Angenommen, wir treffen uns an einer Bar, nach etwas Smalltalk (Fussball, Ferraris, Feste), bei dem ich wenig Beeindruckendes einbringen kann, hole ich mit „meinen über 25 Jahren Berufserfahrung im internationalen Management Development“ zum finalen Befreiungsschlag aus. Ihre spontane Reaktion?
a) Respekt, in dem steckt doch mehr als gedacht.
b) Langweiler, hat der nichts anderes zustande gebracht?
c) Wohl eher 50 Jahre Erfahrung, so wie der aussieht.
Wie auch immer – mein Bekenntnis wird Sie nicht vom Barhocker hauen, und das Gleiche gilt natürlich auch im beruflichen Kontext. Und doch hat Klaus Stöhlker recht, wenn er hier schreibt, dass ältere Mitarbeiter „einfach Klasse“ seien.
Wir sollten unsere nutzbare (!) Erfahrung darum so beschreiben, dass ein Gegenüber einen Wert darin sieht. Wählen Sie dabei diejenigen Beispiele, die in der konkreten Situation (Bewerbung, Feedbackgespräch, Smalltalk, Memoiren) relevant sind.
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Im Folgenden zeige ich, wie das aussehen könnte, wobei ich jedem Buchstaben eine Anregung zuordne. Das macht es einfacher, Ihre eigenen Gedanken – und darauf kommt es an – jederzeit und überall (im Lift, beim Pendeln) zu machen, ohne diesen Artikel dabei zu haben.
E. Ergebnisse, die Sie vorweisen können, sind natürlich wichtig und hilfreich, um sich zu positionieren. Dabei sollten Sie Evidenzen bringen, also einen einsichtigen Nachweis. Das können positive Entwicklungen in Form von Zahlen sein. In meinem Bereich können das die Anzahl Seminar- oder Beratungsteilnehmer und deren Zufriedenheit mit mir sein. Noch besser natürlich, wenn ich die spätere Entwicklung meiner „Kunden“ in der Praxis vorweisen kann.
R. Wenn Ihnen dazu „Resultate“ einfällt – ok, aber das haben wir oben bereits untergebracht; wir nehmen darum etwas Originelleres. Resilienz, also Ihre Widerstandsfähigkeit. Je mehr berufliche Stürme Sie erfolgreich abgewettert haben, desto selbstbewusster sollten Sie auftreten können. Nach dem Motto „Was mich nicht umbringt, macht mich stärker“.
Wie übersetzen wir das in einen vermarktbaren Wert? Etwa indem ich Veränderungen beschreibe, die ich mitgestaltet habe (anstatt zu mauern) – in meinem Fall Führungsausbildung in Ergänzung zum Präsenzunterricht mittels AdobeConnect, obwohl ich gerne in der Welt herumgereist bin. Stichworte, die ich hier unterbringen kann: digitaler Wandel, Image (vorne dabei), Zeit- und Kostenersparnis, globale Reichweite, interaktiv, zielgruppengerecht, flexibel, gewisse Ergebniskontrolle.
F. Fehler, aus denen ich gelernt habe und mit deren Erkenntnis ich anderen (dem Team, dem Chef, der Firma) helfen kann, diese zu vermeiden und damit besser, schneller zu sein. Beispiele finden Sie sicher in Ihrer Projektarbeit oder in aussergewöhnlichen Situationen, die Jüngere nicht erlebt haben (können).
Sowas kann uns Ältere wertvoll machen. Ideal natürlich wenn etwas Gröberes ansteht, das Sie schon mal gemacht haben (etwa Integration verschiedener Teams oder Unternehmenskulturen nach Umorganisationen, Off-Onshoring, Zentralisierung-Dezentralisierung). Wer etwa beim UBS-SBV-Merger mit wachen Sinnen dabei war und sich trotz Fehlern durchboxen konnte, kann davon ein Berufsleben lang profitieren.
A. In Frage kämen etwa Agilität (hätte oben auch als Flexibilität oder inhaltlich unter Resilienz gepasst) oder Aufmerksamkeit; aber wir nehmen hier einen Modebegriff und schauen, ob wir daraus etwas machen können: Achtsamkeit (mindfulness). Warum auch nicht. Wenn Sie Techniken beherrschen, mit denen Sie Stress besser bewältigen können, ist das ein Vorteil, den Sie jederzeit in die Waagschale werfen können. In meinem Fall: Wenn wichtige Referenten ausfallen, das geplante Multimediaspektakel versagt, die Kunden nicht wie erwartet reagieren – gerate ich dann ins Zittern, mache alle verrückt, oder habe ich einen Plan B?
