Roger K., 51, ist draussen. Letzte Woche durfte der ehemalige Wegelin-Offshore-Banker das Frankfurter Gefängnis Preungesheim verlassen.
Dort sass er seit dem 2. Februar. Nachdem in deutsche Zöllner im Transit des Flughafens Frankfurt aufgrund eines US-Haftbefehls verhafteten, wartete er in einer Zelle auf ein Urteil.
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Nun ist sein Martyrium fürs Erste vorbei. „Die Auslieferungshaft ist am 10. September ausser Kraft gesetzt worden“, sagt Ingo Nöhre, Sprecher des Frankfurter Oberlandesgerichts, auf Anfrage.
Der 4-fache Familienvater vom rechten Zürichseeufer musste 100’000 Euro Kaution hinterlegen und eine feste Wohnadresse in Deutschland angeben, wo er sich regelmässig bei der Polizei meldet.
Laut Gerichtssprecher Nöhre wäre eine weitere Haft von Roger K. „nicht mehr verhältnismässig“ gewesen.
„Wir schauen, welche Strafe einen Beschuldigten in etwa erwartet“, begründet der Beamte die Freilassung auf Kaution. Mit 7 Monaten seit der Verhaftung habe Roger K. diese abgetragen.
Eine Fussfessel sei beim Banker nicht nötig. Er habe sich bisher an alle Auflagen gehalten.
Die Freilassung des Zürcher Wegelin-Bankers kommt überraschend. Sie ist ein Indiz, dass die Amerikaner hoch pokerten, ohne viel in der Hand zu haben.
Mehrmals hatten die deutschen Justizleute die Amerikaner in den letzten Monaten aufgefordert, ihre Vorwürfe gegen Roger K. konkret zu belegen. Dazu waren diese lange nicht in der Lage.
Eine letzte Frist per Ende August haben die USA schliesslich genutzt, um Roger K. erstmals einen präzisen Schaden vorzuwerfen.
Die Summe ist erstaunlich tief. Sie liegt zwischen 100’000 und 200’000 Dollar.
So viel soll Roger K. für amerikanische Schwarzgeldkunden mitgeholfen haben, Steuern am Fiskus vorbeizuschleusen.
Die Mini-Deliktsumme hilft Roger K., was eine mögliche Gefängnisstrafe angeht. Sein Ziel, gar nicht erst in die USA ausgeliefert zu werden, hat der Zürcher damit noch nicht erreicht.
Den Entscheid, ob eine Auslieferung zulässig sei, müsse der Gerichtssenat des Bundeslandes Hessen fällen, erklärt Sprecher Nöhre. Dies soll in den nächsten Wochen geschehen.
Ob Roger K. bei einem Beschluss gegen ihn dann auch effektiv den USA übergeben würde, entscheide nicht die Justiz, sondern das Innenministerium.
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Der Ball läge dann bei der deutschen Politik – was für Roger K. nichts Gutes verspricht.
Für den HWV-Absolvent, der Kinder im schulpflichtigen Alter hat und das gemacht hatte, was Tausende Offshore-Banker in der Schweiz taten, könnte der Albtraum andauern.
Dass ein deutsches Gericht die USA brüskieren würde, liegt jedenfalls nicht auf der Hand.
Die Amerikaner haben gegen Roger K. bisher die ganze Härte an den Tag gelegt. Damit machten sie klar, dass ihnen der Fall – gerade nach der Prozessniederlage gegen Raoul Weil – wichtig ist.
Anfang Januar 2012 hatten die USA den von der Zürcher Vontobel zur Wegelin gestossenen Roger K. angeklagt, zusammen mit zwei Kollegen der St. Galler Privatbank.
In ihrer Anklageschrift schrieben die USA von „mehr als 1,2 Milliarden Dollar“, welche die drei Wegelin-Banker „zusammen mit weiteren“ vor dem US-Steueramt versteckt hätten.
Wenige Wochen später war Wegelin Geschichte. Der Druck, den die USA durch ihre Vorwürfe erzeugt hatten, bewog die Partner, das Geschäft an die Raiffeisen zu verkaufen.
Ein Jahr später bekannte sich Otto Bruderer, neben Konrad Hummler der zweite Oberpartner der Wegelin, vor einem US-Richter in Amerika für schuldig.
Die Bank zahlte 74 Millionen Dollar Strafablass, worauf Hummler, Bruderer & Co. fein raus waren.
Zurück blieben die Angeklagten. Roger K. und seine zwei Kollegen klärten über ihre Anwälte ab, ob sie bei Reisen in Europa und Asien Gefahr liefen, verhaftet zu werden.
Die Antwort aus Bern klang verheissungsvoll. Sie seien nicht im Schengen-Fahndungscomputer aufgeführt.
Roger K., der nach seiner Wegelin-Zeit für eine kleine Vermögensverwaltung tätig wurde, wagte den Sprung über die Grenze. Der Schritt kostete ihn 7 Monate seines Lebens.
Von Beginn seiner Frankfurter Haft weg zeigte sich der Zürcher kämpferisch. Seine Anwälte in Deutschland, den USA und der Schweiz boten den Amerikanern die Stirn.
Diese standen mit ihren dürftigen Auslieferungsbegehren mehr und mehr als Bluffer da. Am Ende konnten sie Roger K. statt einer Milliarden-Deliktsumme nur gut 100’000 Dollar nachweisen.
Woher Roger K. das Geld für seine Verteidigung mit drei Anwälten in drei Ländern her hat, ist nicht bekannt.
