„Wenn ich könnte, dann würde ich ein ganz anderes Leben führen! Aber ich habe ja Verpflichtungen meinem Partner gegenüber.“
„Wenn mein Chef mitbekäme, wieviel Angst ich vor dieser wichtigen Präsentation nächste Woche habe, dann wäre meine Beförderung gefährdet.“
„Alle Kollegen fanden, dass ich das Projekt super gemacht habe. Aber ich denke, die waren nicht ehrlich und die Chefin hat auch sehr streng geschaut.“
„Die Stelle würde mich zwar sehr interessieren und ich hätte auch die Qualifikation, aber ich bekomme sie eh nicht, also bewerbe ich mich nicht.“
Kennen Sie solche inneren Stimmen? Was, wenn ich jetzt behaupte, dass Sie sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in diesen Situationen selbst betrügen. Betrug ist die „bewusste Vorspiegelung falscher Tatsachen“. Allerdings – und dies halte ich Ihnen zugute – glaube ich, dass Sie dies nicht „bewusst“ tun.
Sie spielen sich die Tatsache vor, dass
Sie Ihr Leben nicht ändern könnten (obwohl Sie ahnen, dass Sie Angst haben, Ihre Eltern oder Ihren Partner zu enttäuschen, wenn Sie den Beruf wählen würden, der Ihnen wirklich Spass macht);
es das Ende der Welt wäre, wenn Sie nicht befördert würden und dass das Zeigen von Schwäche ein Kündigungsgrund ist (obwohl Sie ahnen, dass Sie Angst haben, Schwäche zu zeigen und Sie ausserdem Ihren Selbstwert an Ihrem festen Einkommen bemessen);
es nicht sein kann, dass Ihre Präsentation einfach gut war (obwohl Sie ahnen, dass Sie Angst haben, nicht zu genügen).
Und ein „Vortäusch-Klassiker“ (gerade bei Frauen) …
… dass Sie eh keine Chance haben, die tolle Stelle zu bekommen (obwohl Sie ahnen, dass Sie Angst haben, sich zu positionieren und letztendlich vor Zurückweisung).
Sie konstruieren sich Ihre Wahrnehmung von Realität, die Sie brauchen, um nicht wirklich erwachsen sein zu müssen. Was? Nicht erwachsen? Sie sind erwachsen, werden Sie sagen, und es ist doch eine Form von Erwachsensein, wenn man Rücksicht nimmt auf andere und sich selbst kritisch hinterfragt.
Ich glaube, Sie wissen, was ich meine. Wenn Sie aus einer bewussten oder unbewussten Angst (und diese kann sehr diffus und versteckt sein) heraus sich in diese innere Rechtfertigung von Ihrer Realität begeben, dann betrügen Sie sich selbst. Sie betrügen sich um ein selbstbestimmtes, selbstbewusstes, kreatives, risikokompetentes, mutiges und freies Leben.
Die „gute“ Nachricht: Sie sind damit in guter Gesellschaft.
Ihr Kollege, Ihre Chefin, Ihr Mann, Ihr Nachbar – all diese Menschen werden ähnliche Muster und Sätze im Kopf haben. Denn der Selbstbetrug ist ein weitverbreitetes Phänomen in unserer Gesellschaft. Na dann. Kann man ja nichts machen. Liegt in der Natur des Menschen. Man muss halt funktionieren.
Ha, schon wieder! Ihre Interpretation von Realität greift wieder.
Aber der individuelle Preis kann hoch sein. Schauen Sie sich morgens mal im Tram um oder schauen Sie dem Autofahrer in der Kolonne mal ins Gesicht. Sehen so Menschen aus, die sich auf die Arbeit freuen und einen Tag vor sich haben, an dem sie kreative, für sie sinnvolle und befriedigende Arbeit tun dürfen?
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Alles hat seinen Preis, werden Sie vielleicht sagen. Stimmt. Aber sagen Sie einfach am Ende Ihres Lebens nicht, dass Sie keine Wahl hatten. Die haben Sie.
Aber sich den Ängsten zu stellen und verstehen zu lernen, woher sie kommen, braucht Mut. Und es braucht noch mehr Mut, dann Entscheidungen zu treffen.
Ich spreche da aus Erfahrung, aus eigener Erfahrung. Ich hatte einen tollen Job, der mich über viele Jahre begeistert hat und in dem ich sehr erfolgreich war. Jedoch bezahlte ich auch einen hohen Preis. 10- bis 12-Stundentage, sonntags meist am PC, politische Spielchen. Und über die Zeit waren da die Sehnsucht und die Stimmen in mir, die mir sagten, dass ich kündigen und mir etwas Eigenes aufbauen sollte.
