Kostendruck, permanente Reorganisationen, Outsourcing, Offshoring, Nearshoring, Automatisierung, Neue Technologien, Arbeitsplatzverlust, wenig Chancen vor allem für nicht mehr ganz Junge auf dem Arbeitsmarkt (vom vielzitierten Fachkräftemangel ist nichts zu spüren): HR Mitarbeitende sind in der genau gleichen Lage wie alle anderen.
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Damit ist auch klar: HR, also Human Resources, kann für den einzelnen Mitarbeitenden keine Wunder vollbringen; das war früher schon so und ist heute nicht anders. Kosten senken heisst in unserer Branche nun einmal primär Personalreduktion.
Das geht schneller und offenbar „schmerzloser“ als Bonireduktionen – wenn man die gleiche Kreativität, die beispielsweise im Vergütungsbericht der UBS steckt, in Arbeitsmodelle einer generationenverträglichen Zukunft steckte, wäre einiges zu gewinnen: für die Banken, die Mitarbeitenden und die Gesellschaft.
Kreativität und Flexibilität sind also gefordert, der Ferienkauf ist für mich ein positives Beispiel, wenn das – und davon ist auszugehen – auf die gegenseitigen Bedürfnisse (Arbeitsspitzen, Situation im Team) abgestimmt ist.
Die wirkliche Kehrseite, die weder im Artikel noch in den Kommentaren angesprochen wird, ist folgende: Die (unteren) Linienchefs werden mit solchen Aktionen (man mag sie als „Veloständerprobleme“ bezeichnen) immer mehr zusätzlich gefordert, wozu natürlich auch andere – administrative – HR Aufgaben gehören.
HR ist also eine Führungsaufgabe, die wegen der steigenden Anforderungen bezüglich HR Themen (dazu gehören neben flexiblen Arbeitszeiten auch neue Arbeitsformen, Globale Teams, Home Office) immer noch anspruchsvoller und belastender wird. Dies ist ein erster wichtiger Ansatzpunkt: Wer als Chef das noch nicht verinnerlicht hat, muss es lernen – HR kann und soll das unterstützen, und zwar in jeder Beziehung (Information, Beratung, Berücksichtigung im Performance Management / Bonus).
Wettbewerbsfähigkeit entscheidet sich natürlich nicht nur auf der Kostenseite. Könnte also HR die Ertragsseite beeinflussen und damit (auch) etwas für den einzelnen im Sinne einer langfristigen Sicherung von Arbeitsplätzen tun? Die Forderung ist aufgestellt und wird als eine der grossen Herausforderung für HR gesehen (Ulrich / Brockbank: The HR Value Proposition), praktisch ist man auch mehr als zehn Jahre später wohl eher auf dem Weg dahin als bereits angekommen.
Warum sollen wir uns denn trotzdem mit HR auseinandersetzen? Spannend, aber für unsere eigene berufliche Entwicklung auf den ersten Blick ohne grössere Bedeutung, sind primär die Schlagzeilen:
– HR hat (endlich) „a seat at the table“; so ist etwa Sabine Keller-Busse als Group Head HR seit Beginn dieses Jahres Mitglied der UBS Konzernleitung.
– Bekommen HR Themen damit ein stärkeres Gewicht? Dass mit der Ernennung von Martin Blessing jemand als Nachfolger von Lukas Gähwiler bestimmt wurde, der in der strategischen Nachfolgeplanung und -entwicklung kaum eine Rolle gespielt hat, gibt ein zwiespältiges Signal.
– Allerdings: In speziellen Lagen wie nach dem Austritt von Mathis Cabiallavetta und dem offensichtlichen Vertrauensdefizit der damaligen obersten UBS Führung (belegt und auch angemessen intern und extern kommuniziert, unter anderem durch eine Mitarbeiter-Befragung) war die Wahl eines Externen (Alex Krauer) absolut zwingend und richtig.
