Es sei eine „Zeitenwende“, was wir derzeit erleben, was die Menschheit gerade erlebe, was die Menschheit im Begriff sei, zu erleben, sagen westliche Politiker im Brustton der Überzeugung, dass sie den Ernst der Lage erkannt hätten.
Really? Haben sie?
Haben sie die reale Gefährlichkeit des Moments erkannt? Und sind Sie bereit, entschieden zu handeln? Entscheidende Massnahmen zu ergreifen, um die Gefahr abzuwenden?
Denn die Gefahr ist eine neue Gefahr, wie es sie in der bisherigen Menschheitsgeschichte noch nicht gegeben hat.
Es ist eine Krisenaneinanderreihung und Krisenzusammenballung, die sich in einer nie dagewesenen Geschwindigkeit eingestellt hat und sich autonom oder wie von der berüchtigten unsichtbaren Hand gesteuert vergrössert.
Es sind Krisen, die sich vervielfältigen und akkumulieren, miteinander verbinden, ineinander hineinlaufen, ineinander verhaken, einander wechselseitig beeinflussen und aufschaukeln und zu einem unentwirrbaren Krisengemenge von globalem Ausmass anschwellen.
Zu etwas, das in der Meteorologie bei einem Wetterphänomen, das durch das zeitliche Zusammentreffen mehrerer ungünstiger Faktoren ausgelöst wird, ein perfekter Sturm genannt wird.
Ein Sturm, der zu einem Zusammenbruch der derzeit bestehenden globalen Zivilisation führen kann.
Zu einem zivilisatorischen Super-GAU.
Was also tun, damit es nicht dazu kommt? Was für Auswege könnte es geben? Was für Lösungen könnten gefunden werden? Was für neue Erfindungen müssten gemacht werden?
Oder gibt es keinen Ausweg mehr? So wie für die Maus in Kafkas „Kleiner Fabel“:
„Ach“, sagte die Maus, „die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, dass ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, dass ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, dass ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.“
„Du musst nur die Laufrichtung ändern“, sagte die Katze und frass sie.
In den freiheitlichen Demokratien gehen junge Menschen auf die Strasse, um für den Klimaschutz zu demonstrieren, und skandieren dabei: „Wir sind viele, und wir werden immer mehr!“
Aber die Ressourcen, die es für das Überleben der Menschen auf dem Planeten braucht, werden immer weniger. Es gibt keine freien Bodenflächen mehr. Jedes Landstück gehört jemandem.
Und die Böden und das Wasser und die Luft sind fast überall bereits zu einem so grossen Teil vergiftet, dass es fraglich ist, ob das je wieder rückgängig gemacht werden kann.
Und der Kampf um die noch vorhandenen gesunden oder noch nicht allzu sehr beschädigten Lebensgrundlagen, um gesunde Böden, um sauberes Wasser und um reine Luft, spitzt sich zu.
Der Energiebedarf der zu gross gewordenen Menschheit explodiert, denn die für den Planeten erträgliche Anzahl von Menschen, die gleichzeitig auf ihm leben können, ohne ihn zu ruinieren, ist bereits um ein Dreifaches oder Vierfaches überschritten.
Und statistische Voraussagen, dass das Wachstum der Weltbevölkerung sich schon bald verlangsamen und sogar zurückgehen wird, sind nicht hilfreich, denn momentan ist insgesamt gesehen weltweit immer noch das Gegenteil der Fall.
Zumal das überschrittene erträgliche Mass zu einer exponentiellen Beschleunigung des Wachstums geführt hat.
Die Laufrichtung ändern also? Aber wie? Wieviel Zeit haben wir dafür?
Die Gefahr ist jetzt da.
Wieviel Zeit bleibt also für eine Zeitenwende, um die sich verengenden Mauern für Kafkas Maus wieder auseinander laufen zu lassen und der Maus wieder mehr Bewegungsfreiheit zu geben.
Vor allem wenn die Massnahmen, die dazu ergriffen werden, sich darauf beschränken, internationale Klimakonferenzen und Weltbiodiversitätsgipfel abzuhalten, auf denen Beschlüsse gefasst werden, die niemand konsequent umsetzt.
Und wenn eine mächtige Gegenbewegung diese Bemühungen ohnehin wieder zunichte machen will.
Wenn wir sehen, dass weltweit ein Wiederaufleben des Imperialismus, des Kolonialismus und der Sklaverei eingesetzt hat und es zu einem umfassenden Remake alter Muster kommt, die man in der westlichen Welt überwunden zu haben glaubte.
Wenn wir sehen, dass es zu einer Rückkehr des Feudalismus in Form von Diktaturen, Oligarchen und Theokratien mit faschistischen Strukturen und zu Formen des Faschismus in Reinkultur kommt.
Wenn es wieder, wie in der ganzen bisherigen Menschheitsgeschichte, in erster Linie um den Bodenbesitz geht und um den Reichtum, der sich aus dem Bodenbesitz heraus ergibt.
