Für rund 650 Millionen leistete sich die Genossenschaftsgruppe Raiffeisen einen neuen Avaloq-Computer. Was die Nummer 3 für das viele Geld genau an Verbesserungen kriegt, ist von aussen nicht ersichtlich.
Dafür könnte die Rechnung nochmals steigen. Und zwar happig. Weitere 100 Millionen oder noch mehr stehen auf dem Spiel. So viel müsste die Raiffeisen zahlen, um sich aus einem Deal mit ihrer Lieferantin Avaloq herauszukaufen.
Wer kommt zur Kasse? Die 250 Raiffeisen-Banken in allen Teilen des Landes natürlich. Genauer: deren Besitzer, insgesamt 2 Millionen Genossenschafter. Sie werden immer mehr zur Ader gelassen rund um das neue System, das an Silvester endgültig eingeführt worden war und das Alte ablöste.
Die möglichen 100 Millionen Zusatzkosten sind die Folge einer eigentümlichen 180-Grad-Wende der Raiffeisen-Spitze. Die obersten Genossenschafts-Banker hatten nämlich erst vor Jahresfrist mit ihren Avaloq-Verhandlungs-Partnern einen Vertrag unterzeichnet.
Wir verkaufen Euch unsere 51 Prozent an der gemeinsamen Informatik-Tochter, lautete dieser. Das Joint-Venture heisst Arizon, und der Entscheid, die Mehrheit daran an Minderheits-Partnerin Avaloq abzustossen, kam damals überraschend.
Im Rückblick passt die Transaktion aber ins Bild der damaligen aufregenden Zeit. Patrik Gisel war seit 2 Jahren CEO der Raiffeisen-Zentrale, und als solcher versuchte er, die Wahnsinns-Expansion seines Vorgängers Pierin Vincenz bis Mitte 2015 rückgängig zu machen.
Es war ein Wettlauf mit der Zeit. Die Ermittlungen gegen Vincenz spitzten sich in jenen Herbst-Tagen 2017 immer mehr zu. Gisel und sein Mann für die wichtige Informatik, Rolf Olmesdahl, drückten aufs Tempo.
Den Avaloq-Chefs rund um Francisco Fernandez und dessen neue Geldgeber von Warburg Pincus, einer US-englischen Finanzinvestorin, war das noch so recht. Die 51 Prozent der Raiffeisen an Arizon an uns? Gerne.
Die Haltung lag auf der Hand. Die Avaloq-Chefs konnten mit dem 100-prozentigen Besitz an Arizon schliesslich den Wert ihrer Gruppe weiter steigern – dies mit Blick auf einen Verkauf, beispielsweise an einen IT-Multi, oder einen Börsengang, mit dem Fernandez schon lang geliebäugelt hatte.
Um die Avaloq wertvoller zu machen, würde ein Vollbesitz an Arizon einiges beitragen können. Beim Tochterunternehmen kümmern sich 250 Spezialisten um die gesamte Informatik und technische Abwicklung der 250 Raiffeisen-Banken sowie der Zentrale in St.Gallen. Das Unternehmen ist nichts weniger als das technische Herz der grossen Genossenschaftsbank.
Sobald die Avaloq nicht nur 49 Prozent an der Arizon hält, sondern die gesamten 100 Prozent besitzt, würde es für die IT-Gruppe einfacher, weitere Inlandbanken neben der Raiffeisen auf die Plattform zu bringen. Die Arizon würde so unter uneingeschränkter Führung der Avaloq-Spitze zu einem IT- und Abwicklungszentrum in der Schweizer Retail-Landschaft.
Ein Riesenschritt für Avaloq, ursprünglich ermöglicht durch den Grossauftrag der Raiffeisen-Gruppe. So der Plan.
Der droht nun zu scheitern. Mister Informatik der Raiffeisen, der erwähnte Rolf Olmesdahl, will den Verkauf von Arizon an die Avaloq stoppen. Der gleiche Mann, der vor Jahresfrist seine Unterschrift unter den Verkaufsvertrag setzte, machte kürzlich einen scharfen Rückzieher.