– Zweite Bemerkung: Dass jetzt bei Nestlé ein Externer an die Spitze kommt, ist etwas (wenn auch nicht wirklich überzeugend) nachvollziehbarer begründet, und interessanterweise zielen die Spekulationen darüber nicht auf den Mann (was bei UBS mit Axel Weber als vermeintlichem „Drahtzieher“ der Fall ist).
– Der Rücktritt von Lukas Gähwiler ist ebenfalls kein Grund zur Aufregung, sondern aus HR Sicht im Gegenteil ein praktisches Beispiel dessen, was hier immer vertreten wird: persönliche Standortbestimmung machen, Optionen erwägen, entscheiden mit Risikoabwägung, weitermachen.
– Es sollte heute eigentlich gesellschaftlich akzeptiert sein, dass Karrieren nicht immer nur nach oben verlaufen.
– Drittens: Natürlich ist die Situation eines Konzernleitungsmitgliedes nicht vergleichbar mit dem Rest der Welt (finanziell, Marktwert / Reputation, Netzwerk!), aber …
– … die Möglichkeit, andere Positionen zu übernehmen, müsste nun Vorbild sein für einen weiteren Kreis – und da ist HR nun tatsächlich gefordert.
HR muss also noch mehr tun, um Mitarbeitende so zu entwickeln und zu platzieren, dass vermehrt offene Stellen intern besetzt werden können. Das ist nicht gratis zu haben, aber wesentlich besser als über den Fachkräftemangel zu klagen, massenhaft Stellenausschreibungen zu schalten oder Ausländer einzustellen (mit etwas Zurückhaltung hätte die Masseneinwanderungs-Initiative (MEI) wohl vermieden werden können) und gleichzeitig interne Kräfte abzubauen.
Es ist zu wünschen, dass im International Center of Economics and Society – zum Beispiel im Bereich „Innovation and Entrepreneurship“ – Modelle entwickelt und in der Praxis getestet und umgesetzt werden, welche die demografische Entwicklung, die politische Situation (MEI, Bilaterale), die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und anderes bezogen auf HR berücksichtigen. Die Mittel und der Praxisbezug (UBS als „Testgelände“) sind ja vorhanden.
Und hier nun die Kehrseite der Medaille: HR ist weder zuständig noch verantwortlich für die Mitarbeitenden; HR stellt verschiedene Prozesse und Dienstleistungen zur Verfügung, aber verantwortlich für Sie sind primär Sie selber, idealerweise in Zusammenarbeit mit Ihrem Chef und unter Berücksichtigung Ihres familiären und weiteren Umfelds.
Hier können wir uns kurz halten und lediglich 3 Punkte hervorheben, denn inhaltlich geht es um das, was im Standpunkt „Berufliche Fitness“ (Übersicht und Links) seit Jahren aufgezeigt wird.
1. Als Chef oder Mitarbeitender müssen Sie nicht HR verstehen (wie häufig gefordert wird), sondern die Menschen, sich selber, Ihr Team, was den einzelnen motiviert, demotiviert, weiterbringt, die Erkenntnis, dass andere nicht gleich ticken wie Sie selber.
2. Dafür braucht es Wissen (nicht nur über Menschen, sondern auch: Strategie, Kunden, externe Entwicklungen), Offenheit, Mut (nach allen Seiten), Change Management (dazu mehr im nächsten IP Standpunkt zur „Beruflichen Fitness“), gesunden Menschenverstand, Beziehungen, ein Verständnis für den Nutzen, den Sie generieren*).
3. Bei all dem gibt es keine direkten Wege; niemand kann versprechen, dass wenn Sie „X“ tun, Sie Ihren Job behalten oder schneller einen neuen finden werden. Nötig ist eine Mischung von sich ergänzenden Massnahmen, vom Handeln im Jetzt und vom Denken in Szenarien der Zukunft. Das kann Ihnen niemand abnehmen.
Also: Frage nicht, was HR für dich tun kann, sondern mache es selber!
*) Wenn Sie darüber mehr wissen wollen, lesen Sie das im Text erwähnte „The HR Value Proposition“. Wenn Sie „HR“ übersetzen mit „Ich“ oder „Was heisst das für mich?“, lohnt sich die Anstrengung, auch wenn Sie nicht in einer HR Funktion tätig sind. Unzählige „Selbstverständlichkeiten“ regen zum Nachdenken an, beispielsweise „Focus on deliverables, not doables“.
