Der regulatorische Filter ist der zweite Teil eines Pakets an Erleichterungen, den die Finma im Jahr 2017 mit der CS verhandelte.
Die ersten Erleichterungen wurden gleich gewährt, die zweite Runde ab 2019.
Es gibt zudem den Schutzfilter bezüglich eigenen Handelns respektive des Unterlassens bei den Medien.
Und hier muss man der Frage nachgehen, ob die Medien versagt haben. Alle waren diesbezüglich vom PUK-Bericht überrascht, warum?
Es geht nicht um Rückschaufehler. Mit dem Wort „Rückschaufehler“ (hindsight bias) umschreibt man die nachträglich verzerrte Einschätzung der Voraussehbarkeit von Ereignissen.
In gerichtlichen Verfahren zivilrechtlicher und strafrechtlicher Art ist die Versuchung gross, in diese Falle zu geraten.
Es geht um die Qualität der Medienberichterstattung, vor allem um deren Tiefe, und damit auch um die Zeit, die den Schreibenden für Recherchen zur Verfügung steht.
Tatsächlich hatte nämlich die Finma einen Teil der erleichterten Kapitalanforderungen für die beiden Grossbanken CS und UBS im Jahr 2017 öffentlich gemacht.
In einer Medienmitteilung vom 27. Oktober 2017 mit dem Titel „Grossbanken: Neues Kapitalregime für die Behandlung von Beteiligungen und Stand der Notfallplanung“ wurden Informationen offen geliefert, auch über die den beiden Banken umgehend individuell zugebilligten Rabatte.
Der zweite Teil aber, eben der regulatorische Filter, wurde der CS von der Finma dann ab 2019 gewährt und darüber wurde, obschon bereits beschlossen, nicht per Finma-Medienmitteilung wie 2017 (warum nicht?) informiert.
Auch die CS schwieg. Die Finma hatte die CS angewiesen, über diesen Filter in den Quartalsberichten Rechenschaft abzulegen.
So findet sich in der „regulatory disclosure“ der Credit Suisse vom 4. Quartal 2019 (Seite 6) eine ausführliche Darlegung der Situation bezüglich regulatorischem Filter und seinen Folgen, mit Zahlen unterlegt (15,5 Milliarden Franken Beitrag des Filters).
Von Analysten entdeckt wurde das erst später und zuerst nur von einem Autor von Autonomous Research in einem nicht öffentlichen Bericht „Special Situations, Credit Suisse Group, Less than meets the eyes“ im Juli 2021 sehr fundiert betrachtet.
Unter anderem wurde dort darauf hingewiesen, dass unter den gegebenen Rahmenbedingungen die Liquidität (payout capacity) eine Herausforderung darstellen könnte.
Mit den Worten „such a nice filter“ leitet er kritische Ausführungen zu den der CS gewährten Vorteilen beziehungsweise Erleichterungen ein.
Die CS, so wird darin ausgeführt, habe versichert, dass dieser Filter von der Finma auf Dauer („on a permanent basis“) gewährt worden sei.
Der regulatorische Filter wurde weder gedeckelt noch mit einer Laufzeit bedacht. Die CS hielt sich insgesamt an die vereinbarten Pflichten für die Kapitalerleichterungen (wie zum Beispiel die eine Milliarde Franken Kapitaläufnung jedes Jahr) bis Ende 2021.
Danach aber begann der Filter aus dem Ruder zu laufen. Diesen hätte die Finma jederzeit neu verhandeln können, was sie nicht tat.
Ein UBS-Analyst schrieb dann auch über den Filter; die Journalisten aber merkten es zu spät.
Die erste Frage lautet nun: Wieso hatte nur ein UBS-Analyst Kenntnis von dieser Studie und schrieb darüber? Die zweite Frage ist: Warum merkten es die Medien nicht?
