Die WM ist zu Ende und keinen interessiert’s. Schon erstaunlich, wie schnell diese inszenierte Instant-Wichtigkeit nur wenige Minuten nach jedem Spiel verpufft wie ein Traum. Die WM ist eindeutig zu lang, 32 Mannschaften zu viel. Und doch lief alles wie geschmiert für den Veranstalter, und nach den kräftigen Händedrücken mit den Führern vieler Nationen darf Gianni Infantino mit einem kräftigen Bonus rechnen.
Wir werden allerdings erst etwa 2032 von seinem Nachfolger genaue Zahlen erfahren; ich erwarte 16 Millionen, heruntergerechnet von den 80 Millionen, die sich Blatter, Valcke und Kattner zwischen 2011 und 2015 gegenseitig zugesprochen hatten.
Die Credit Suisse unterstützt die Schweizer Nationalmannschaft als Sponsor, Gönner und Förderer schon seit Jahren. Darf sie mit ihrer im TV intensiv geführten Werbekampagne zufrieden sein, kann sie ein Feedback, gar einen Rücklauf erwarten?
Werbekampagnen von Banken an solchen Anlässen dienen in erster Linie der Imagepflege beim Volk, die eigentlichen Geschäfte wurden wohl in den Logen der neu errichteten Sportarenen, die nun bis auf zwei oder drei wie immer und überall verrotten werden, mit dem Segen von Infantino angebahnt.
Ob die Schweizer Mannschaft den Erwartungen der Credit Suisse entsprochen hat, insbesondere Lichtsteiner, der im TV-Spot von Co-Sponsor SWISS unschuldig und brav das Flugzeug betritt und dem Flugkapitän ein kumpelhaftes „Käptn“ zuspricht, darf bezweifelt werden. Natürlich ist die hässliche Doppeladlergeschichte angesprochen, aber nicht nur. Lichtsteiner scheint mir auch auf dem Platz mit seinem immer sauren Gesicht und dem häufigen Klammern im Strafraum nicht der ideale Werbebotschafter zu sein.
In der Doppeladlergeschichte habe ich während der WM meine Meinung geändert. Anfangs noch verärgert über die Spieler und ihre Provokation, musste ich doch zur Kenntnis nehmen, dass die nationalistische Anmache von organisierten serbischen Gruppen unter den Zuschauern ausging.
Immerhin muss man noch erwähnen, dass andere Spieler, die ähnliche Gründe für beleidigende Gesten hätten anführen können, diese zumindest auf dem Platz unterlassen hatten.
Fussballer dürfen, ja müssten vermehrt politisch sein dürfen. Genau das versucht man ja krampfhaft vom Rasen fernzuhalten, um die Illusion des Völker verbindenden und friedlichen Sports aufrechtzuerhalten, während auf anderer Ebene mit Fussball Politik gemacht wird und umgekehrt die Politik ganze Weltmeisterschaften kauft.
Der Versuch des SFV, mit den ‚Doppelbürgern‘ eine politische Debatte zu starten, ging allerdings gründlich in die Hose und wird den Sponsoren aus der Teppichetage am Paradeplatz auch nicht gefallen haben. Allenfalls sollten sie für die nächste Runde die ganze WM Expedition mit einem WBT (Web based training) in Sachen „Political correctness“ auf Vordermann bringen.
Unterlaufen wurde der friedliche „Tschuttplausch“ vor allem von den Kommentatoren Salzgeber und Rufer, die die Schweizer nach ihrer Niederlage als jahrzehntelange Versager abstempelten, denen schlicht und einfach das „Winner-Gen“ fehle. Wieso dürfen diesen beiden TV-Pfeifen ihren „Stuss“ eigentlich ohne Widerstand und Widerspruch schon seit Jahrzehnten über den Äther verbreiten?
Fehlende Einstellung wurde der Mannschaft von den beiden vorgeworfen, als seien sie persönlich durch das Ausscheiden hintergangen und betrogen worden. Für mich das ärgerlichste Faktum der ganzen WM. Wieso wehrt sich ein Sponsor wie die CS nicht einmal gegen die Arroganz und Besserwisserei dieser sogenannten Fussballexperten? Ihre Interpretationen machen nämlich aus einem akzeptablen und durchaus erfolgreichen Achtelfinalplatz eine Image schädigende Niederlage.
An dieser sogenannten „Einstellung“ hat es übrigens bei vielen Teams gefehlt. Es ist der Fehler von den Trainern, wenn sie die älteren, übersättigten und von einer langen Saison ausgelaugten Spieler bringen. Klar sind die nicht motiviert. England, Belgien und Frankreich, die erfolgreichen Teams, bringen die Jungen. Klar gibt es mit Kroatien auch da eine Ausnahme. Auch Mannschaften mit unverbesserlichen Egomanen wie Portugal und Brasilien hatten keine Chance.
Zum sportlichen Teil: Die ganz klar beste und überzeugendste Mannschaft war Japan. Sie hat alles verkörpert, um was es im Fussball gehen sollte: Fairness, Teamgeist, Mannschaftsspiel ohne Starallüren und Theater, Einsatz und Willen, technische Finessen und Eleganz, und auch, in Würde verlieren zu können. Die zweite Halbzeit vom Achtelfinal Japan – Belgien war die beste der WM, brachte Spannung und 5 Tore.
Russland war nur eine Zwischenstation, der Sponsor plant längerfristig und darf sich nun auf die eigentliche Heim-WM in Qatar vorbereiten, wo sich die Troika FIFA – Credit Suisse – Qatar ein Stelldichein geben wird.
