Für Ueli Maurer war die Credit Suisse schon 2022, im Jahr vor ihrem Untergang, nicht mehr zu retten. Letzter Moment, um das Steuer herumzureissen, wäre 2021 gewesen.
Das sagte das SVP-Aushängeschild an einem Podium dieses Mediums zur Frage, was er als damaliger Finanzminister des Landes rund um die schlingernde Grossbank unternommen hatte.
Die SonntagsZeitung geht in ihrer heutigen Story darauf ein. Laut ihrer jüngsten Enthüllung hat die Finanzmarktaufsicht (Finma) eine umfangreiche Ermittlung zu diesem Punkt am Laufen.
Die Kernfrage lautet: Was legten die Kapitäne der Credit Suisse ab Beginn von 2022 bis zum Stecker-Ziehen am 19. März 2023 der Behörde offen?
Und was verschwiegen sie?
Im Fokus der Untersuchung stehen insbesondere drei entscheidende Kapitäne der sang- und klanglos verschwundenen Escher-Bank: Präsident Axel Lehmann, CEO Ulrich Körner und Finanzchef David Mathers.
Laut SonntagsZeitung hat die Finma die Kanzlei Wenger Plattner mit den Abklärungen betraut, die vor Jahresfrist losgegangen und jetzt „im vollen Gang“ seien.
Zuständig sei just jene Juristin, die vor knapp einem Vierteljahrhundert an der Seite von Karl Wüthrich den Verantwortlichen der Swissair-Bestattung auf den Zahn gefühlt hatte.
Die Finma unter ihrer Präsidentin Marlene Amstad hat grosses Interesse, Unstimmigkeiten auf Seiten der letzten CS-Kapitäne ans Tageslicht zu zerren.
Die Behörde und ihre Vorzeigefrau stehen als Versager da, die im Wissen um die Abgründe der Paradeplatz-Bank nie scharf genug durchgegriffen hatten.
So erlaubte die Finma der CS im Herbst 2022, die Eigenkapital-Untergrenze vorübergehend zu unterschreiten.
Ebenfalls war ihr bekannt, dass die CS-„Zahlenmagier“ den Wert der CS Schweiz per 30. September 2022 um über 9 Milliarden Franken hochgeschraubt hatten.
Davor war dieser stets gleich geblieben – bei rund 15 Milliarden.
Der Grund für das Manöver lag im Einbruch bei der Bewertung der CS International, wo sich hauptsächlich das Investmentbanking befand.
Dieses verlor durch Ulrich Körners und Axel Lehmanns neue Strategie von Herbst 2022 dramatisch an Wert. Plötzlich fehlte das Eigenkapital für die CS in London und in New York, den zwei Hauptstandorten des CS Investment Bankings.
Deshalb die über Nacht aus dem Hut gezauberte Jumbo-Aufwertung der CS Schweiz AG – die Milliarden-Lücke in den Büchern des Stammhauses, sprich der Credit Suisse AG, konnte nur auf diese Weise gefüllt werden.
Selbst das reichte nicht. Wie ausgeführt brauchte die CS noch eine Ausnahmebewilligung der Finma per 30. September 2022 für die temporäre Unterschreitung der Kapital-Untergrenze.
Das und vieles mehr wirft ein fragwürdiges Licht auf die Finma. Wieso haben ihre obersten Zuständigen für die Solvenz und Solidität des Schweizer Bankenplatzes den CS-Bossen all das durchgehen lassen?
Am Ende rächte sich der „Soft approach“ des Berner Watchdogs sträflich. Die Finma musste am historischen 19. März 2023 eindrücklich 16 Milliarden Franken AT-1-Wandelbonds ausradieren.
Sonst hätte die UBS den Deal „anders gestalten müssen“, wie deren Präsident Colm Kelleher später in der NZZ ausführte.
Das trug der Schweiz global das Image einer Bananenrepublik ein und könnte je nach Ausgang von unzähligen Gerichtsprozessen zu einer Milliarden-Zahlung aus der Bundeskasse führen.
Taxpayer, Du blutest für die CS-Jongleure.
Die Finma-Chefs stehen entsprechend unter Druck. Das dürfte der Hintergrund ihrer Geheim-Untersuchung „gegen die letzten Chefs der Credit Suisse“ sein, wie die SonntagsZeitung titelt.
Die Finma, zusammen mit der Nationalbank, hatte noch am Mittwochabend des 15. März, vier Tage vor dem CS-Untergang, in einem Communiqué offiziell festgehalten, die CS sei finanziell stabil.
Die Grossbank, die zu den weltweit 30 systemrelevanten Finanzmultis zählte, verfüge über genügend Kapital und sitze auf einem üppigen Liquiditätspolster.
Sie erhärtete damit den Eindruck, den die beiden Chefs Körner und Lehmann ihrerseits am Dienstag und Mittwochmorgen selbst erweckt hatten.
Der CS würden frische Kundengelder zuströmen, so Körner, die Bank brauche keine Staatshilfe, erklang es von Lehmann.
Effektiv war die CS in ein offenes Abflussrohr mutiert. Dutzende von Milliarden strömten täglich aus der Bank, die SNB kam nicht mehr nach mit Notkrediten.
Warum sagten als Finma und Notenbank der Welt am 15. März 2023, die CS sei OK?
Das ist es wohl, das die Finma nun zu ihrer Untersuchung treibt. Sie will nicht der „Böölimann“ der bewegenden Geschichte sein.
Das Thema hat es längst bis in die Welt-Finanz-Zentren geschafft. „How a Banking Capital of the World Botched Its Own Rules“, verkündete das „Wall Street Journal“ (WSJ) im letzten November.
Die Schweiz habe von ihren Finanzhäusern 10 statt nur 8 Prozent Kernkapital-Quote verlangt, wie das global das Minimum war.
“At the same time, regulators gave Credit Suisse leeway to comply that allowed it to look robust at the top group level, but disguised weakness below the surface, where hard-to-value stakes in overseas subsidiaries counted toward capital“, schrieb das WSJ.
Und folgerte daraus: „That subsurface weakness prevented the bank from selling or shutting down businesses when it still had time to do so, and left it vulnerable when customer withdrawals crescendoed, according to former Credit Suisse executives appointed to clean up the bank.“
Der Swiss Finish by Finma: Er führte direkt Richtung Wand.
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