H. Hart aber herzlich; diese Kombination ist wohl nur mit einer gewissen Lebenserfahrung zu erlangen. Harte, schwierige Entscheidungen bezüglich Mitarbeitern, Kunden oder auch sich selbst treffen – gepaart mit einem menschlichen Verständnis des „Warum“ und „Wie sage und mache ich es“. Kurzum: Mit seinem Verhalten auch in schwierigen Situationen ein Vorbild zu sein, ist hier gemeint. Wenn der Humor noch vorhanden ist, nicht zynischer oder sarkastischer Art (eine – begreifliche – Gefahr bei viel Erfahrung), umso besser.
R. Joker! Den Buchstaben hatten wir schon mal, setzen Sie darum hier etwas ein, was in diesem Artikel aus Ihrer Sicht fehlt – und schreiben Sie das bitte als Kommentar hier im Forum im Sinne des Erfahrungsaustausches. Interessanter Punkt: Warum sind ERFA-Gruppen im Allgemeinen doch recht positiv besetzt, im Gegensatz eben zur Erfahrung, die wir hier thematisieren? Vermutlich, weil es ein Nehmen und Geben ist und weil man mit Erwartungen hingeht, die häufig erfüllt werden – das sollte immer auch unser Bestreben sein in unserer Übersetzungsarbeit hier.
U. Wie gehen Sie mit Unsicherheit, Unwägbarkeit um? Heute eine zentrale Stärke, wenn man das kann – und lediglich dank einer gewissen Seniorität beispielhaft zu belegen. Unsicherheiten gibt es bezüglich dem eigenen Job – hier können Sie ein reflektierendes Verhalten zeigen, indem dem Sie beispielsweise locker den hier immer wieder vorgestellten Kreislauf der beruflichen Entwicklung anwenden und thematisieren (der ja mit Client Experience, oder wie auch immer man das nennt, vergleichbar ist).
Oder hinsichtlich technologischer Entwicklung im Finanzbereich und deren Auswirkung auf Kunden und ihr Unternehmen: Das ist doch so spannend, dass Sie darüber mehr wissen wollen und damit nicht ganz wie das Kaninchen vor der Schlange wirken.
N. Ihre Neugier haben Sie sich hoffentlich bewahrt. Offen für Neues zu sein, traut man Älteren oft nicht mehr zu. Zeigen Sie, was Sie in den letzten Jahren noch angerissen haben, bei welchen Projekten mit Neuigkeitsgehalt Sie mitgewirkt haben (mein AdobeConnect Beispiel oben) und dass „lebenslanges Lernen“ für Sie eine Selbstverständlichkeit ist (hier haben Sie entweder noch ein sinn- und wertvolles Diplom erworben oder – was häufig realistischer und mindestens genauso wirksam ist – sich on the job weitergebildet).
G. Gesamtheitliches Denken und Handeln kann ebenfalls ein komparativer Vorteil von Älteren sein (ob dieses gewünscht und anerkannt, ist wieder eine andere Frage). Den Ausdruck selber würde ich nicht verwenden, sondern Beispiele bringen, wie Sie dank Ihrer Helicopter View Negatives verhindert oder Positives bewirkt haben. Wenn Ihnen das zu abstrakt oder geschwollen ist, können Sie auch auf Ihre erfolgreiche Zusammenarbeit über organisatorische Grenzen hinweg verweisen. Spasseshalber können Sie auch nochmals die Rezension zu Peter Wufflis „Inclusive Leadership“ lesen, wo Sie ebenfalls Beispiele gesamtheitlichen Denkens finden.
Zusammengefasst: Es bringt nichts, sich über mangelnde Wertschätzung gegenüber der Erfahrung von Älteren zu beklagen – die ist Fakt, und wir können das nur umgehen, indem wir uns in die Lage des Gegenübers versetzen und aus dessen Sicht unseren Beitrag beschreiben, den wir dank unserer Erfahrung leisten können. Ein paar Ideen dazu haben Sie hier gefunden. Versuchen Sie doch, das auf Ihre konkrete Situation zu übertragen.