Warum? Insider zeichnen das Bild eines Manns, der sich gewohnt ist, sein eigenes internes Reich immer zuerst zu sehen. Olmesdahl wurde gross in der Informatik des Finanzmultis UBS, nach einem Machtkampf verschwand er bei der Zurich Versicherung in der Versenkung.
Mit dem Raiffeisen-Job erhielt Olmesdahl die grosse Chance für ein fulminantes Comeback. Nun will er nicht wieder ohne wichtige Abteilung dastehen, so die Vermutung eines Gesprächspartners.
Die Ereignisse spielten Olmesdahl in die Hand. Solange Patrik Gisel am Ruder war, hielt sich die Raiffeisen an den Exit-Vertrag mit der Avaloq. Im November aber stürzte Gisel über eine Affäre mit einer Verwaltungsrätin der Raiffeisen. Da war der Weg frei für Olmesdahl.
Der IT-Chef nutzte das Vakuum in der Manier eines an politische Machtspiele bei Grosskonzernen geübten Managers. Er zog den Stecker und stellte den Exit-Deal rund um Arizon zur Debatte.
Laut Inside-IT, ein Online-Fachmedium, entscheidet sich in Bälde, ob die neue Raiffeisen-Führung unter CEO Heinz Huber Olmesdahl stützt oder doch noch den mit Avaloq ausgehandelten Verkaufsvertrag einhält.
Falls sich Olmesdahl durchsetzt, muss die Raiffeisen der Avaloq als Entschädigung hohe Summe zahlen. Weil aber die Raiffeisen mit dem Verkauf ihrer einstigen 10-Prozent-Beteiligung an der Avaloq viel Gewinn erzielt hatte, spielt das in den Augen der Powermänner wie Olmesdahl keine Rolle.
Ist doch nur Peanuts, sagen die, Hauptsache, wir behalten die Kontrolle über die IT. Was Olmesdahl aber wirklich meint ist: Hauptsache, ich bleibe Grossherrscher.
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Die beliebtesten Kommentare
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In dieser Beziehung hat Olmesdahl recht. Die IT auszulagern ist das Allerdümmste, was eine Bank machen kann.
Auf der anderen Seite musst man sich aber auch fragen, warum er nach diesem Disaster mit der IT bei RB nicht schon längst hat gehen müssen. -
Also bei bei diversen Grossbanken ist insourcing doch gerade wieder in….. follow the trend!
Aber: Bei der IT macht es im Zeitalter der Digitalisierung wirklich Sinn…..
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War Olmesahl im gleichen Solarium wie Trump?
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Olmesdahl hin oder her. Ich kenne ihn nicht und auch sind mir die Machtspiele bei der RB völlig egal. Aber: Er hat absolut recht. Welcher Vollidiot gibt schon die Kontrolle seiner IT an Avaloq ab. Die Bank ist bereits mit dem Produkt aus dem Hause Avaloq in Ketten gelegt. Die Kosten werden explodieren. Die RB wird gemolken wie jede andere Avaloq Bank auch. Die Investoren wollen an die Börse. Wie steigerst du nun den Wert der Kiste? Neue Kunden gewinnen oder bestehende aussaugen. Das mit den neuen Kunden ist nicht so einfach, aber die Kühe im Stall kann man melken, da ein Migrationsprojekt auch für eine mittlere Bank schnell mal 70 bis 150 Mio. CHF kostet. Wer will da schon so schnell weg? Zudem sind die Alternativen nicht gerade sexy. Also: die bestehenden Kunden hocken in einem goldenen Käfig. Avaloq übertreibt es so lange, bis sich ein neuer Anbieter in Position gebracht hat. Die meisten Avaloqbanken hocken auch schon wieder 10 bis 15 Jahre auf dieser uralten Schwarte. Das Ding ist so hässlich, dass gewissen Banken anfangen, das GUI zu ersetzen. Es wird Zeit, dass die nächsten Migrationswellen anrollen. Der Krug geht zum Brunnen bis er bricht. In dieser Situation kann ich Olmesdahl komplett verstehen. Die RB hat nach einem Verkauf die Governance aus der Hand gegeben. Das kann sie sich nicht leisten. Ich meine, dass Gisel einen Vogel hatte, war ja schon länger klar und deshalb finde ich, dass endlich mal einer ein Rücken mit Rückgrat hat und diesen Entscheid forciert. Hoffe, dass Huber den Bug auch checkt und den Typen in der Manegg etwas die Stirn bietet. Viel Glück. Egal, die 100 Mio. CHF sind es Wert, die Kontrolle zu behalten. Bin gespannt. LH, halte viel von deinen Artikel, aber da bist du jetzt auf der falschen Seite. Guck dir mal den Avaloq-Laden an. Das gäbe Geschichten hier.
