„Ich gelange an Sie als intimster Kenner der Bank Wegelin und möchte Ihnen einige Informationen mitteilen, welche ich loswerden möchte.“
Es ist der Beginn eines anonymen Mails, das derzeit auf Schweizer Redaktionen landet. Der Anonymous versichert darin, dass „diese Informationen der Wahrheit entsprechen.“
Damit erreicht der Fall Wegelin eine neue Dimension. Es zeigt sich erstmals offiziell, dass auch die untergegangene Sankt-Galler Privatbank ihren Whistleblower hat.
Ohne diesen hätte das älteste Finanzinstitut der Schweiz vermutlich nicht ihr Handtuch werfen und letzte Woche unter die schützende Haube der Raiffeisen-Gruppe flüchten müssen.
Wie vor 4 Jahren bei der UBS, als der Amerikaner Bradley Birkenfeld schwere Vorwürfe gegen die Spitze der Grossbank um die US-Steuerpraxis erhob, zielt auch der Wegelin-Ankläger auf oberste Chargen.
Zum einen ist das Christian Hafner, Zürich-Chef von Wegelin, in dessen Bereich die US-Kunden der UBS mit ihren unversteuerten Geldern ab 2008 landeten; zum anderen handelt es sich um David Zollinger, Rechtschef der Bank und damit Wegelins juristisches Gewissen.
„Kopf hinter der USA Strategie war ganz klar Christian Hafner“, behauptet der Mail-Verfasser, und fährt fort: „Seine extrem ambitiöse Wachstumsstrategie und Überheblichkeit für seine Zürcher Niederlassung ist ihm zum Verhängnis geworden. Er wollte unter allen Umständen sich bei den anderen Teilhaber profilieren.“
Hafner war 2005 von der UBS zu Wegelin gestossen und war zuletzt einer von 8 unbeschränkt haftenden Teilhaber. Er wurde vor 2 Wochen beurlaubt, um die Verhandlungen mit den USA nicht stärker zu belasten.
Den Zweiten im Verbund, David „Dave“ Zollinger, nennt der Kritiker „die interne Kompetenzstelle für das ganze US Geschäft“.
Zollinger, der bis 2007 die Wirtschafts-Staatsanwaltschaft von Zürich leitete und Kandidat für die Leitung der Bundesanwaltschaft war, wird zusammen mit Zürich-Chef Hafner in einer Anklage gegen drei Wegelin-Banker von Anfang 2012 erwähnt, ohne namentlich offengelegt zu werden.
Hafner und Zollinger seien von A bis Z im Bild über die US-Strategie gewesen und hätten diese umgesetzt, behauptet der Kritiker in seinem Anklage-Mail. Jede neue Geschäftsbeziehung mit einem US-Kunden habe „zwingend von Hafner oder Zollinger bewilligt werden“ müssen.
„Sie waren bei den meisten Eröffnungen auch physisch im Gespräch dabei und kannten die Kundenhintergründe im Detail“, behauptet die Quelle konkret.
Dass der Anonymous zwei Wegelin-Spitzenleute ins Visier nimmt, könnte mit Rachegelüsten zusammenhängen.
Die US-Strategie war ein Entscheid der Wegelin-Geschäftsleitung und nicht Sache von Einzelpersonen. Deren Umsetzung durch Hafner und Zollinger müsste vertieft analysiert werden.
Dass sich oberste Chargen um das heikle US-Offshore-Geschäft kümmerten, würde prima vista eher für die Bank und die Verantwortlichen sprechen. Es wäre ein Indiz, dass sich Wegelin der Problematik grundsätzlich bewusst war und versuchte, einen rechtlich korrekten Weg zu gehen. Dass die Bank zuletzt Schiffbruch erleiden würde, war damals schwer vorherzusehen.
Eine andere Frage ist, wer der Anonymous ist und warum er auf die Wegelin-Chefs „schiesst“. Eine Vermutung ist, dass es sich um einen Kadermann von Wegelin handeln könnte, der in US-Haft war und danach mit den Amerikanern kooperierte.
Die Rede ist von einem Banker, der 2005 von der Bank Vontobel zu den Sankt-Gallern gestossen war und in der Folge ein kleines Team für US-Offshore-Kunden aufbaute.
Einer seiner Geschäftspartner war in einen US-Geldwäscherei-Fall verwickelt. Dessen Frau lockte den Wegelin-Mann in eine Falle, diese schnappte im Oktober 2010 bei der Einreise in Miami zu.
Um seine eigene Strafe zu mildern, kooperierte der Wegelin-Manager in der Folge mit den USA. Aus Wegelin-Kreisen ist zu vernehmen, dass zentrale Vorwürfe in der US-Anklage gegen die drei Wegelin-Banker, die vor 4 Wochen den Auftakt zur Jagd auf die Bank war, nur vom Wegelin-Kronzeugen stammen könnten. Vieles davon würde noch auf den Kritiker zurückfallen, heisst es.
Das wäre eine weitere Parallele zu Bradley Birkenfeld. Der UBS-Kundenberater schwärzte seine Vorgesetzten bei den US-Justizbehörden an, wurde aber einige Monate später selbst verhaftet und angeklagt, weil er seine eigene Rolle im Dunkeln gelassen hatte.
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Birkenfeld was not charged because he left his own role in the dark. He was charged for two main reasons.
First, the prosecutors in the Bush Department of Justice hated whistleblowers. Whistleblowers embarrass them by revealing so much information that the prosecutors are expected to already know. Whistleblowers make prosecutors look incompetent.
Second, Birkenfeld’s information threatened the most powerful Republican politicians in the United States, just as a presidential election was approaching.
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unrecht zahlt sich nicht aus – soll es auch nicht. insofern hut ab vor menschen, die es wagen, maffiöse strukturen anzuprangern!
Es braucht keine Täterschutz!
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Tja, dazu kann man nichts sagen, weil eine anonyme e-Mail keine ernstzunehmende Quelle ist.
Möglicherweise ist sie erstunken und erlogen und von hinten bis vorne fabriziert. Kann man nicht ausschliessen, weil bei einer anonymen Mail niemand Verantwortung übernehmen muss.
Tendenziell ist es aber schon so, dass in solchen Fällen meist irgend ein JUDAS am Werk ist, dem der Sinn fürs Ganze fehlt.
Wie den Frauen, so fehlt auch dem JUDAS die Einsicht, dass er mit seinem Verrat langfristig den eigenen Ast absägt, auf dem er sitzt.-
Na das finde ich doch mal erfrischend politisch inkorrekt… 🙂 …das wäre in den Mainstream-Medien nicht drin.
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Tja, dazu kann man nichts sagen, weil eine anonyme e-Mail keine ernstzunehmende Quelle ist. Möglicherweise ist sie erstunken und erlogen…
Na das finde ich doch mal erfrischend politisch inkorrekt... :-) ...das wäre in den Mainstream-Medien nicht drin.
[...] sich dann aus den USA zurückgezogen. Ohne aber seine Flossen von US-Kunden lassen zu können. Ein Whistleblower hat nun…