Cardcenter-Gebäude wurde für das Projekt eingerichtet, das auf den Namen Way4 lautete.
Die Kosten schossen durchs Dach, allein die Fliegerei und die damit verbundenen Spesen gingen rasch ins Tuch.
Umgekehrt die Ergebnisse. Mit zunehmender Dauer des Projekts wurde klar, dass das Vorhaben niemals gelingen konnte.
Ein Insider berichtet sogar von einer Art Kulissenschieberei. Die Russen hätten in Showauftritten Lösungen mit ihrem neuen System präsentiert, die noch nicht richtig existiert hätten.
Dahinter sei immer noch vieles auf dem alten Apparat gelaufen. Eine Art Potemkinsches Dorf.
Die ausbleibenden Resultate regten Kritiker zum Recherchieren an. Sie fanden heraus, dass die Russen kaum jemals ein Projekt richtig erfolgreich fertiggestellt hatten.
Und doch hatten sie den Vorrang gegenüber Mitbietern erhalten. Wie das?
Die Führung des UBS Card Center verwandelte sich in eine KPdSU. Wie die einstige Sowjet-Führung schloss sie die Reihen, gab absurd anmutende Erfolgs- und Durchhalteparolen durch.
Bis letzten Frühling. Dann brach das Kartenhaus mit einem lauten Knall zusammen.
Der Projektleiter, der in der Geschäftsleitung den Titel eines Chief Operating Officers hatte und damit die wichtigste operative Funktion innehatte, fiel aus. Krankheitshalber.
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Ein bereits zuvor vom Mutterhaus engagierter Projektleiter hatte nun freie Bahn. Er dürfte dem Verwaltungsrat des UBS Card Centers, in dem hohe Manager der Mutterbank sitzen, zum Ende mit Schrecken geraten haben.
Jedenfalls zog der VR letzten Sommer den Stecker. Projekt Way4 der eigentümlichen Russenfirma Open Way wurde beerdigt.
Der Schaden war da längst angerichtet. Die Kosten inklusive dem Abbruch der Übung würden sich auf gut 28 Millionen Franken belaufen, habe es laut einer Quelle intern geheissen.
Die UBS wollte sich offiziell nicht äussern. Sie liess aber über ihre Kanäle durchsickern, dass das Minus nur etwa ein Drittel der genannten Schadenshöhe betragen würde.
Auch den Entscheid zugunsten von Open Way und gegen bekanntere Mitbewerber verteidigt die Bank.
Open Way habe „verschiedene andere renommierte Unternehmen“ bei komplexen „IT-Dienstleistungen erfolgreich“ betreut, heisst es aus der Zentrale.
Von eigenartiger Auftragsvergabe will die UBS nichts wissen. „Die Wahl von Open Way erfolgte durch einen umfangreichen und mehrstufigen Auswahlprozess.“
Sodann aber bestätigt das Mutterhaus des Card Centers, dass es teilweise zum Übungsabbruch unter Kostenfolge gekommen sei.
„Aus betriebswirtschaftlichen und strategischen Überlegungen hat Card Center entschieden, nur Teile ihrer Plattform zu erneuern. Aufgrund der Anpassungen entstanden Abschreibungen.“
Wie hoch diese konkret sind, dazu hält sich die Bank weiterhin bedeckt.
Wie weiter? Das alte System namens Essentis soll laut UBS „schrittweise auf den neusten Stand gebracht“ werden.
Zurück auf Feld 1 also – wobei: Dieses existiert nicht mehr wie zuvor.
Weil die Karten-Manager in ihrer Euphorie für die Russen-Lösung bereits mit der definitiven Ablösung der alten Essentis-Lösung gerechnet hatten, müssen sie nun mühsam mit ihrer alten Partnerin wieder Tritt finden.
Billiger dürfte die künftige Zusammenarbeit kaum werden. Das Kostengrab könnte demnach noch tiefer werden.
Wer trägt die Verantwortung? Darauf ist von der UBS nichts zu vernehmen.
Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Erstaunlich.
Insbesondere weil es eigentlich relativ einfache Prinzipien sind um ein Softwareprojekt grundsätzlich die Chance auf Erfolg zu geben. Nur brauchen diese so unglaublich viel Disziplin und Commitment aus dem Management (….Füsse still halten, sich nicht zu wichtig nehmen….)1. Collocation: Fachexperten, Entwicklung & Testing zusammen. Sieht auf den ersten Blick teuer aus, hat aber die maximale Produktivität. Die Russen waren wahrcheinlich auf den ersten Blick günstig. Soviel zur eindimensionalen Kosten Betrachtung – man müsste eigentlich von Effekthascherei sprechen.
2. Fokus.
Added value ist Maxime. Was ist nicht added value für den Kunden/Anwender stiftet wird cancelled. Es ist auch nicht alles wichtig, es gibt nur eine Prio 1.3. Continuous delivery, oder wer nichts zu verbergen hat, kann regelmässig eine Software mit Erweiterungen zeigen.
