Ärzte und Banker sind in ihrem Beruf auf das Vertrauen der Kunden und der Öffentlichkeit angewiesen. Ärzte belegen in der von Reader’s Digest ermittelten Rangliste der vertrauenswürdigsten Berufe in der Schweiz einen Spitzenrang, die Finanzberater finden sich am Ende der Rangliste kurz vor den Politikern und Autoverkäufern.
Als Institutionen figurieren die Banken in der Rangliste gar hinter Radio und Fernsehen, Regierung und Presse. So geht es nicht. Alle klassischen Bankgeschäfte sind mit Kredit verbunden, und Kredit heisst Vertrauen. Ohne Vertrauen funktioniert das Bankgeschäft nicht.
Ärzte haben gegenüber Bankern einen Vorteil. Seit über 2’000 Jahren schwört der Arzt beim Gott Apollo den Eid des Hippokrates. Jeder Banker sollte es den Ärzten gleich tun und einen Eid schwören.
Der Banker würde nicht Apollo anrufen, sondern Hermes, den Schutzgott der Kaufleute. Allerdings ist Hermes auch der Gott der Diebe, und er führt die Seelen der Verstorbenen in die Unterwelt.
Es geht beim hippokratischen Eid nicht einfach um die ethische Ausübung des Berufs des Arztes, sondern auch um den Schutz des eigenen Standes, um die ökonomische Absicherung des Arztberufs und um die Sicherstellung des Nachwuchses.
Der Eid soll also nicht aus irgendwelchen „moralischen“ Gründen geschworen werden, sondern zum Schutz der eigenen Person, des eigenen Berufs und der eigenen Branche.
Das Problem mit Vertrauen und Glaubwürdigkeit ist in der Finanzkrise sichtbar geworden. Sehr klar hat das der liberale Denker und Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa letztes Jahr in der Zeitschrift Schweizer Monat formuliert.
Llosa sprach von der Profitgier, die „grosse Manager und Unternehmer, angesehene Bankiers und Finanziers derart blind gemacht hat, dass sie ohne jede Weitsicht oder Skrupel Entscheidungen zum Schaden ihrer Kunden und eben jenes Systems trafen, dem sie ihre Macht und ihren Reichtum verdanken“.
In diesem Vorwurf geht es nicht um Moral, sondern um Intelligenz: Es ist dumm, den eigenen Kunden zu schaden und das System zu zerstören, von dem man selbst so gut lebt.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, solch selbstzerstörerisches Handeln zu verhindern.
Die einfachste und schlechteste Lösung wäre die Kriminalisierung durch das Strafrecht. Eine realistischere Lösung böte das Bankenrecht und die Polizeifunktion der FINMA. Effizient und wettbewerbstauglich wäre das aber nicht.
Die nächste Stufe, die Selbstregulierung durch die Bankiervereinigung, funktioniert auch nicht. Und firmeninterne Regelungen leider auch nicht, obwohl sie so schön formuliert sind.
Im Credit Suisse Code of Conduct liest sich das so: „Unsere Reputation ist unser wichtigstes Gut. […] die Mitarbeitenden [melden] Verstösse gegen Gesetze, Vorschriften, Richtlinien und gegen den Code of Conduct an die zuständigen internen Stellen, […] Meldungen können vertraulich und anonym erfolgen.“
Im UBS-Verhaltens- und Ethikkodex steht: „Wird ein Verhalten beobachtet, das der Mitarbeiter nach sorgfältiger Abwägung für einen Verstoss hält, sind Legal & Compliance oder andere zuständige Fachstellen direkt zu benachrichtigen, oder es ist gemäss den geltenden „Whistleblowing“-Weisungen zu verfahren.“
Da bleibt nur noch der einzelne Banker. Bei ihm liegt der Schlüssel zur Vertrauenswürdigkeit. Jeder Banker muss den Eid schwören. Wer das nicht will, wird nicht Banker.
Doch was soll er schwören? Die Einleitung und den Schluss kann der Banker vom Arzt übernehmen. Die entsprechenden Formulierungen heissen angepasst:
Einleitung: „Ich schwöre und rufe Hermes […] und alle Götter und Göttinnen zu Zeugen an, dass ich diesen Eid und diesen Vertrag nach meiner Fähigkeit und nach meiner Einsicht erfüllen werde.“
Schluss: „Wenn ich diesen Eid erfülle und nicht breche, so sei mir beschieden, in meinem Leben und in meiner Kunst voranzukommen, indem ich Ansehen bei allen Menschen für alle Zeit gewinne; wenn ich ihn aber übertrete und breche, so geschehe mir das Gegenteil.“
Und was steht zwischen Einleitung und Schluss?
Es gibt so viele Dinge, die man fordern könnte: Der Banker soll die Gesetze beachten, Interessenkonflikte vermeiden, sozial sein, die Umwelt schonen, den Weltfrieden fördern, die Chancengleichheit der Mitarbeitenden sicherstellen, Frauen (und Männer) fördern.
Das sind Plattitüden, mit denen fast jeder einverstanden ist.
Ich schlage vor, nur zwei Sätze zu schreiben:
„Ich stelle im Zweifelsfall und im Rahmen der Gesetze die Interessen der Kunden vor andere, entgegengesetzte Interessen.“
„Ich kassiere einen eventuellen Gewinn aus einer Tätigkeit oder Investition nur dann, wenn ich auch das entsprechende Risiko trage.“
Professor Marc Chesney von der Universität Zürich nennt die Verbindung von Risiko und Chance ein „grundlegendes Prinzip des Kapitalismus“.