Auch diesmal wieder schön: Rund um die WM werden immer wieder wunderbare Fussballgeschichten erzählt und kreative Ideen geboren. In der FAZ las ich von einem Sporthistoriker, der den Vorschlag machte, die FIFA der UNO zu unterstellen. Im Tages-Anzeiger vom 9. Juni eine herrliche Story über Carlos Kaiser, einen Spieler und Hochstapler aus Rio, der lange Jahre als Fussballprofi gelebt hat, ohne je gespielt zu haben.
Als solche Quelle der Inspiration bleibt uns der Fussball hoffentlich noch lange erhalten.
Kommentare
Kommentieren
Die beliebtesten Kommentare
-
Interessante Gedanken! Habe ich jetzt so noch nie darüber nachgedacht. Was die japanische Mannschaft betrifft, bin ich ganz einer Meinung. Diese Mannschaft entspricht eigentlich gar nicht dem Eindruck, den ich sonst von der japanischen Gesellschaft habe. Vielleicht stimmt das Klischee ja doch nicht, dass nationale Fussballmannschaften die Gesellschaft, die sie vertreten, widerspiegeln…
-
Massensportveranstaltungen stellen den einen Teil von „Brot und Spiele“ dar. Die ganz grossen davon, wie die Fussball WM oder auch die Olympischen Spiele, lassen sich zudem wunderbar instrumentalisieren für einerseits monetäre Interessen wie Kopfgeld von Spieler und Trainer, Sponsoring und Merchandising sowie Wettumsätze (die den wahrscheinlich grössten Anteil am ganzen Kuchen haben, global gesehen). Und andererseits eignet sich so ein mediales Grossereignis wunderbar um abseits des Scheinwerferlichts wunderbar in dessen Schatten neue Gesetze, Verordnungen, Regelungen, Beschlüsse und Verträge zu etablieren, ohne dass die ganze Weltöffentlichkeit zuguckt, da sie grade mit Neymar-Schwalben, Doppeladler, Störchen und anderen Vögeln beschäftigt ist.
-
Sehr guter Artikel ,aus meiner Sicht Kolumbien hat schön gemacht !
-
Die Verbindung zur CS ist etwas gar gesucht und der Reputationsschaden dürfte sich auch in Grenzen halten.
Anscheinend muss im IP nur etwas mit CS abliefern damit es publiziert wird.
Besser war ihr letzter Beitrag.
Und bei den Bildern bei der Pokalübergabe hätte es weiss Gott ein besseres Thema gegeben. Zum Beispiel Putin lässt Macron im regen stehen oder, unter Putins Schirm gibts genug Platz nur will keiner drunter.
Darüber hätten sie schreiben können.-
Die Verbindung ist nicht gesucht, immerhin wurden wir während 4 Wochen jeden Tag ein paarmal damit konfrontiert im Fernsehen. Der Reputationsschaden hält sich in Grenzen, richtig. Anders noch als zu Zeiten der UBS, die mit der Alinghi nur auf die Nummer eins aus war, darf man heute auch ‚Verlierer‘ sponsoren. Über Putin und Macron wird auch genug berichtet, aber klar, überall und in allen Medien versucht man die Gunst der Aktualität zu nutzen
-
-
Die Kommentare von Herrn Ruefer waren in der Tat einerseits ungenügend und andererseits platte Propaganda.
Wobei ganz SRF jeweils eine politische Linie geschlossen vertritt.
Unvergessen die keifenden Einwürfe von Ruefer wie viel die Russen doch laufen und was wohl in deren Tee ist.
Dumm nur, dass andere Teams mehr gelaufen sind (z.B. Deutschland und Serbien) und man da dies mit keinem Wort erwähnte.Schlimmer ist es wohl nur noch in Deutschland wo Frau Merkel „die Mannschaft“ gar über „die Russland Sache“ briefte…
Spannend wurde es dort wegen den Dopingvorwürfen – ich erinnere an die grössere Laufleistung der Deutschen – wo man da ein Schnüffelbild eines Russen ausgegraben hat. Ammoniak steht zwar nicht auf der Dopingliste, aber man muss den Leuten ja was präsentieren.Anstatt wie man selbst proklamiert Völkerverbindendes zu schaffen, agierte man wie üblich mit Hetze und Unobjektivität. Anstatt den Sport in den Vordergrund zu stellen, reibt man den Zuschauer Politik unter die Nase.
Also nichts Neues im zwangsfinanzierten Staatspropaganda TV…
-
-
Ich empfinde die WM nicht als zu lang. Man muss ja nicht alle Spiele schauen und kann sich aus- und wieder einklinken. Den Match um den 3. Platz könnte man sich aber sparen. Es gab eine handvoll Teams die haben tollen Einsatz gezeigt, sind aber in der Vorrunde ausgeschieden, was man feststellt ist, dass der Abstand zwischen den Teams kleiner geworden ist, die Dominanz der zwei bis drei grossen europäischen Nationalteams ist vorbei.
Und nein, Fussballer im Nationalteam haben sich auf dem Feld von jeglichem politischen und vor allem nationalistischen Aktionen und Gebaren zu enthalten und sich dem Sport zu widmen. Wieso sonst sollte man als Schweizer das Schweizer Nationalteam unterstützen. Sicher nicht wegen der politischen oder nationalistischen Einstellung einiger Spieler.
Alternativ könnte man natürlich auch ‚National’Teams als obsolet betrachten und diese durch Klubmannschaften, die einen bestimmten ‚Brand‘ verkörpern ersetzen.
Massensportveranstaltungen stellen den einen Teil von "Brot und Spiele" dar. Die ganz grossen davon, wie die Fussball WM oder auch…
Die Kommentare von Herrn Ruefer waren in der Tat einerseits ungenügend und andererseits platte Propaganda. Wobei ganz SRF jeweils eine…
Ich empfinde die WM nicht als zu lang. Man muss ja nicht alle Spiele schauen und kann sich aus- und…