Letzte Woche ereignete sich einer der wichtigsten geopolitischen Umbrüche des Jahres 2025 – nahezu unbeachtet von westlichen Medien:
Der BRICS-Block, Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, hat offiziell ein neues, globales Zahlungssystem gestartet, das mehr als 180 Ländern ermöglicht, Handel in chinesischer Währung abzuwickeln und den US-Dollar vollständig zu umgehen¹.
Es gab keine Eilmeldungen, keine Krisen-Briefings von Think-Tanks, keine Primetime-Diskussionsrunden.
Dennoch könnten die Auswirkungen dieser Entwicklung langfristig weitreichender sein als viele der wirtschaftlichen Schlagzeilen, die derzeit die westlichen Nachrichten dominieren.
Ein Grossteil der westlichen Diskussion über China dreht sich weiterhin um vertraute Narrative.
Das nachlassende Interesse der Jugend an Fabrikjobs und der Bevölkerungs-Rückgang treiben chinesische Fabriken in Richtung Automatisierung.
Weitere Themen wie Jugendarbeitslosigkeit oder Bevölkerungsrückgang in China sind zweifellos relevant, auch wenn sie im Vergleich zu anderen ostasiatischen Ländern nicht aussergewöhnlich erscheinen.
Oft verbergen sie jedoch einen tiefergehenden, global bedeutsamen Trend: China hat das letzte Jahrzehnt damit verbracht, die weltweit umfangreichste Nicht-Dollar-Finanz-Infrastruktur aufzubauen².
Was einst als peripheres Experiment abgetan wurde, hat sich still und leise zu einem weitläufigen, voll funktionsfähigen globalen System entwickelt.
Dies überraschte viele Beobachter, da China nicht wie im Westen häufig der Fall von gelernten Juristen und Bankern, sondern von Ingenieuren geführt wird.
Im Zentrum dieser Transformation steht CIPS, das Cross-Border Interbank Payment System, Chinas Alternative zu SWIFT.
Historisch als technische Kuriosität betrachtet, verbindet CIPS heute Tausende von Finanzinstitutionen auf fast jedem Kontinent³ und verarbeitet jährlich mehrere Dutzend Billionen Renminbi (RMB)⁴.
Mit der Übernahme von CIPS als Rückgrat des neuen Zahlungsnetzwerks durch BRICS ist ein ursprünglich auf China-zentrierten Handel ausgelegtes System zur Architektur eines parallelen globalen Finanzsystems geworden.
Eines, das unabhängig von US-Kontrolle operieren kann.
Länder in Afrika, Lateinamerika, dem Nahen Osten und Südostasien suchen zunehmend nach Alternativen zu einer dollar-dominierten Ordnung, die anfällig für Sanktionen und politischen Druck ist.
Prognosen führender Wirtschaftsinstitutionen spiegeln diese Dynamik wider: BRICS+ könnte bis zur Mitte des Jahrhunderts fast die Hälfte des globalen BIP ausmachen, während der Anteil der G7 unter 20 Prozent fallen könnte⁵.
Selbst Frankreich, ein Gründungsmitglied der G7, hat die Idee geäussert, China zum Gipfel 2026 einzuladen – ein Gedanke, der vor zehn Jahren undenkbar gewesen wäre⁶.
Auf finanzieller Ebene ist die Nachfrage nach RMB-denominierten Produkten stark gestiegen. Mehr Länder leihen, verleihen und wickeln Handel in RMB ab als je zuvor.
Jahrelang argumentierten Kritiker, der RMB könne ohne vollständige Konvertierbarkeit keine echte Weltwährung werden. Doch die Daten erzählen inzwischen eine andere Geschichte.
Chinesische Banken haben ihre RMB-Kredite, -Einlagen und -Anleihebestände im Ausland deutlich ausgeweitet und ihr Offshore-RMB-Geschäft in wenigen Jahren vervierfacht⁷.
Entwicklungsländer setzen zunehmend auf RMB-Finanzierung, um sich vor Dollar-Volatilität und US-Geldpolitik zu schützen.
Diese Verschiebung zeigt sich in konkreten Entscheidungen: Kenia, Angola und Äthiopien haben grosse Kredite vom US-Dollar auf RMB umgestellt; Indonesien und Slowenien haben RMB-denominierte Anleihen ausgegeben.
Die kasachische Entwicklungsbank hat kürzlich Milliarden RMB auf Offshore-Märkten zu wettbewerbsfähigen Renditen aufgenommen⁸.
China und Südkorea erneuerten ein massives Währungsswap-Abkommen, das bilateralem Handel ermöglicht, den Dollar vollständig zu umgehen⁹.
Diese Finanzströme belegen eine umfassende Neuordnung, besonders deutlich in Asien. Nach einer Welle diplomatischer Aktivitäten der USA in Südostasien hat die ASEAN stillschweigend ihr Freihandelsabkommen mit China aufgewertet.