Konrad Hummler meinte vor 10 Tagen auf Anfrage, er sei in die Angelegenheit „nicht mehr involviert“.
Für Hummler und seinen Ex-Kollegen Bruderer wäre eine Auslieferung von Roger K. nicht ungefährlich.
Vor einem US-Richter würde sich Roger K. wohl als einfachen Befehlsempfänger von oben schildern.
Als Kundenberater mit US- und anderer Klientel habe er nur das gemacht, was die Partner ganz oben in der Wegelin ihm vorgegeben hätten – so könnte er sich zu rechtfertigen versuchen.
Je nachdem, welche Beweise Roger K. in der Hinterhand hat, wären die Vorwürfe geeignet, Bruderer und Hummler in Verruf zu bringen.
Diese haben zwar einen Deal mit der US-Justiz in der Tasche, der sie vor Strafverfolgung schützen dürfte.
Doch wenn ihr Ex-Mitarbeiter Neues und Konkretes auf den Tisch legen kann, würde den beiden Persönlichkeiten ein Rufschaden drohen.
Vor allem Hummler setzte nach dem Wegelin-Ende alles daran, wieder „salonfähig“ zu werden – mit einer eigenen Kolumne in der SonntagsZeitung und vielen weiteren Auftritten.
Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Die miese Full-Spectrum-Dominance doctrine der Amis umfasst eben auch den Finanzsektor…und Merkel ist wahrscheinlich des Ami’s bester Freund
(…und dieser Kommentar kommt von einem Deutschen!). -
wie gehabt bei allen schmutzigen Geschäften, die Kleinen hängt man – die Grossen lässt manl laufen.
Dass die Banker wie Hausierer in fremden Landen dies auf Anweisungen von oben gemacht haben, dürfte nun jedem klar sein.. Siehe auch die präparierten Laptops der USA Banker etc.
Was für eine Gesellschaft von Lügnern und verantwortungsfernen
Stümpern. -
ich freue mich schon auf die nàchsten Kandidaten…
http://www.zerohedge.com/news/2015-09-15/bankers-will-be-jailed-next-financial-crisis -
Roger K. ist das Opfer. Leider. Warum?
Weil alle vor den USA kuschen. Wie lange noch will sich Europa von den Amis dirigieren lassen? (Mindestens so lange Merkel am Ruder ist.) 🙁
Warum führt man in Europa nicht die gleichen Vorschriften (Handel, Bankgeschäft, Reisegeschäft) ein gegenüber den USA wie diese gegenüber uns?
Europa schafft sich selber ab mit dieser lahmen Einstellung.
Die Schweiz ist nicht Europa (zum Glück), aber genau gleich lahm und zahm gegenüber den arroganten Amis.
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@ vogelschau: ha, ha, ich lach mich schlapp! Brilliante Analyse! So, so, die Schweiz ist also nicht Europa? Gut zu wissen! Aber was ist denn dann die Schweiz? Asien? Oder Afrika? Junge, junge, Du warst in der Schule nicht so wirklich die grosse Leuchte, oder?
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@Geo Teacher, die Schweiz ist tatsächlich nicht Europa, es ist Teil von Europa. So wird vogelschau es auch gemeint haben. Etwas spitzfindig von ihnen denke ich, a propo Leuchte.
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@ Costi: ok, nehmen wir mal spasseshalber an, vogelschau hätte tatsächlich gemeint, die Schweiz sei nicht identisch mit Europa sondern ein Teil dessen:
1. eine plattere Bemerkung gibt es wohl kaum. Ähnlich weise könnte man formulieren „Die Erde ist nicht das Sonnensytem“. Solche Aussagen bringen die Diskussion auf diesem Blog wirklich voran… 2. Explizit formuliert bedeutet dieser Satz nun „Die Schweiz ist nicht identisch mit Europa, sondern ein Teil dessen, aber genau gleich lahm und zahm wie Gesamteuropa gegenüber den arroganten Amis“. Interessant! Die Schweiz ist also so lahm und zahm wie Gesamtreuropa dessen Bestandteil sie ist? Wie lahm und zahm ist denn ein Kontinent, der im Westen von den Azoren und im Osten bis zum Ural reicht und 47 Staaten umfasst? Ist die Schweiz nun so lahm und zahm wie die Färöer Inseln oder so lahm und zahm wie Westrussland? Moskau liegt übrigens in Europa. Und ich habe gerade gar nicht den Eindruck, die Regierung in Moskau sei lahm und zahm und schon gar nicht „gegenüber den arroganten Amis“. Das ganze hat übrigens rein gar nichts mit Spitzfindigkeit zu tun, sondern mit Bildung. Und wenn wir schon dabei sind: so wird „apropos“ geschrieben. vogelschau = Costi?
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Danke für die Neuigkeit!
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@Geo Teacher! Ich würde Inside Paradeplatz nicht mehr lesen, wenn es nur noch Kommentare von Klugsch…. sorry! – teachern gäbe!
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Wieso? Er hat doch recht. Im Augenblick laufen so viele Rattenfänger rum die Europa, EU, Euro und Schengen und Dublin und alles in einen Topf rüeren. Der Wahlkampf lässt grüssen. Ist doch gut wenn jemand da noch den Durchblick hat…
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wie gehabt bei allen schmutzigen Geschäften, die Kleinen hängt man - die Grossen lässt manl laufen. Dass die Banker wie…
Danke für die Neuigkeit!
Roger K. ist das Opfer. Leider. Warum? Weil alle vor den USA kuschen. Wie lange noch will sich Europa von…