Jedenfalls sind die 29 Seiten auch für den nicht zahlenaffinen Leser wie etwa mich sehr instruktiv und zeigen:
Die Ausgangslage und die Herausforderungen waren erkennbar, mögliche Szenarien ebenso. Es wäre zu erwarten gewesen, dass nun kritische Fragen gestellt würden zu den ganzen Kapitalerleichterungen inklusive Filter.
Das geschah nicht.
Der Lessons-Learned-Bericht der Finma von Ende 2023 merkte an, dass die Auswirkungen des regulatorischen Filters von der CS quartalsweise offengelegt werden mussten – und den Investoren somit bekannt waren.
Wortwörtlich: „Die Auswirkungen des im Gegenzug eingeführten Regimes betreffend die Anwendung der Sammelbewertung für Beteiligungen für aufsichtsrechtliche Zwecke (regulatorischer Filter) mussten von der CS quartalsweise offengelegt werden und waren den Investorinnen und Investoren somit bekannt.“
Damit auch interessierten Journalisten sowie der Finma selbst. Allen war zudem gemeinsam, dass die CS-Berichte immer länger und schwieriger zu lesen waren.
Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ich hatte mir den regulatorischen Bericht anfangs Dezember 2022 angeschaut, und am nächsten Tag mein CS-Konto leergeräumt.
Es war für jederman / jederfau / jederes klar ersichtlich, dass die Hütte am Brennen ist.
Dass Altbundesräte und die FINMA von der folgenden Entwicklung überrascht wurden, überrascht mich.
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Und wem fällt jetzt auf, dass auch die UBS einen regulatorischen Filter erhalten hatte, nicht nur die CS? Merken wir das jetzt vor oder erst nach dem nächsten Unfall?
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Hat die Frau Professor über den Filter geschrieben ? Falls Ja, wann und wo.
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Auch SRF gibt mit einer selbsternannten, hochtrabenden Etikette „SRF-Investigativ“ vor, besonders tief zu recherchieren. Brisantes wird jedoch wie die alte Fasnacht erst aufgegriffen, nachdem andere, weit glaubwürdigere Medien darüber längst berichtet haben. Die behäbige SRG (mit „Vorbildfunktion“ gem. Sommaruga) verharrt in Schockstarre und konzentriert sich vorwiegend auf die Abwendung der 200er-Initiative, und vielleicht noch auf den dämlichen ESC. Ein wahrlich nebensächliches aber sauteures Medium.
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Die neue UBS ist zu gross (und – neu – zu komplex) für die Schweiz!
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Die linken Medien (80%) habe keine diesbezügliche Sachkenntnisse. Der Rest wollte sich mit der CS nicht anlegen.
IP hat wohl leider keinen Hinweis dazu bekommen.
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Die hohlen Schweizer Nüsse crowden seit 30 Jahren systematisch in der Cloud „Exekutive, Judikative, Medien usw.“. Man findet sie überall dort, wo über Monika Roth gelacht wird. That’s Switzerland.
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Das ist eines der Hauptprobleme bei den Banken: die Jahresberichte sind kaum verständlich, wichtiges ist z. T. in Fussnoten versteckt. Dafür gibt es schöne Farbfotos von LBGTQ Mitarbeitern und ausführliche Berichte über diversity Programme. Das war damals bei der UBS nicht anders. Daher: dringend strengere, nachvollziehbare Regeln und ein strenges Saktionsregime!
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Die schönen Fotos sind leicht zu verstehen. Das ist mal Etwas!
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Inclusion hiess bei der CS: „Wir reiten diese Bude gemeinsam und zusammen s’Loch ab!“
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Diese hochkomplexen Ausführungen von Compliance Spezialistin Frau Dr. Monika Roth verstehe ich eh nicht. Aus meiner Sicht hat die Finma bei der Entwicklung der Credit Suisse bis zum Zusamnenbruch versagt.
All diese gewaltigen Nilliardenverluste bei der CS in schneller Folge, es gab keine Reaktion. Die Credit Suisse wurde von den bonusgeilen Managern ausgeplündert, auch da regte sich kein Widerstand. Es ist offensichtlich dass die Finma zuwenig Kompetenzen, und zu wenig Fachleute hat, um Bankenkatastrophen zu verhindern. -
Könnte die typische helvetische Korruption eine Rolle gespielt haben?