4. Inspect & adapt: wer macht keine Fehler? , daraus lernen und sich schnell anpassen können ist mission critical.
Schade – wäre sicher ein cooles Softwareprojekt gewesen.
Hey UCC – wenn ihr ein Turnaround – Entwicklungsleiter sucht und wisst, dass ein Turnaround sehr(!) unbequem ist, bitte melden.
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Hier wird versucht , essentielle Leitprinzipien aus der „SCRUM“-Thematik (CMMI ist tot, also muss ja ein neues Goldenes Kalb her) als schnell hingeschriebenes (aber eben nur wiedergekäutes) eigenes Statement darzustellen. Das ist Karl-Theodor-von-und-zu-Guttenberg Stil, das ist Betrug !
Genau diese Typen haben über Jahre die IT-Syteme unterwandert und schrottreif gefahren. -
Richtig. Aber die Projektleitung hat jemand ausgewählt. Der Fehler war schon hier begangen.
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Naja, Klaus Web, das hat nun mal gar nichts mit Scrum zu tun sondern mit Werten, d.h. mit Kultur die man eben leben muss. Das kann man dann mit Scrum umsetzen oder eben auch nicht.
Genau dogmatisches „wir machen agil mit Scrum“ aber die Denkweise dahinter nicht verstanden ist gefährlich für die eigentlich sehr positiven Erfolgserlebnisse die Agilität die im Kopf beginnt liefern kann. Wer die Werte nicht verinnerlicht und lebt, dem wird Scrum nicht helfen.
Dogmatisches Geplapper wie Ihr Scrum Statement oder lieber ein Modell wie CMMI, möglichst kombiniert mit technologischer Unfähigkeit schon im unteren und mittleren Management fährt Projekte an die Wand. Noch. Denn diese Spezies wird aussterben wie Ihre, die Bedenkenträger und Mahnfingerhebenden ohne konkreten Input.
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Überall heisst es, Russland soll sich andere Einnahmen ausser Öl und Gas suchen. Gesagt, getan! ?
(Falls man etwas Seriöses aus Russlands haben will: Kaspersky Anti-Virus.)
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Ich finde es gut, dass über Missstände berichtet wird, aber die im Artikel zum Ausdruck kommende unterschwellige Meinung, dass man das Projekt besser and die „renommierten Deutschen von SAP“ hätte vergeben sollen, finde ich schlecht – wirkt wie versteckte Werbung für SAP. Diese Schwaben-IT-Krake hat schon genug niedergewalzt und verhindert, dass in der Schweiz eine eigene IT Industrie im ERP Bereich entstehen konnte (mal abgesehen von kleineren Firmen wie Abacus ohne internationale Relevanz).
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Das ist kein Einzelfall!
Interessant, dass zu all den unzähligen teuren Outsourcing-Pleiten der Grossbanken so wenig bekannt wird. Evtl. auch deshalb, weil an den Folge-Notlösungen eine spezialisierte Expertenbranche gewaltig profitiert.-
Da haben Sie recht Muster, erzählen Sie’s nicht weiter.
Es ist in der Tat schön, dass man dann & wann einen Auftrag an’s Land ziehen kann um ein Nearshore Projekt zu „optimieren“.
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Scheint mir eher ein UBS-internes Problem zu sein als dass hier schlampig evaluiert oder eine schlechte Firma ausgewählt wurde.
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Ist doch alles kein Problem, der Auftrag konnt günstigst an die Russen vergeben werden. Mangels geeigneten CH Arbeitskräften fand man schnell ein paar Ruskis, welche noch so gerne nach Zürich flogen um sich hier ein Zubrot zu verdienen. Das es am Ende nicht rund gelaufen ist, macht weiter nichts, denn der Lerneffekt für die damalien Entscheidungsträger ist auch etwas wert und kann für die Zukunft wertvoll umgesetzt werden. Also auf einen neuen Versuch, Auftrag nochmals vergeben, vielleicht etwas mehr im Osten, da gibts schliesslich noch viele Länder mit tiefem Lohnniveau und bestens ausgebildeten Fachkräften. Nur weiter so – äs chunt scho gueät.
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Immer wieder das gleich Problem. Projekte nach Wasserfall Methode. Alles an einem Zeitpunkt geliefert => Funktioniert nie. V.a. Bankmanager denken ohne Requirements zu definieren dass dann die Software Firma weiss was Sie zu liefern hat => No chance. Aufträge werden Buddies zugeschanzt welche keine Ahnung von IT haben aber in Softwarefirmen sitzen. Hauptsache der Betrag wird bezahlt. Lächerlich.
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Wenn ich das so lese komme mir die 5 W Fragen aus dem Journalismus in den Sinn:
Who did that?