Raus aus der Anpassung und dem Funktionieren, und vor allem mal ein Jahr frei machen, einfach mal hängen lassen und reisen und nichts tun. Aber da waren natürlich auch diese anderen inneren Stimmen, die mir gesagt haben: „Kündige ja nicht. Du findest nie wieder einen solchen Job mit dem Einkommen. Selbständigkeit? Kannst du das überhaupt und wer sollte dir schon einen Auftrag geben? Und 1 Jahr frei machen: Spinnst du? Was werden die Leute sagen? Ausserdem lässt du dein Team im Stich. Das braucht dich.“
Und so ging es „on and on“. Der innere Kritiker bekam Panik, dass ich „ausser Kontrolle“ geraten würde; dass ich anfangen würde, mich wirklich ernst zu nehmen. Es ging eine ganze Weile, bis ich mir eingestand, dass es reiner Selbstbetrug wäre, wenn ich einfach weitermachen würde. Und diese Einsicht war befreiend. Aber sie zwang mich auch in die Selbstverantwortung. Ich musste entscheiden, ob ich wirklich erwachsen werden wollte.
Diese Entscheidung wird uns zu einem gewissen Zeitpunkt vom Leben abverlangt. Manchmal zeigt es uns der Körper, manchmal stolpern wir über einen Artikel oder ein Buch, die Gedanken ins Rollen bringen; oder es sind Schicksalsschläge, die uns aufrütteln.
Entscheide ich mich für Selbstbetrug (Anpassung, Funktionieren entsprechend der Regeln, Mittelmass, Konkurrenzdenken, Gefallenwollen um jeden Preis, Leisten, was das Zeug hält) oder lebe ich das Leben, welches ich eigentlich leben möchte.
Und wenn nicht? Was nun? Was tun?
Was sind die Schritte, die zu gehen sind, wenn Sie den Selbstbetrug beenden wollen?
Es beginnt mit Bewusstwerdung. Sich wirklich mal auf die Spur kommen, mit welchen „REALITÄTEN“ Sie unterwegs sind und wieviel davon wirklich WIRKLICH ist. Welche Ängste stecken dahinter? Vor was laufen Sie weg? Was gestehen Sie sich nicht zu oder ein? Welchen übernommenen Werten laufen Sie nach? Wo kommt das Misstrauen in Ihrem Leben her?
Sich diesen Ängsten zu stellen, ist schon ein ganz grosser Schritt in diesem Prozess und erlaubt, neue Entwicklungsschritte zu gehen. Vielleicht werden Sie überrascht sein herauszufinden, wer Sie sind, wenn Sie aufhören, sich selbst zu betrügen. Wie heisst doch das schöne Sprichwort: Ehrlichkeit währt am längsten.
Und wäre es nicht schade, wenn Sie sich um ein selbstbestimmtes, freies und kreatives Leben betrügen würden?
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Und wieder mal die leicht zerkratzte 40jährige NLP-Platte: Was man sich vorstellen kann, das erreicht man auch. Finde ich mässig originell. Da empfehle ich lieber Wolfgang Schmidbauer. „Das kalte Herz“, grossartige Einsichten für (Nicht-)Bänker, oder „Kassandras Schleier“ insbesondere für Frauen, die sich selber schlechtmachen. Wer glaubt, keine Zeit zum Lesen zu haben, sollte das erst recht lesen. 😉
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@Dominique: Sehr schön wie Sie das entlarvt und formuliert haben. Es ist mehr oder weniger das NLP-Geschwafel der 80er/90er-Jahre, nervtötend und ätzend, zumindest für Menschen über dem Sekundarschulalter.
PS: Allerdings ist mir Ihre Empfehlung aus der Esoterik/Populärpsychlogie-Szene ebenso suspekt, sorry. Lesen Sie doch besser mal was fundiertes, z.B. Freud.
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@Sandra
Da tun Sie dem Schmidbauer aber unrecht. Mit der Eso-Szene hat der gar nix am Hut. Im Gegenteil, der hat seinen Freud gelesen (und ich auch – immer ein Gewinn, wenn frau dann auf IP mitliest 😉 )
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Lösung des Problems: Einfach das „Weissbrot Master-Control Programm“ ausschalten !
Für nicht-Insider: Einfach mal KIKA Fernseh-Kanal nach Sendeschluss (ca. 22.00 Uhr) schauen (Bernd das Brot). Ist echt witzig und für Erwachsene !
