Online-Marktplätze sind längst mehr als nur Plattformen für Kauf und Verkauf. Sie haben sich zu unverzichtbaren Informationsquellen für Unternehmen entwickelt.
Von MotoScout24 über ImmoScout24 bis hin zu AutoScout24 und FinanceScout24 – die Anything24-Marktplätze sind omnipräsent.
Ein Schweizer Marktplatzbetreiber ist zu einem besonders wichtigen Akteur in diesem Bereich geworden: die Swiss Marketplace Group (SMG).
Dieses Joint Venture der TX Group, Ringier, Mobiliar und General Atlantic, einer US-Private Equity-Firma, wurde 2021 gegründet.
Das umfassende Portfolio der SMG deckt so ziemlich alles ab – von Immobilien, Automobil-Industrie, generellen Marktplätzen, Finanzen bis zu Versicherungen.
Was für uns nach einem einfachen, praktischen Sucherlebnis aussieht, ist für Unternehmen wie die SMG vor allem eines: ein lukratives Geschäftsmodell.
Das Zauberwort heisst Information. Daten. Wissen.
Die Millionen von Nutzern, die täglich auf Homegate und ImmoScout24 eine Wohnung suchen, liefern der SMG nämlich tiefe Einblicke in unser Kaufverhalten, in unsere Vorlieben und in kommende Trends.
Wissen, das in hart umkämpften Märkten einen unschätzbaren Vorteil bietet – und vor allem in der Immobilienbranche, wo es um die grössten Summen geht, unverzichtbar sind.
Und hier kommen die heiss diskutierten „Leads“ ins Spiel.
Hinter dem Begriff verbergen sich die Kontaktdaten potenzieller Kunden: Namen, Telefonnummern, E-Mail-Adressen. Letztendlich werden Käufer und Verkäufer so zum eigentlichen Produkt.
Der Handel mit diesen Informationen ist nicht ungewöhnlich und für viele Unternehmen eine unverzichtbare Ressource geworden.
In der Immobilienbranche spielen Leads die absolut zentrale Rolle. SMG bietet hier so genannte „Seller-Leads“ an, das sind Kontakte von Personen, die ihre Immobilie verkaufen möchten.
Die Medienstelle der SMG erklärt, dass die Leads aus Bewertungsangeboten auf Plattformen wie Homegate oder ImmoScout24 stammen und ein „vollständig optionales Zusatzangebot“ sind.
Laut SMG soll das Ziel der Seller-Leads darin bestehen, Vermittler „bei der Akquise neuer Objekte für ihr Maklergeschäft zu unterstützen und ihnen bei der Erwirtschaftung zusätzlicher Umsätze“ zu helfen.
Eine sinnvolle Ergänzung, betont die SMG. Klingt fast schon altruistisch.
Fast.
So üblich der Verkauf von persönlichen Informationen in vielen Branchen auch sein mag, im Fall der SMG kommen Fragen auf.
Insbesondere in Bezug auf die Properti AG. Die ist eine Partnerin der SMG und bezeichnet sich selbst als „führender Real Estate Tech Agent der Schweiz“.
Im Verwaltungsrat der Properti sitzt kein Geringerer als Christoph Tonini. Tonini? Genau, der CEO der SMG und ehemalige Spitzenmann der TX Group.
Mit Toninis Doppelrolle stellt sich die Frage: Wie neutral und unabhängig kann die Lead-Vergabe tatsächlich sein?
Die SMG erklärt, dass Toninis Mandat im Verwaltungsrat von Properti bereits vor seiner Tätigkeit als SMG-CEO bestand und dass es selbstverständlich „vollkommen losgelöst“ von seinen Aufgaben als CEO sei.
“In seiner Rolle als Verwaltungsrat von Properti übt Christoph Tonini auch keine operativen Funktionen aus. Weder für Properti, noch für die SMG besteht das Risiko oder Potential eines Interessenkonflikts”.
Good answer.
Wie aber diese „vollständige Losgelöstheit“ in der Praxis aussieht, bleibt unklar. Vielmehr klingt es danach, als hätte Herr Tonini einen Zustand höheren Bewusstseins erreicht.
Sicher ist: Ausgerechnet der CEO eines der grössten Marktplatz-Betreibers sitzt im VR jenes Immobilienunternehmens, das für die zentralen Kunden-Leads unverzichtbar ist. Wo etwas dran ist, da ist meistens auch etwas dahinter.
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