Aus dem Besitz all dessen, was sich auf dem Boden, was sich im Boden und was sich über dem Boden befindet.
Wenn es wieder eine scharfe Trennung zwischen den Bodenbesitzern auf der einen Seite und den Sklaven auf der anderen Seite gibt, die den Boden für die Besitzer bearbeiten.
Wenn es wieder die mit grandiosen Titeln ausgestatteten Herren und die anonym bleibenden Besitzlosen gibt, die Leibeigenen, die Knechte oder wie immer man die Sklaven nennt.
Wenn die grundlegende Voraussetzung für das Leben aller Menschen auf der Erde also weiterhin, wie es durch die ganze Menschheitsgeschichte hindurch der Fall gewesen ist, darin bestehen soll, dass Nachbarn jederzeit in das Territorium eines anderen Landes einfallen, die Bevölkerung dort töten, ganze Länder erobern und unterwerfen können, wie ein Youri Harari es formuliert.
Es sind die Gespenster der vergangenen Weltreiche, die wieder mächtig werden und ihre alte Grösse zurückhaben wollen.
Im Osten die Gespenster des Russischen Zarenreichs, des Chinesischen Kaiserreichs, des Perserreichs und des Osmanischen Reichs.
Und im Westen die Gespenster des Römischen Reichs, des Imperium Romanum, und seiner Nachfolgerreiche.
Angefangen mit dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und seinen römisch-deutschen Kaisern, die ihre Legitimation, die Nachfolger der römischen Kaiser zu sein, aus der translatio imperii bezogen, der theologischen Vorstellung, nach der die Herrschaft eines Weltreiches an seinen Nachfolger übertragen werde.
Wodurch die römisch-deutschen Kaiser, dem heiligen Willen Gottes gemäss, auch die universalen weltlichen Oberhäupter der Christenheit waren, die im Rang über allen anderen Königen Europas standen.
Und neben und nach dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, das sich vom 10. Jahrhundert bis 1806 halten konnte, die Weltreiche Portugals, der Niederlande und Spaniens, das britische Empire, das französische Kaiserreich Napoleons und das Deutsche Kaiserreich ebenso wie das faschistische Königreich Italien und das Dritte Reich der Nationalsozialisten in Deutschland, die alle mit dem gleichen Universalanspruch operierten.
Es sind die Gespenster dieser Reiche, dieser Imperien, die ihre Macht zurück haben wollen und finden, dass es nun an der Zeit sei, mit diesen neumodischen Demokratie-Experimenten, die 1763 mit der amerikanischen Revolution begonnen hatten und 1789 mit der Französischen Revolution weiter vorangetrieben worden waren, wieder Schluss zu machen.
Weshalb auch in der westlichen, mehr oder weniger freiheitlich gewordenen Welt wieder auf das Muster des Römischen Reichs zurückgegriffen werden müsse.
Auf das Modell der römischen Kaiserzeit und auf das Sklavensystem, das die unabdingbare Grundlage des Römischen Reichs gewesen war.
Auf die Zeit der Cäsaren.
Auf die Zeit der Alleinherrscher, die das Römische Reich aus der Krise herausgeführt hatten, in die die bisherige, vom Senat geführte Römische Republik, die res publica libera, zuletzt durch ständige Bürgerkriege geraten war.
Denn nur so hatte der Wohlstand, der in der Republik bisher erworben worden war, nicht nur gesichert, sondern auch weiter gemehrt werden können, wofür der Verlust an Freiheit in Kauf zu nehmen war.
Und die beste Methode, um auch heute mit den Demokratien wieder Schluss zu machen, meinen diese Gespenster, sei es, das Übel an der Wurzel zu packen und dafür zu sorgen, dass die 1763 abtrünnig gewordenen Vereinigten Staaten von Amerika, die sich ohnehin bereits seit den 1950er Jahren von einer Demokratie zu einer Oligarchie entwickelt hätten, wieder in den Kreis der Monarchien zurückzuführen.
Denn ohne den Schutz dieses supermächtig gewordenen Mutterlandes werden auch die restlichen Demokratien, die auf der Welt zurzeit noch übrig geblieben sind, nicht mehr lange überleben können.
„So ist es“, sagte die Katze, die Kafkas Maus gefressen hatte, bevor sie einen Salto Mortale rückwärts machte und auf dem Mars landete.
Und zurück blieben nur noch ein kurz in der Luft schwebendes breites Grinsen und zwei böse funkelnde kleine Augen, bis auch die verschwanden.
Nur dass es sich diesmal nicht um eine pink getigerte Cheshire Katze gehandelt hatte, wie bei Alice im englischen Wunderland, sondern um eine fette orangefarbene Katze aus dem amerikanischen Wunderland.
die Menschheit lernt nichts aus der Vergangenheit…