Migros zeigt aktuell eine spannende unternehmerische und politische Gemengelage. 100 Jahre Migros Genossenschafts Bund, Herausforderungen und Zukunft des Detailhandels, Konkurrenzkampf mit Aldi und Lidl, Abstoss aller Fachmärkte, Fokussierung aufs Kerngeschäft, Ukraine-Krieg, Armeefinanzierung und der grosse Fussabdruck von Gründer Dutti im Unternehmen und Politik.
Gottlieb Duttweilers phänomenale, einmalige Unternehmerpersönlichkeit, die Zusammenführung von Detailhandel, Politik, Landesversorgung und Sicherheitspolitik vor und während des 2. Weltkrieges und seine umgesetzten Visionen bleiben bis heute unerreicht.
1925 gründete er die Migros. Als Farmer ist er in Brasilien mit seiner beeindruckenden Gattin Adele gescheitert. Er wollte ursprünglich sein Geschäft Grütli nennen. Die Hälfte von Engros wurde zur Migros. Mit dem Ausschalten des Zwischenhandels und der neuen Kundennähe war sein Erfolg absehbar.
Im Jubiläumsjahr 2025 sind die Führungsprobleme der Migros gravierend. Den vorgegebenen Werten Duttis wurde durch die erfolgsverwöhnte und träge gewordene Führung nicht nachgelebt.
Bis zum Eintritt der Konkurrenten Aldi und Lidl verdienten sich Migros und Coop goldene Nasen. Durch die Investitionen in Österreich verdampften 800 Millionen. Eine unrentable Konservenfabrik in Frankreich verursachte einen 200 Millionen-Abschreiber.
Laufende Fehleinkäufe im Nonfood-Bereich und in artfremden Märkten erschütterten den grössten privaten Arbeitgeber der Schweiz. Vögele, Globus und der Verkauf an Benko bescherten der Migros hohe dreistellige Millionenverluste.
Den Spitzenleuten Hunziker, Everts, Scherrer, Bolliger und Zumbrunnen gelang es nicht, die Macht ihrer Regionalfürsten zu brechen. Hansueli Loosli gelang das mit seinem Coop. Für diesen schuf er konkurrenzfähige Strukturen für die Zukunft. Migros-Saftwurzeln wie Pierre Arnold, der noch mit Dutti zusammenarbeitete – sie fehlen.
Dutti gründete sein eigenes Institut. Das Gottlieb Duttweiler Institut in Rüschlikon hat in der Stiftungsurkunde den Auftrag erhalten, über die Bedeutung des Detailhandels und die soziale Zukunft der Genossenschaften zu forschen.
Dem Stiftungszweck wurde nicht nachgelebt. Zu jedem noch so unwichtigen Zeitgeistthema gabs aufwändige Forschungen und umfassende Studien. Millionendefizite entstanden so über die Jahre.
Die Führung der Migros verriet über Jahrzehnte Werte und Auftrag Duttis. Er machte 1941 aus seiner Aktiengesellschaft eine Genossenschaft und verschenkte sein Unternehmen mit Milliardenpotential an Kunden und Lieferanten.
Dutti wäre heute der reichste Schweizer, wie es die Aldi- und Lidl-Eigentümer in Deutschland sind. Gottlieb und Adele waren kinderlos. Ein einmaliger Vorgang in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Solche Entscheide sind Messlatten für heutige Unternehmensführungen.d
1936 gründete Dutt im Strohhaus im Duttipark in Rüschlikon den Landesring. Dieser sollte keine Partei sein, sondern ein Zusammenschluss von Gleichgesinnten und Besten aus Politik und Wirtschaft, um Arbeit und Kapital zu einer sozialen Marktwirtschaft zusammenzuführen. Bei den nachfolgenden eidgenössischen Parlamentswahlen errang er in sieben Kantonen Nationalratsmandate.
Katholisch-konservative Kräfte und der Gewerbeverband führten 1933 gegen ihn, die jüdischen und die Einheitspreis-Kaufhäuser wie EPA ein verfassungswidriges Filialverbot ein. Diese mussten als Sündenböcke für das Scheitern kleiner Ladenbesitzer und den aufkommenden Antisemitismus den Kopf hinhalten.
Mit seinem Kampfblatt Brückenbauer und der Solidarität seiner Kunden konnte Dutti im Parlament, erfolgreich und wahrnehmungsstark von Gewerkschaften und der SP unterstützt, das Filialverbot am 1. Januar 1946 abschaffen.
Dutti ging auch nach Deutschland und Berlin. Mit 40 fahrenden Ford T-Lieferwagen wollte er der deutschen Arbeiterschaft günstige Lebensmittel verkaufen. Der Gauleiter Lebensmittel von Berlin liess seine Verkaufswagen mit Schlägertrupps angreifen.
Der politische Hintergrund wurde erkannt. Es gab für Dutti nur den Rückzug. So erlebte er den aufkommenden Naziterror und näher rückenden 2. Weltkrieg. Niederlagen gaben ihm die Energie für Neues und seine Überzeugungen zu kämpfen.
Das liess ihn zu einem erbitterten Gegner der Nationalsozialisten und Hitlers werden. Er gründete und finanzierte den „Gotthardbund“ als Kampforganisation gegen den auch in der Schweiz aufkommenden Nationalsozialismus. Als Antwort auf Hitlers Buch „Mein Kampf“ publizierte er seine Schrift „Unser Kampf“.