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Beim Stichwort „eigentümliche 180-Grad-Wende der Raiffeisen-Spitze“ kommt unweigerlich auch Eigentümliches aus der jüngeren Vergangenheit in den Sinn, z.B.:
– Vincenz‘ strategische Irrfahrt im Asset Management (Dynapartners-TCMG-CEAMS-1741-Vescore) nimmt ein überraschendes Ende im Dezember 2014: Alles in einen Topf, Deckel drauf und 2016 an Vontobel verramscht.
– Überraschende Ankündigung im Januar 2015: Vincenz tritt auf Ende März 2016 als CEO zurück.
– Überraschende Ankündigung im März 2015: Vincenz gibt den Stab bereits am 1. Oktober 2015 an Gisel weiter.
– Überraschend wird Vincenz im Juli 2015 Präsident der neuen Investnet-Holding, d.h. hierarchisch unter dem neuen Raiffeisen-CEO Gisel!
– Dank Insideparadeplatz wissen wir, dass kurz zuvor die Investnet-Gründer (inkl. unsichtbare Beifahrer) überraschend Kasse gemacht haben.
Aus der Vergangenheit lernen wir also, dass die wahren Gründe von überraschenden und eigentümlichen Entscheiden der Raiffeisen-Spitze oft erst hinter zwei, drei Ecken zum Vorschein kamen. Was also steckt im Fall Arizon dahinter?
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Das hätte man nicht besser formulieren können : Die Kontrolle über die IT behalten. Damit müsste man jedweden Vorstand abwatschen, die sich von Lobbyisten einreden lassen, mit einem neuen Bankensoftwarepaket aus dem Hause AVALOQT24 usw. würde alles viel viel besser werden.
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„Ein Regenbogen ist ein atmosphärisch-optisches Phänomen …“ Grad so auch das Avaloq-Projekt. Deswegen wahrscheinlich auch der Name. Das kostet leider weit mehr als 650 Mio. CHF. Man war in der Verbuchung einfach sehr kreativ. Aber die dummen Raiffeisen-Banken kriegens im Dämmerschlaf halt nicht mit.
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Den IT und Operations Betrieb aus der Hand zu geben und sich in die 100%ige Abhängigkeit einer von undurchsichtigen ausländischen Investoren beherrschten IT Bude zu verirren, wäre für die systemrelevante letzte CH Bank wohl der nächste grobe Unfug und würde bis in alle Zukunft einiges mehr als 100 Mio. Schaden verursachen. Keinem vernünftigen und verantwortungsvollen Manager käme eine solche Verscherbelung von Kernkompetenzen in den Sinn. Ja, lieber ein Ende mit Schrecken (und verantwortliche GL und VR Mitglieder zur Rechenschaft ziehen) und noch rechtzeitig den Kurs korrigieren.
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Raiffeisen würde sich in einem Kunden-Lieferanten Verhältnis mit Avaloq dumm und dämlich zahlen. Man hätte keinen direkten Zugriff mehr auf die eigene IT und wäre gezwungen für Dienstleistungen, die grösstenteils von ehemals eigenen Leuten erbracht werden, jeden verlangten Preis zu zahlen. Es ist geradezu unternehmerische Pflicht aus diesem unsäglichen Vincenz Deal auszusteigen. Lieber ein Ende mit Schrecken.