Ein klares Zeichen für die tiefe, wirtschaftliche Integration der Region mit Peking.
Mit einer Gesamtbevölkerung von 670 Millionen und einer Wirtschaftskraft von über 10 Billionen US-Dollar in Kaufkraftparität (KKP) zählt die ASEAN zu den 5 bis 6 grössten Wirtschaftsregionen weltweit und ist seit mehreren Jahren Chinas grösster Handelspartner, mit einem bilateralen Handel von mehr als 770 Milliarden Dollar¹⁰.
Kurz nach Unterzeichnung des Abkommens gab Indonesien seine erste grosse RMB-“Dim-Sum”-Anleihe aus. Die Nachfrage der Investoren übertraf die Erwartungen bei weitem und verdeutlicht, wie weit RMB-Instrumente inzwischen in aufstrebendem Asien normalisiert sind¹¹.
Auch die institutionelle Infrastruktur, die diesen Wandel stützt, wächst schnell. Globale Zahlungsdaten zeigen, dass der Anteil des RMB am Handelsfinanzierungs-Volumen in den letzten Jahren vervierfacht wurde und nun hinter dem Dollar weltweit den zweiten Platz einnimmt¹².
Grenzüberschreitende RMB-Zahlungen erreichen Rekordwerte, und CIPS ist inzwischen in mehr als 180 Ländern aktiv. BRICS-Entwicklungsbanken vergeben zunehmend Kredite in RMB und verankern die Währung in multinationalen Infrastrukturprojekten.
China und Südafrika haben kürzlich den ersten BRICS-Entwicklungskredit vollständig in RMB abgeschlossen; eine Vereinbarung, die unter der alten dollar-zentrierten Ordnung nahezu unmöglich gewesen wäre¹³.
Zusammen betrachtet deuten diese Entwicklungen auf einen unmissverständlichen Trend hin: Etwa eins von zwölf globalen Handelsgeschäften wird inzwischen in RMB abgewickelt, und dieser Anteil wächst schnell¹⁴.
Mit der Inbetriebnahme des BRICS-Zahlungssystems dürfte sich die Diversifizierung weg vom Dollar noch beschleunigen.
Für viele aufstrebende Volkswirtschaften markiert dieser Moment den Beginn echter finanzieller Autonomie.
Eine Gelegenheit, sich zu entwickeln, zu finanzieren und Geschäfte abzuwickeln, ohne auf eine einzige Währung oder eine einzige geopolitische Sphäre angewiesen zu sein.
Diese Länder bilden das Rückgrat globaler Lieferketten und sind entscheidende Lieferanten von Energie, Rohstoffen und Fertigprodukten. Ihre finanzielle Entwicklung ist nicht nur für ihre eigene Zukunft relevant, sondern für die wirtschaftliche Stabilität der gesamten Welt.
Die Ära des Dollars wird nicht über Nacht enden. Doch still und stetig entsteht ein multipolares Finanzsystem, vorangetrieben vom Globalen Süden oder der Globalen Mehrheit.
Die Welt verändert sich: Der Dollar mag noch herrschen, doch die Zukunft gehört diesem neuen System.
Fussnoten:
- MeObserver. BRICS Expands Yuan Payments Network to 185 Nations. 2025.
- SWP Berlin. China’s Currency Campaign and Global Financial Strategy. 2024.
- China Daily. CIPS Cross-Border Payments System Annual Report. 2024.
- Ibid.
- Financial Times. China’s Global RMB Loans Quadruple in Five Years. 2025.
- The Guardian. France Floats Inviting China to 2026 G7 Summit. 2024.
- Financial Times. China’s Global RMB Loans Quadruple in Five Years. 2025.
- MeObserver. BRICS Expands Yuan Payments Network to 185 Nations. 2025.
- Jamestown Foundation. Hong Kong’s Pivotal Role in RMB Internationalization. 2023.
- MeObserver. BRICS Expands Yuan Payments Network to 185 Nations. 2025.
- Financial Times. Indonesia Issues First RMB ‘Dim Sum’ Bond. 2025.
- SWIFT Institute. Global Trade Finance Currency Usage Report. 2025.
- MeObserver. BRICS Expands Yuan Payments Network to 185 Nations. 2025.
- SWIFT Institute. Global Trade Finance Currency Usage Report. 2025.




Brauche in ein Konto in RMB um selber solche Transaktionen tätigen können? RMB scheint mir ohnehin eine Währung mit Potential zu sein, also aus Sicht eines Eidgenossen. Ich könnte doch mit einem RMB-Konto noch günstiger bei Temu bestellen. Temu ist die Lohnerhöhung des kleinen Mannes.