Dutti reiste mit seinem Fiat Topolino als Referent durch die Schweiz und füllte Hallen. Gleichzeitig warb er damit neue Kunden für seine Migros. Diese marketingstarke Verschmelzung von Politik und Unternehmen war eine beeindruckende Strategie und Leistung.
Mit seiner Erfahrung und vor dem sich abzeichnenden 2. Weltkrieg plante er eine vorausschauende wirtschaftliche Landesversorgung. Am Rhein bei Eglisau baute Dutti ein gigantisches Benzinlager. Das führte 1954 zur Gründung der Migrol. Mit diesem Unternehmen griff er das Monopol der grossen Benzingesellschaften wie Esso, Shell, BP kraftvoll an.
Er forderte vom Bundesrat subito eine vorausschauende Landesversorgungspolitik. Das wurde nicht nach seinen Vorstellungen als Macher und Unternehmer umgesetzt. Er warf einen Stein von innen des Bundeshauses in ein Fenster und erreichte enorme mediale Aufmerksamkeit. Die Rechnung für die Reparatur übernahm er. Diese ist noch im Archiv der Migros zu sehen.
Der Ukraine-Krieg schafft sicherheits- und finanzpolitische Herausforderungen. Die aktuellen Skandale und Krisen im VBS verursachen grosse Spannungsfelder in Parlament und Parteien. Duttweiler als Macher agierte anders. Er lancierte eine private Kriegsanleihe und gab eine Million aus seinem Privatvermögen für den Kauf von notwendigen Maschinengewehren.
Eine beeindruckende private Landesverteidigung. Das wäre, wie wenn heute alt Bundesrat Blocher als Multimilliardär 100 Millionen privat in das Armeebudget investieren würde.
Duttis Grundsätze sind heute noch Messlatten für Wirtschaft und Politik. Er propagierte seine wirtschaftsethischen Forderungen wie „Der Bestand unserer Genossenschaft baut auf unserem organisatorischen Leistungsvorsprung auf , „Allgemeininteressen sind immer höher zu werten, als die Migros-Interessen“ und „Das Abstellen auf das Volk ist unsere erste Pflicht“. Er setzte den Menschen in den Mittelpunkt.
Freiwilligkeit als Preis der Freiheit war sein vor- und gelebter Wahlspruch. Dutti propagierte, dass Freiheit nur durch Freiwilligkeit und das Engagement des Einzelnen, der sich für die Allgemeinheit einzusetzen versteht, entstehen kann. Von Unternehmern verlangte er, dass sie ihre eigenen Ziele auf die Bedürfnisse der Allgemeinheit und die Förderung ihres Wohlstandes und der materiellen Sicherheit abzustellen haben.
Auch sind freiwillige Leistungen erforderlich, die weit über die eigenen, engen, wirtschaftlichen Ziele der Unternehmen hinausgehen müssen. Das soziale Kapital war seine unternehmerische und politische Meisterleistung – letztlich ein verantwortungsvolles Stakeholder Management.
Gottlieb Duttweiler lebte das als Unternehmer und Politiker vor; er fordert moralische Kraft, um freiwillige Leistungen zu erbringen. Zeitlebens appellierte er an die Kraft des Einzelnen. Er war überzeugt, dass diese in jedem Menschen steckt. Der Vers aus den Psalmen auf seinem Grabstein im Friedhof in Rüschlikon steht für das grosse Werk, das er der Nachwelt hinterlassen hat.
Roger E. Schärer war Berater von Claude Hauser, von 2000 bis 2012 Präsident des Migros Genossenschafts Bunds, sowie des Gottlieb Dutttweiler Instituts in Rüschlikon.
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Wenn sich die Migros keine moderne und effiziente Struktur gibt, ist die Restrukturierung nur Kosmetik. Ich befürchte, dass die Genossen und das Management das immer noch nicht zu 100% kapiert haben.
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DIE MIGROS VERWALTUNG MGB hätte den Urs Riedener (2000-2008)als Chef ernennen sollen !Leider haben sie das verpasst und Riedener wurde CEO bei Emmi! Jetzt wurde er sogar von LIDL Besitzer Schwarz in sein Unternehmen berufen für speziele Aufgaben, denn sein Fachwissen ist gefragt und enorm.Vielleicht hatte der MGB ANGST vor dem Fachwissen vom Herr Riedener,da die Migros-Spitze ab un zu ein Kurs in der Migros-Klubschule belegt hatten.Und sonst nur Firmen aufgekauft wovon sie nichts verstanden.Das sind die Restposten die sie jetzt verkaufen mussten.
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Lose Kollektion von Gedankensprüngen. Man müsste zumindest die Sätze chronologisch noch etwas sortieren, damit ein lesbarer Text entsteht.
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Immerhin verzichtet der Oberst der Generation Abendrot auf eigene Lobhudelei. Das alles was er über Dutti und die Migros schreibt längst bekannt ist muss man ihm verzeihen!
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Lose Kollektion von Gedankensprüngen. Man müsste zumindest die Sätze chronologisch noch etwas sortieren, damit ein lesbarer Text entsteht.
DIE MIGROS VERWALTUNG MGB hätte den Urs Riedener (2000-2008)als Chef ernennen sollen !Leider haben sie das verpasst und Riedener wurde…
Immerhin verzichtet der Oberst der Generation Abendrot auf eigene Lobhudelei. Das alles was er über Dutti und die Migros schreibt…