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Wie ich gehört habe, entspricht der Kommentar den von RCH berücksichtigten Tatsachen – nebst nebensächlichen weiteren – die zu der getroffenen Entscheidung beigetragen haben. Gut oder nicht – das steht auf einem andern Blatt?
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Nicht nur würde sich Raiffeisen dumm und dämlich zahlen. Die Qualität der ausgelagerten IT / Operations kann man sich bei der Deutschen Bank anschauen. Ein Desaster. Und intern hat niemand mehr das know-how den externen Anbieter zu challengen.
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ja, wir die Genossenschafter werden wohl gemolken werden um den aufgeblasenen Kopf in St. Gallen zu finanzieren. Es hat eigentlich schon begonnen – wir wurden als Genossenschafter von einem „Bankdirektor“ im AG persönlich angerufen im Dez.18, dabei wollte er wissen, wieso man so WENIG Umsatz mache mit den Kontos, ob es eher um das jährliche gratis Genossenschaftsessen gehe?
Es verschlug uns einfach nur die Sprache ob solcher Arroganz und Frechheit.Eigentlich wollten wir sofort alles kündigen – dann aber sagten wir uns – jetzt erst recht nicht.-
Das Essen ist wohl einfach zu gut.
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Was gabs zu essen? 🙂
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Hauptsache Grossherrscher hahahah xD
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„…spielt das in den Augen der Powermänner wie Olmesdahl keine Rolle“. „Olmesdahl“ und „Powermänner“ im selben Satz nennen? Soll ich lachen oder weinen?
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Rolfi und seine Gang haben es fast geschafft. Alle hören aufs Kommando. Dazu fetter Bonus trotz hergwürgter Avaloq-Einführung und prallvoller Pensionskasse inkl. goldener Fallschirm!! Die eigenen Macht ist wichtiger als alles andere..
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Sehr gut! Die Bankster sorgen stets selber dafür, dass das Volk den Hass auf sie nicht vergisst!
Gier frisst Hirn. Auch das letzte 🛑-Schild wird ignoriert!
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Rolf Olmesdahl? Wo immer er war, da hat er sich zwar sehr gut verkauft, aber eine echte Leistung war nie ersichtlich. Typischer Grossbanken Grossschwätzer.
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Unerhört! Unnötig zu fragen, wo war der RBCH-VR?
Noch eine Schweinerei des unfähigen VR’s!
Hoffentlich können diese noch belangt werden! -
das passiert wenn Leute aus der Versenkung wieder auftauchen; diese verschwinden ja meistens nicht ohne Grund…. Raiffeisen HR Due Diligence bei Einstellungen scheint „room for improvement“ zu haben
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Nein? Doch! Aaaah….
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Die Frage ist doch: Warum ist Ohlmensdahl nach dem nach allen Erfolgskriterien völlig gescheiterten Projekt Rainbow noch im Amt?
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..man hat nichts gelernt aus der früheren Vontobel-Kooperation, schon dort musste man nach der Pfeife einer anderen Firma tanzen und wurde ausgenutzt – würde man die Mitarbeiter fragen, keiner will zur Avaloq – ist ja logisch, Avaloq würde wohl die Hälfe der Mitarbeiter auf die Strasse stellen, tolle Arbeit gemacht – Danke und jetzt kannst du gehen
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Tja, es können sich nicht alle so schnell aus dem Staub – aus der Verantwortung stellen wie der RBCH-VR.Und dann noch bis zur Pensionierung ein lukratives Mandat der RB erhalten…
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Die Frage ist doch: Warum ist Ohlmensdahl nach dem nach allen Erfolgskriterien völlig gescheiterten Projekt Rainbow noch im Amt?
Rolf Olmesdahl? Wo immer er war, da hat er sich zwar sehr gut verkauft, aber eine echte Leistung war nie…
Raiffeisen würde sich in einem Kunden-Lieferanten Verhältnis mit Avaloq dumm und dämlich zahlen. Man hätte keinen direkten Zugriff mehr auf…