Von einem Banker den Eid einzufordern, nicht gegen das grundlegende Prinzip des Kapitalismus zu verstossen, ist sicher nicht ungebührlich.
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Die beliebtesten Kommentare
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Blankfein(e Referenz!) muss den Eid ja bereits geschworen haben, agiert er doch gem. eigenen Aussagen als der „verlängerte Arm Gottes“. Kommt also gleich nach Maradonna, mir und Özil.
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Ein Mythos: kein Arzt in der Schweiz schwört den Eid des Hippokrates. Wenn das tatsächlich mal der Fall gewesen sein sollte, so wurde dies vor Jahrzehnten abgeschafft.
In den USA schwören die Ärzte nach wie vor auf Hippokrates. Trotzdem erscheint mir das amerikanische Gesundheitssystem nicht vertrauenswürdiger….
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Die SVP könnte ja eine weitere Initiative lancieren und den Text der Eidesformel gleich auch noch in die Verfassung aufnehmen. Möglichst nach der Präambel. Das würde sicher die Verfassung noch mehr „bereichern“, nach all den „Geheimnissen“, die auch noch in die Verfassung aufgenommen werden sollen. Die Papierausgaben der EDMZ würden dann aber auch steigen…und dann müsste noch die Verfassungsgerichtsbarkeit eingeführt werden, um das Ganze zu beurteilen, falls Unklarheiten bestünden. Entsprechend sind Stellen für zusätzliche Richter zu budgetieren!
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Grundsätzlich will ich das unterstützen; es ist eine weitere „line of defence“ gegen unehrenhaftes oder inkorrektes Handeln.
Zu Bedenken gilt: Ehrliche Personen [d.s. solche, denen ihre Ehre etwas gilt] werden schwören und sich an den Eid halten. Unehrliche werden ebenfalls schwören und sich nur bedingt daran halten. Im Rahmen von angelsächsischen Berufsprüfung wird regelmässig bei den Code of Conduct des jeweiligen Berufsverbandes geschworen. Ist deren Welt nun besser? Was ist mit dem aktuellen deutschen Ärzteskandal? -
Ein Eid auf Hermes abzulegen, wäre m.E. Wasser in den Rhein zu tragen! Hermes ist der Gott der Händler, Diebe und Boten, s. Wikipedia!
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Würde dies nicht ganz viele Arbeitsplätze vernichten und den Finanzplatz Schweiz schwächen?
(Dummes Polit-Gelaber aus)
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Lassen wir die Kirche doch im Dorf. Man weiss, dass pro Jahr mehrere Dutzend Menschen sterben wegen ärztlicher „Kunstfehler“. Wieviele Automechaniker ersetzen beim Service ein fehlerloses Teil? Wieviele Einzelhändler verkaufen dem Kunden unnötigerweise das teurere, höhermargige Produkt? Wieviele Sozialarbeiter helfen Wirtschaftsflüchtlingen Asyl zu erhalten? Wieviele Ärzte stellen Gefälligkeits-Zeugnisse aus, um den „Patienten“ nicht zu verlieren? Wieviele Sanitärinstallateure verrechnen die teureren Ersatzteile?
Grundsätzlich hilft es vielleicht, bei jeder Inanspruchnahme einer Dienstleistung kritisch zu sein, den GMV (gesunder Menschenverstand) zu gebrauchen und vielleicht zwischen 2 oder 3 Anbietern zu vergleichen. Wer das nicht tut, ist auch selber schuld, da unkritisch!
Was in diesem Fall ein Eid von Bankern für den Kunden bringen soll, verschliesst sich mir. Die Produktepusher, Margenreiter und Umsatzbolzer würde ein solcher Eid höchstens amüsieren. Bringen würde es jedenfalls gar nichts, denn die unmoralischen Vertreter einer Branche sterben deswegen sicher nicht aus! -
Vertrauen kann nicht durch Eide und Schwüre gewonnen werden. Es hat sich über die letzten 15 Jahre mehrfach gezeigt, wie skrupellos einige hochrangige Vertreter der Banker- und Manager-Kaste agieren. Vertrauen kann nur durch Aktionen gewonnen (wiedergewonnen) werden. Und dies ist ein langwieriger und mühsamer Prozess. Wer unethisch oder gar kriminell handeln will lässt sich durch eine zusätzliche Unterschrift (Sarbanes-Oxley lässt grüssen!) oder durch einen Eid kaum davon abhalten lassen …
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Ein solcher Eid wäre etwa so glaubwürdig, wie wenn Drogendealer schwören würden, dass sie nur noch saubere Drogen verkaufen.
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Wenn alle Banker diesen Eid schwören müssten, gäbe es viel zu wenige davon, und es gäbe auch keine Manager mehr (ein paar davon braucht es ja doch)…
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… und hier wäre die Telefonnummer und email-adresse von Hermes zu finden:
http://www.hermes-ag.ch
Marcel Würmli, Hermes Personalberatung & Executive Search-
Peinliche Eigenwerbung !
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... und hier wäre die Telefonnummer und email-adresse von Hermes zu finden: www.hermes-ag.ch Marcel Würmli, Hermes Personalberatung & Executive Search
Peinliche Eigenwerbung !
Wenn alle Banker diesen Eid schwören müssten, gäbe es viel zu wenige davon, und es gäbe auch keine Manager mehr…