Zur Abklärung einfach allfällige Geldströme und sämtliche verdächtigen Kontobewegungen durch die Staatsanwaltschaft überprüfen lassen. -
Politiker, Aemter und Gerichte verpacken Handlungen mit Begruendungen.
Handlungen haben Folgen.
Wenn die Folge einer Handlung voraussehbar ist, ist das wirkliche Ziel nicht die Begruendung sondern die Folge selbst.
Der Filter der FINMA war in Wirklichkeit ein Freipass, die CS endlich zu begraben.
Die Message hinter dem Filter ist klar:
„macht weiter so, bis es kracht, weil nur so eine Monsterbank moeglich wird“
Obiger Artikel ist absolut genial strukturiert (chapeau).
Zuerst stellt Frau Roth die Frage:
„Und hier muss man der Frage nachgehen, ob die Medien versagt haben.“
Zuletzt beantwortet Sie wie folgt:
„Allen war zudem gemeinsam, dass die CS-Berichte immer länger und schwieriger zu lesen waren.“
Die Message des Artikels ist klar:
Die Schuldigen am Debakel sind bei der FINMA und in der Geschaeftsleitung der CS zu suchen, weil ueberall wichtige Information versteckt wurde (zBsp „schwieriger zu lesen“).
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Der Filter ist ein Werkzeug um die Bilanzen zu frisieren. Die eigentlich relevante Frage lautet wieso die CH-Politiker der CS Bank erlaubt haben ihre Bilanzen zu frisieren …
und wie viel die Politiker dafür kassiert haben.In der Schweiz besteht keine Pflicht zur Offenlegung der Mandate der Parlamentsmitglieder. Dadurch ist die Korruption vorprogrammiert.
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Hässig hat die Zeit und den Raum lieber dafür genutzt, über allfällige Ferien der Manager zu berichten. Kein Wort über die regulatorischen Filter, er hat den Jahresbericht auch nie (vollständig) gelesen. Mit anderen Worten, da wo der Investigativjourni seinen Job hätte machen können/müssen, hat er ihn nicht gemacht. Auch die Autorin dieses Berichtes hat es nicht geschnallt.
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Ja, was ist eigentlich mit der teuren 150-seitigen Klageschrift gegen Lucky? Abgesoffen wie die CS? Verfahren eingestellt wegen Ablebens des Klägers?
Uebrigens: IP war die einzige Instanz, die der CS und ihren Missmanagern so richtig an den Karren gefahren ist und den Untergang der Bude prophezeit hat.
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Hässig hat die Zeit und den Raum lieber dafür genutzt, Hass zu säen und faktenlos zu hetzen. Kein Wort über die regulatorischen Filter, er hat den Jahresbericht auch nie (vollständig) gelesen. Mit anderen Worten, da wo der Investigativjourni seinen Job hätte machen können/müssen, hat er ihn nicht gemacht. Auch die Autorin dieses Berichtes hat es nicht geschnallt.
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Es gab nur sehr wenige Journalisten, die frühzeitig auf die gefährliche Lage der CS aufmerksam gemacht haben. Zu ihnen gehört der liebe Lukas. Für seine Artikel wurde er von den Qualitätsjournalisten und IP-Konsumenten abgestraft. So läuft das heute.
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Das ist eben Schweizer Bünzli-Kultur: „psst, jo nünt säge!“
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Es gab nur sehr wenige Journalisten, die frühzeitig auf die gefährliche Lage der CS aufmerksam gemacht haben. Zu ihnen gehört…
Das ist eines der Hauptprobleme bei den Banken: die Jahresberichte sind kaum verständlich, wichtiges ist z. T. in Fussnoten versteckt.…
Das ist eben Schweizer Bünzli-Kultur: „psst, jo nünt säge!“