Guter Artikel, prima recherchiert. Ich halte auch keine amerikanischen Aktien mehr, auch wenn mir ein paar Prozent vielleicht fehlen. Allein aus moralischen Gründen. Ich denke Amerikas große Zeit ist vorbei und es kommt eine multiple Weltordnung. Bis dahin kann man ja sein Geld in Landbesitz und Gold anlegen. Da verliert man wenigstens nicht so viel, beziehungsweise das Risiko ist geringer etwas zu verlieren. Und mit dem gelben Metall kann man prima steuerfrei vererben und das ist manchmal mehr wert als Rendite.
Wie können Sie Gold steuerfrei vererben, wenn Sie das Vermögen vollständig deklariert haben?
BRICS-Zahlungssystem…wer der chinesischen Währung vertraut ist selber schuld. Ein kommunistisches Regime mit einem globalen Zahlungssystem hat nichts mit Freiheit, Rechts- und Vermögenssicherheit zu tun. Enttäuschung und Verlust unausweichlich.
Meister Abt, hat’s geklappt?
SWIFT gibt es bereits seit Ende der 70er du Superhonk!
In China leiden die Kapitalgeber und es profitieren die Konsumenten.
In Europa und Amerika leiden die Konsumenten und es profitieren die Kapitalgeber.
Auch hier können alternative amerikanische Medien neue Standpunkte verschaffen mit der Erkenntnis dass das chinesische Volk nicht mehr mit Immobilien sondern mit Gold spart und dass die chinesische Währung in einem Kreislauf Rohstoffe gegen Waren genutzt wird.
Trump droht BRICS-Staaten mit Zöllen von „100 Prozent“
Stand: 30.11.2024 21:07 Uhr
Die BRICS-Länder sehen sich als Gegenpol zum Westen – und diskutieren eine Konkurrenz-Währung zum Dollar. Das missfällt dem designierten US-Präsidenten Trump. Er drohte mit hohen Zöllen, sollten die Pläne weiter verfolgt werden.
Top content. Solche Artikel wünsche ich mir mehr und nicht dieses ewig gestrige Bashing. Danke auch für die Quellennachweise.
Die Währung ist ein Derivat auf eine Wirtschaft. Die Wirtschaften von USA und EU liegen am Boden, SWIFT ist am Ende.
Eine Konkurrenz muss her.
Abt = “Desiderata” Journalismus.-> “LONDON, 28. Februar (Reuters) – Berichte über den Untergang des Dollars sind stark übertrieben. Eine Erosion des Greenback-Anteils an den globalen Devisenreserven, kombiniert mit steigenden geopolitischen Spannungen, hat das Gerede über ein Ende der Dominanz der US-Währung neu entfacht. Tatsächlich bleibt sein Lynchpin-Status unerschütterlich. Die übergroße Rolle der Vereinigten Staaten in den Kapitalmärkten, im Handel und in der Verschuldung verstärkt den Status quo”…Zu den von Abt zitierten Publikationen kann man genau so viele entgegensetzen.
Fact based & klar, objektiv nachvollziehbar. Wie immer 👍🏆
Das weltweit überall aufkommende Thema „affordability“ = ausgewogene/faire Verteilung des Kapitals/Schulden auf die Gemeinschaft, wird im Staat China (=5xUSA; aktuell am internen Zerbrechen) am besten steuerbar sein. Die RIESEN-Tanne mit 1 Spitz.
Indien hat ebenfalls 1.4 Mrd, Africa total ca 1.5Mrd und Indonesien, Brasilien, Russland etc dazu: gibt doch schon eine völlig neue Ausgangslage/ Rechnung -mit simplen Zahlen. Bei globalen Deals geht’s heute nur noch um grosse Wachstums-Mengen/Märkte. In US wachsen aktuell die Probleme.
(…) nicht nur CIPS, sondern auch XRP löst SWIFT ab. Somit ‚teilen‘ sich CIPS und XRP den ‚Zahlungstransfer-Kuchen‘. Ausgezeichnet!
🏆🏆🏆Würden am Freitagabend, nach der 19.30h Haupt-Tageschau, ab 20h, dh in der CH SRF Hauptsendezeit, statt national lustig Kochen & fein serviert beim Elsi in Hinterdorf, SOLCHE Inhalte dem zahlenden TV Volke gekocht & serviert – ich würde echt (!) wieder SRF schauen. Sicher mal wieder während der Hauptsendezeit.
Ich glaube nicht, dass wir gerade das Ende der Dollar-Ära erleben, sondern eher den Beginn einer multipolaren Finanzordnung. Der Dollar wird dabei wohl noch lange eine Hauptrolle spielen. Diversifikation macht für mich Sinn -> eine komplette Ablösung sehe ich (noch) nicht.
…und genau deshalb würde ich mein langfristiges Depot nie einseitig aufstellen!