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Die Meisten haben sich doch in einem Korsett von Zahlungsverpflichtungen eingemauert, aus dem ein kurzfristiges Entkommen praktisch nicht möglich ist. Die leben von Monat zu Monat. Antizyklisches Handeln, Denken über mehrere Jahre hinweg oder in Konjunkturzyklen ist so jemand nicht möglich. Man kann / muß (!!!) ja jeden Tag etwas tun. Das wird einem schon in der Schule eingeimpft und setzt sich im Berufsleben weiter fort. Gleichwohl es bei längerfristiger Betrachtung nur einige wenige Tage in mehreren Jahren sind, an denen es sich wirklich lohnt, zu handeln.
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Sehr geehrte Frau Thomas,
Eine neue Menschheit entsteht, die die Vielfalt des Lebens respektiert, schätzt und jedes Wesen als Ausdrucksform der Schöpfung sieht. Uns interessiert nicht Hautfarbe, Sprache oder Besitz. Wir sehen Dinge, die andern Augen verschlossen bleiben und erkennen die Vollkommenheit und Liebe in jedem Menschen. Wir leben in Harmonie und mit Spaß.
Wir passen nicht in die alten Systeme. Wir sind die Meister unserer eigenen Schicksale und haben Rückerinnerungen. Wir brauchen niemanden, der uns sagt, wie und wo wir zu wohnen, wann wir zur Arbeit zu gehen haben, was wir anziehen sollen, was „in“ und was „out“ ist. Die hierarchischen Systeme brechen, weil die Basis nicht ehrlich ist.
Wir, die Kinder des neuen Zeitalters, lassen uns nicht führen, wir führen selbst. Wir wollen keine Gedanken-Onanie, sondern Liebe. Nichts weiter. Die meisten der jetzigen Erdenbewohner sind nicht in der Lage, Liebe zu geben – nicht sich selbst, nicht ihren Mitmenschen und nicht diesem Planenten. Deshalb werden wir das tun. Doch darf man uns dabei nicht im Wege stehen, denn es muss schnell gehen und es wird schnell gehen.
Wir haben die Revolution bereits begonnen. Es ist keine politische Revolution, sondern eine innere, spirituelle Revolution. Wir werden keine Waffen in die Hand nehmen. Unsere Gedanken und Gefühle sind unsere Waffen. Wir kämpfen nicht gegen irgendjemanden, sondern für alle. Wir sind die Kinder, vor denen die Etablierten Angst haben. Warum? Weil wir auf deren Spiel nicht abfahren. Weil wir das haben, was diese zu erzwingen versuchen: Macht! Wir sind uns bewusst und haben die Macht unserer Gedanken, unserer Gefühle und vor allem die Macht der liebevollen geistigen Welt mit uns.
http://zuercherin.com/familien-zerfallen-wegen-geldsystem-interview-mit-prof-dr-philipp-bagus/
Grüsse
Der Praktiker -
Der Artikel spricht mir aus dem Herzen…jedoch hat man bzw. Frau auch Verpflichtungen z. Bsp. seiner Familie gegenüber. Die Rechnungen müssen bezahlt werden und um die Kinder darf (muss)sich jemand kümmern! Daher kann nicht jeder zumindest in beruflicher Hinsicht sein „Leben“ leben wie er es möchte und muss sich der Situaiton anpassen!
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…aber glaubt ja nicht, Selbständigkeit bedeute Unabhängigkeit. – Die Abhängigkeiten vom Auftrag und den Aufraggebern sind gerade in der Startphase enorm und können einschnürend wirken. – Und gerät man an die falschen „Kunden“ (die nur Zeit Kosten und dann nicht zahlen), dann kann es gar zum Fiasko kommen.
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Wow! Die Autorin spricht mir aus dem Herzen! Beim Lesen hatte ich das Gefühl, einen Spiegel vorgehalten zu bekommen. Danke für diesen aufrüttelnden Start in den Tag!
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Absolut super und ja so wahres exposé über den täglich stattfindenden Selbstbetrug. Gratuliere!
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Wie recht Sie haben!!! – Und trotzdem brauche ich immer wieder einen Anstoss und den offenen Gedankenaustausch. Zum Glück gibt es Sie als Coach!
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Absolut super und ja so wahres exposé über den täglich stattfindenden Selbstbetrug. Gratuliere!
Wow! Die Autorin spricht mir aus dem Herzen! Beim Lesen hatte ich das Gefühl, einen Spiegel vorgehalten zu bekommen. Danke…
...aber glaubt ja nicht, Selbständigkeit bedeute Unabhängigkeit. - Die Abhängigkeiten vom Auftrag und den Aufraggebern sind gerade in der Startphase…