What happened?
Where did it take place?
When did it take place?
Why did that happen?Ein Manager fragt aber nur:
How much ?Leider ist das obige, von Daniel Durrer, geschilderte Beispiel kein Einzelfall. Nicht nur beim kleinen Bruder der UBS, sondern wahrscheinlich bei etlichen gross und mittelständischen Unternehmen wird das Wasserfallmodell nach wievor das Standardvorgehen sein auch wenn man fieberhaft bemüht ist Agile zu werden.
Manchmal wünsch ich mir die Finanzindustrie hätte mehr Charaktere welche änlich ticken wie Steve Jobs, Sergey Brin oder Bill Gates. Also leute die Eine Ahnung von Software-Entwicklung haben.
Wieso ich das sage. Nun ja, wir leben heute in so einer hoch technologisierten Welt, dass OHNE Software gar nichts mehr geht. Als noch vor meinem Dasein das Bankwesen ohne Software auskam, waren Beziehungsnetzwerke, Buchhalter und RM’s die Fachkräfte und das Gehirn des Institutes. Heute bin ich der Meinung, dass bei einem globalen Finanzunternehmen eine Person mit grossem IT Entwicklungs-Fachwissen die Bessere CEO Besetzung wäre. Finanz-Jongleure eine wichtige aber beratende Funktion inne haben sollten. Die ist weder beim kleinen Bruder (CS) noch noch bei der Grossen Schwester (UBS) der Fall.
Auf lange Sicht wird der Finanzplatz Schweiz hoffentlich nicht verschwinden, aber er wird eine änliche Rolle haben wir Microsoft auf dem Mobilen Markt, eine untergeordnete Rolle. -
@ Agile:
kann man nur eins dazu sagen. Super formuliert sie haben absolut recht. IT ist das A und O. ein CEO muss davon mehr verstehen als Windows runterfahren zu können.
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Nun ja, wo blieb den da die outgesourcte Supereinkaufsorganisation, alles an ihr vorbei organisiert und eingekauft? Hat da die IT selbst die Verträge unterzeichnet ohne das jahrhunderte alte Wissen der neuen Einkaufsorganisation oder etwa durch sie? Man hört so nichts.
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Cisullo ist doch bloss ein Schl…
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Cisullo: Copy-Paste Macciavelli
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Ich schlage vor, es doch mit einer Softwaretruppe aus Indien, Rumänien oder Israel zu versuchen. „Billig“ und der Erfolg ist garantiert… LOL
(Spreche aus eigener (schmerzlicher) Erfahrung als Investor.) -
Wenn das so ablief, dann reiht sich diese Evaluation in eine bekannte Reihe im UCC. Schon bei Essentis musste man sich die Augen reiben, als das alte Cardpac end of life erreichte. Der damalige IT-Leiter erteilte den Evaluationsauftrag an einen Externen nach dem Motto: „Vergleiche diese drei oder vier Systeme, Essentis wird der Sieger sein.“ Die „Evaluation“ bestand im Wesentlichen aus einem A4-Blatt mit fünf bis sieben Smileys und das war nicht einfach das Management-Summary, sondern das Ganze. Die Einführung von Essentis war ein Murks und Kritiker wurden angesch… Das schien sich nun hier in etwa zu wiederholen, leider.
Schade; die Firma hat viele wirklich gute Mitarbeiter, die schon einige hochinteressante und für die Firma sehr wichtige Projekte mit grossem Engagement und Kompetenz stemmten und das Thema ist eigentlich spannend und hat Potential.
Ich hoffe sehr für die Firma und deren Mitarbeiter, dass die alten selbstgefälligen Seilschaften und die Günstlingspolitik gekappt werden und das Potential der Firma und der da Arbeitenden erfolgreich genutzt werden kann.-
Träume darf man haben… Tag für Tag erlebe ich das eine Lernkurve negativ sein kann bei der Grossen.
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Sehr schön formuliert. Ich denke wir kennen uns. Schöne Grüße aus Oberbayern. PS:. Ich schätze die UCC Mitarbeiter auch sehr.
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Nach Maßstäben der von Herrn Adoboli zum Wohle der Gesellschaft deren und Aktionäre generierten Verluste ist das noch ziemlich preiswert.
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Die Verlinkung mit den Bildern gefällt mir und passt bestens.
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héhéhé
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Immer wieder das gleich Problem. Projekte nach Wasserfall Methode. Alles an einem Zeitpunkt geliefert => Funktioniert nie. V.a. Bankmanager denken…
Ich schlage vor, es doch mit einer Softwaretruppe aus Indien, Rumänien oder Israel zu versuchen. "Billig" und der Erfolg ist…
Nun ja, wo blieb den da die outgesourcte Supereinkaufsorganisation, alles an ihr vorbei organisiert und eingekauft? Hat da die IT…