Der jüngste Übergriff der Schuldenkrise auf Spanien scheint den drohenden Zerfall des Euroraums zu beschleunigen. Eifrig sucht nun die Politik in Brüssel und Berlin, mit einem neuen Ansatz zu einer noch tiefgreifenderen politischen Union die Krise zu überwinden. Die Gegensätze zwischen eisernen Sparern und eifrigen Schuldenmachern werden zusehends zum regelrechten Glaubenskrieg.
Diese Gegensätze bräuchten indes gar nicht so gross zu sein, hatte selbst der geistige Vater der schuldenfinanzierten Nachfragepolitik, John Maynard Keynes, stets Gutes über Berlins Verrechnungsmodell zu berichten, wo seit Urzeiten die Sparapostel das Sagen haben. Über die Bedeutung der Währungspolitik innerhalb der Neuordnungsplanung Hitlerdeutschlands schrieb Keynes 1940: „The most definite of the German plans, so far, is the currency scheme of Dr. Funk.“
Der letzte Reichsbankpräsident des NS-Regimes, Walther Funk, hatte bei verschiedenen Anlässen seine Vorstellungen von einer Währungskooperation in Europa beschrieben, die dem heutigen System nicht unähnlich sind. Für Funk hatte ein gut funktionierendes Verrechnungssystem mit festen Umrechnungssätzen über möglichst lange Zeiträume eine zentrale Bedeutung, um den europäischen Absatzmarkt und den Plan eines deutsch-europäischen Grosswirtschaftsraumes nach der Devise „Autarkie und Export“ zu sichern.
Erst die dauerhafte Verankerung der Wechselkurse im Eurosystem stellte jene Garantie her, die auch Funk ein halbes Jahrhundert zuvor vorschwebte. Wenn Parallelen zwischen dem Euro und den NS-Währungskooperationsmodellen bestehen, dann muss man annehmen, dass der Euro der deutschen Wirtschaft Vorteile bringt. Die zentral über die Berliner Verrechnungskasse geführten Verrechnungskonten während der Zeit des Dritten Reichs sollten die spätere Grundlage für die Verrechnung innerhalb eines Währungsverbundes mit festen Wechselkursen werden.
Diese Rahmenbedingungen haben aber offenbar nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass der Euroraum zu dem wurde, was er heute ist: ein von der deutschen Wirtschaft und Politik massgeblich geprägter Wirtschaftsraum, der sich gerne mit verbalen Einheitsmäntelchen schmückt. Der Einheitsname Euro darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nach wie vor ein System fester Wechselkurse ist, mit jeweils eigenen Nationalbanken, die lediglich nach aussen sich mit einem Einheitsnamen schmücken (siehe Artikel vom 17. Januar 2012).
In Anlehnung an Herbert Martini, dem Leiter der Hauptabteilung IV im Reichswirtschaftsministerium, befürwortete Deutschland 1940 für einen Staatenbund eher einen Währungsverbund und die Festsetzung der Wechselkurse. Zum Funktionieren dieses Währungsverbundes schlug Martini die Gründung einer Europabank mit Sitz in Wien vor. Die Notenbanken der beteiligten Staaten sollten durch Verträge mit dieser Europabank verbunden werden, welche alle Forderungen der Mitgliedsländer verrechnet. Die Europabank hatte die Aufgabe, als zentrale Verrechnungskasse zu fungieren, nachdem die Wechselkurse der Währungen festgelegt worden wären.
Als besonderen Vorteil führte Martini aus, dass ein Währungsverbund aussenpolitisch die Selbständigkeit der Länder demonstriere, jedoch innerhalb des Währungsraums die Länder so stark an Deutschland gebunden seien, dass später ein Ausstieg nicht mehr möglich sei. Was ist davon übrig geblieben? Deutschland könnte so seiner Ansicht nach durch verschärfte Deckungsbedingungen die Staaten zur Haushaltsdisziplin zwingen.
Ähnlich scheint das Modell der Struktur im Eurosystem zu sein: Das dezentrale System der Refinanzierung der nationalen Geschäftsbanken durch die 17 NZB (Niederlassungen der Europäischen Zentralbank) scheint ebenfalls diesem Konzept der dezentralen Wirtschaftslenkung zu entsprechen. Besonders interessant ist, dass Martinis Entwurf in vielem der Satzung der EZB ähnelt. Diese Konstruktion hilft uns heute auch den Umstand der unterschiedlichen Preise und Realzinsen im Euroraum besser verstehen.
Innerhalb eines Jahrzehnts nach der Euroeinführung sind die Produktionskosten in Deutschland niedriger als in den meisten anderen Eurostaaten. Das erklärt sich z.T. damit, dass die frisch gebackenen Eurostaaten kurz nach der Euroeinführung von Deutschland geradezu ermutigt wurden, deutsche Löhne und Sozialstandards zu übernehmen. Hohe Lohnabschlüsse und eine Ausweitung des Kreditvolumens führten zu einer Realaufwertung dieser Länder. Eine Realaufwertung einzelner Mitglieder der Euro-Zone relativ zu anderen innerhalb des Währungsverbundes verschlechtert zudem erheblich die eigene Wettbewerbsfähigkeit und das aussenwirtschaftliche Gleichgewicht. Zusehends konnte sich Deutschland real abwerten und binnen eines Jahrzehnts zum Wirtschaftsmotor Europas entwickeln, während eine anhaltende Wirtschaftsschrumpfung in den Randzonen des Währungsraums Arbeitsplätze vernichtete und weniger Steuern generierte.
So konnte ein Währungsmechanismus „Made in Germany“entstehen, der in seiner Grundausstattung zum einen aus unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Einheiten mit unterschiedlichen Zinsen und unterschiedlichen Inflationsraten besteht, zum anderen nahezu perfekt den Warenverkehr weitgehend vom Kapitalverkehr abgekoppelt hat. Dank der Sonderausstattung bleiben Deutschland die inflationistischen Rückwirkungen trotz Ausweitung des Kreditvolumens in den Randstaaten erspart.
Das Währungs- und Zahlungssystem war immerhin das Herzstück der wirtschaftlichen Neuordnung Europas. Bei Walther Funk und heute lautet das Rezept gleich: höhere Steuern und Haushaltsdisziplin. Damit sollen die Bürger der Randstaaten den Wunsch nach deutschen Absatzmärkten unter Wahrung der Preisstabilität über höhere Steuern, Abgaben und innere Wirtschaftslenkung erfüllen. Wie lange noch der Sparzwang die Sterilisierung deutscher Handelsüberschüsse durch fiskalische Daumenschrauben realisiert, bleibt nach den Wahlen in Griechenland abzuwarten.
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