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Die beliebtesten Kommentare
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Nun ja. Ich verstehe voll was geschrieben wurde. Als langjähriger Banker habe ich viel davon erfahren müssen. HR hat nichts mehr mit Human Recources zu tun. HR ist heute nur noch Human Recycling. Leider ist das so. Wenn all die erfahrenen Mitarbeiter noch arbeiten würden, hätte es die meisten Probleme im Bankensektor in den letzten 20 Jahren nicht gegeben. Die Mitarbeiter sind nur noch Arbeiter, die ganz genau das machen müssen, was ihnen vorgegeben wird. Sie können sich nicht mehr selber Entfalten, Verantwortung und Freude am Job haben. Deshalb arbeiten sie nur die Zeit, die ihnen vorgegeben wird. Aus diesem Grund müssen natürlich mehr Leute eingestellt werden. Ein klarer Grund für die Steigenden Kosten. Dies müssen die Leute mit viel Wissen und Erfahrungen leider bezahlen. Noch ein Punkt: Die krankheitskosten im Arbeitsbereich sind auf einer Höhe von 10 Mia. Ist es das was wir brauchen?
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@hallo Bruco, danke für den sehr interessanten Beitrag. Nur den Schluss verstehe ich nicht ganz. Dienst nach Vorschrift, da wirst du meiner Meinung nach bei Banken und Versicherungen i. d. R. nicht mehr alt. Und wo mehr Leute eingestellt werden sollen weiss ich auch nicht. Personalkosten ist der Kostentreiber Nr. 1. Deshalb sinken ja überall in der Finance Branche die Angestellten (in Zahlen) und/oder verschwinden in die Billiglohnländer. Die Allianz macht das nicht exklusiv.
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HR kann in der Regel nichts und folglich ist von HR auch nichts zu erwarten. Daily Business ist im HR das müde abarbeiten von Prozessen, meist durch frustrierte Teilzeitmuttis oder völlig lebenspraxisferne junge überschminkte KV-Abgängerinnen. Entlassungen, schlechte Zeugnisse, andere Schikanen gegen Mitarbeiter gehen indes speditiv von der Hand.
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Wurde bei der Allianz entlassen. Wenn du bei der Allianz erst mal den Status gekündigt hast, bist du für die Allianz einfach tot. Das HR hat vorher nichts abgeklärt, sie haben absolut kein Interesse an dir. Die sind nur für die Top-Manager da. Bei mir war es so, einerseits wurden Mitarbeitende vorstellig für offene Stellen in ihrem Bereich (per sofort für mich), andererseits hatte ich bereits eine mündliche Vereinbarung für die nächste Vakanz in einem anderen für meine Ausbildung sehr interessanten Bereich. Habe mich jahrelang extern aus- und weitergebildet (soweit zur beruflichen Fitness). Ganz allgemein entlassen sie gerne Mitarbeitende mit der 4 oder 5 auf dem Rücken. Je länger sie dabei waren, desto besser. Früher wurden Billigarbeiter aus Deutschland als Fachkräfte verkauft, heute machen sie das selbe Spiel mit Leuten aus dem Ostblock. Ist meine Meinung. Sozialkompetenz im HR oder in der ganzen Unternehmung; in absolut keiner Weise vorhanden. Man entlässt die Mitarbeitenden scheibchenweise, damit kein Sozialplan nötig ist und es keine Presse darüber gibt. Habe die Erfahrung gemacht, die berufliche Qualifikation ist in der Praxis unbedeutend.
@hallo Bruco, danke für den sehr interessanten Beitrag. Nur den Schluss verstehe ich nicht ganz. Dienst nach Vorschrift, da wirst…
Wurde bei der Allianz entlassen. Wenn du bei der Allianz erst mal den Status gekündigt hast, bist du für die…
HR kann in der Regel nichts und folglich ist von HR auch nichts zu erwarten. Daily Business ist im HR…