Grüezi Herr Weidmann. Was meinen Sie, ist es bei der Stellensuche hilfreich, wenn man sagt, man sei SVP-Mitglied ?
Grüezi Herr Weidmann
Ihre Ratschläge in Ehren, die helfen in der Praxis jedoch nur bedingt weiter. Diese kommen nämlich typischerweise erst dann zum Zug, wenn man selbst bei der Job-Bewerbung in der Endrunde mit einem oder zwei anderen Kandidaten steht. Nur, in 99 % von allen Fällen kommt’s erst gar nicht soweit, weil die älteren Jahrgänge bereits in der Vorselektion ausgefiltert werden.
Ihre Ratschläge als solches sind in Ordnung, nur sind diese eigentlich nicht wirklich neue Informationen, sondern müsste jedem Menschen mit etwas Lebenserfahrung und Interesse geläufig sein, nicht nur den Bewerbern, sondern auch den Stellenausschreibern!
Unser System ist derart krank und dekadent geworden, dass ich mich primär nur noch mit Methoden beschäftige, wie wir als Gesellschaft gemeinsam aussteigen und ein System errichten können, das der Allgemeinheit dienlich ist, und nicht ausschliesslich der etablierten Konzerndiktatur. Die von Ihnen gelisteten Ratschläge – wenn man sie denn fertig denkt und in den Gesamtkontext fügt – fördern eigentlich nur weiterhin das Teile-und-herrsche-System, indem wir uns mit „Zusatzwissen“ gegenüber anderen Mitbewerbern besser durchsetzen, also die Ellbogen etwas mehr ausfahren können. Es fördert also weiterhin das Konkurrenzdenken, das Gegeneinander, anstatt dass es das Miteinander begünstigen würde. Dadurch werden wir ALLE, ohne es zu merken, gezielt zu Einzelkämpfer gegenüber dem System. Am Problem als solches werden wir damit jedoch überhaupt nichts verändern, ganz im Gegenteil!
Es braucht ein Umdenken, einen Bewusstseinswandel in unserer Gesellschaft, kein weiterführendes Kriechen vor dem Mammon! Wenn wir endlich begriffen haben, dass der Wille, die Macht und die Entscheidung ganz alleine bei uns liegt, ist ein Systemwechsel innert kürzester Zeit – zum Wohle der Allgemeinheit – möglich. Das könnte so schnell von statten gehen, wie wir uns heute mit unserer manipulierten und grösstenteils stillgelegten, dem Kommerz verfallenen Gehirnmasse gar nicht vorstellen können. Und das hat überhaupt NICHTS mit Sozialismus oder Planwirtschaft zu tun (was ebenfalls auch nur eine Form der Diktatur ist, wie die momentane…), nein, es geht ausschliesslich um unser Bewusstsein…
Lieber Visionär
Herzlichen Dank für Ihren wirklich gehaltvollen Beitrag. Sie haben schon recht: meine Gedanken sind nicht mehr und weniger als gesunder Menschenverstand, jedoch so aufbereitet, dass er möglichst dann wirkt, wenn man ihn braucht – die Welt verändere ich damit nicht. Vermutlich ist beides richtig: sich im Sinne des (wirtschaftlichen und seelischen) Ueberlebens geschickt zu verhalten, und gleichzeitig Visionen zu haben. Wenn die Diskrepanz allzu gross wird, haben wir allerdings ein Problem, und dafür habe ich auch keine Lösung.
Noch eine wichtige inhaltliche Bemerkung: natürlich zielen meine Beiträge hier eher auf ältere Berufstätige, aber in gewissem Sinne gelten sie auch für Jüngere, und zwar lebenslang. Die Stellenbewerbung, auf die Sie sich beziehen, ist für Aeltere wohl die schwierigste Situationen – vieles von dem, was ich hier vorbringe, gilt aber für sämtliche beruflichen Phasen, gerade auch, wenn es eigentlich gut läuft. Dieser Beitrag hier zur Erfahrung soll auch helfen, Selbstvertrauen aufzubauen und vielleicht eine gewisse Gelassenheit zu erwerben, was – nicht nur bei der Stellensuche – ungemein wertvoll sein kann.
Freundliche Grüsse
Georg Weidmann