Raoul Weil, 54, weichgebetteter Ex-UBS-Star, wird zum letzten Fighter für den Underdog Schweiz. Absurder gehts kaum.
Genau das macht Weils heutigen Prozess gegen die scheinbar unbezwingbare US-Justiz zum Spektakel. Weil muss nur einen von 12 Geschworenen für sich gewinnen, schon ist er frei.
Weils Chancen liegen nicht bei Null. Er muss nicht beweisen, dass er unschuldig ist. Sondern er muss nur glaubhaft machen, dass ihm die Anklage kein konkretes Verbrechen nachweisen kann.
Weil weilte einst wie andere Topbanker in Miami an Art-Basel-Events seiner Ex-Bank UBS, traf sich mit Grosskunden, war im Bild über Zahlen und Strategien.
Nun hat er gewichtige Kronzeugen wie seinen Ex-Americas-Chef gegen sich. Doch am Ende entscheiden Gefühle. Geschworene sind Menschen, sie richten nach Eindrücken und Emotionen.
Ein Freispruch hätte weitreichende Folgen. Weil würde zum grossen Held, die USA stünden mit abgesägten Hosen da.
Und die Schweiz? Sie wäre die absolute Versagerin.
Die Geschichte des grossen Steuerstreits müsste neu geschrieben werden. Aus einem Kriminalfall würde ein geopolitisches Lehrstück – mit den USA als Kraftmeiern und den Schweizern als Angsthasen.
Als vor 7 Jahren ein gewisser Bradley Birkenfeld einem Washingtoner Staatsanwalt namens Kevin Downing den grossen UBS-„Steuerbetrug“ offenbarte, lagen ein paar Powerpoint-Ausdrücke auf dem Tisch.
Birkenfeld kannte keine Geschäftsgeheimnisse, nur Chefnamen und Verhaltensregeln für den Offshore-Einsatz. Der Ex-UBS-Mann hatte Material „nur für internen Gebrauch“ mitgebracht.
Tatsächlich Problematisches kam von der UBS – und später vom Finanzplatz.
Die hochbezahlten Spitzenbanker und ihre Handlanger in Bern hatten Panik gekriegt und sich vor den Amis bis auf die Unterhosen ausgezogen.
Kevin Downing und seine wenigen Kollegen im Department of Justice lachten sich ins Fäustchen. Einmal laut pusten genügte, schon machte sich die grosse UBS und der Offshore-Finanzplatz Nummer 1 der Welt in die Hosen.
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Wenn das so leicht geht, machen wir weiter, sagten sich Downing und seine Nachfolger in der Steuerabteilung des Department of Justice.
Sie nutzten die altbekannte Taktik von Zuckerbrot und Peitsche. Laut drohen, gleichzeitig mit Gnade locken. Und dann zuschlagen.
Zu recht. Warum auch anders agieren, solange die Taktik funktioniert? Jedenfalls liefen die Schweizer in die US-Falle; nicht einmal, nicht zwei Mal, sondern immer und immer wieder.
Jüngster Höhepunkt ist die Kapitulation der 100 Banken, die sich wie Schafe in die reumütige Gruppe 2 eingereiht haben. Statt erhoffter Milde kriegen sie die brutale Härte der USA zu spüren.
Den Amerikanern ist kein Vorwurf zu machen. Sie holen mit einer Truppe von vielleicht 10, höchstens 20 Beamten mehrere Milliarden Dollar ins Land und kriminalisieren ein hoch-rentables Geschäft, das sich moralisch überlebt hat.
Die Versager sitzen in der Schweiz: in Bern die zuständigen Bundesräte und ihre Spitzenbeamten, in Zürich und Genf die Chefbanker mit ihren Boni.
Am Anfang stand Eigennutz. Die UBS-Kapitäne, allen voran Präsident Peter Kurer, mussten wie Raoul Weil eine US-Anklage mit all ihren Folgen fürchten.
Statt Kurer & Co. ihrem Schicksal zu überlassen, was für die Individuen schmerzhaft gewesen wäre, für das Land aber verkraftbar, stellte sich Bern schützend vor die hochbezahlten Spitzenmanager.
Der Sünden- wurde zum Normalfall. Nach den UBS-Chefs rettete die Politik auch die CS-Chefs. Heute geniessen Bankenchefs Artenschutz.
Der Preis war die totale Unterwerfung unter die US-Fuchtel. Geopfert wurden nicht die Profiteure vom alten System, sondern eine ganze Industrie und letztendlich die Bürger des Landes. Ein Land, das die eigenen Gesetze missachtet, wird zur Bananenrepublik.
Die Strategie hiess Appeasement. Sie wurde zur helvetischen Richtschnur im Kräftemessen mit Goliath USA, verkörpert durch Eveline Widmer-Schlumpf.
Zunächst als Justiz- und danach als Finanzministerin war die Bündnerin entscheidend beim Kniefall der Schweiz vor den USA. Sie gab Amerika alles und erhielt nichts.
Nie riefen die Bundesrätin und ihre Unterhändler Stopp, immer gingen sie auf neue Forderungen aus Übersee ein.
Zuletzt handelten sie ein US-Programm für die Schweizer Banken aus, das kein Deal war, sondern eine Kapitulation.
Ob Widerstand mehr Erfolg versprochen hätte, werden wir nie wissen. Was sicher ist: Die Appeasement-Strategie hat zum totalen Desaster geführt.
Raoul Weils Strafprozess ist deshalb ein Fanal. Es wird Antwort auf die Frage liefern, was kampfbereite Schweizer Banken vor US-Richtern erwartet hätte.
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Die beliebtesten Kommentare
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@ Lukas Hässig: Sehr gute Zusammenfassung, @ Rückbauer: Sehr guter weiterführender Kommentar.
Was Feigheit vor dem Feind und Filz zugunsten oberster Investmentbanker dieses Land an Arbeitsplätzen noch kosten wird, wird erst allmählich offenkundig. Es werden jedenfalls viele werden.
Wenn wir den Schweizer Finanzplatz erhalten wollen, müssen wir mE Folgendes tun:
1) Verankerung Trennbankensystem in der Verfassung
2) Wiedereinführung + selbiges für Bankgeheimnis.
3) Totalreform Geld-, Fiskal, sowie ZentralbankpolitikDetails zu 3) habe ich in diesem Blog bereits mehrfach ausgeführt. In Stichworten sei hier wiederholt:
– Abschaffung der Unabhängigkeit der SNB. Da unnötig + dem Volk hierzulande nicht dienlich.
– Abschaffung der Frankenanbindung an Euro. Da am Ende eh unwirksam. Da nur einzelnen Wirtschaftssektoren dienlich, aber zu Lasten der Gesamtheit (Inflation) gehend. Daher viel zu teuer. Und eh anderweitig lösbar.
– Abschaffung von Staatsanleihen, die letztlich gegen Zinszahlung via SNB eh nur zu „Währung/Geld“ gemacht werden.
– Neu dafür: Regierungsausgaben simpel drucken. Im Rahmen eines Haushaltsbudgets. Jährlich. Ohne Zinszahlung. Da viel billiger, effizienter + deutlich weniger Inflation.
– Im Gegenzug: Abschaffung Direkte Steuern, da dann völlig unnötig. Eh nur ein Relikt aus Zeiten, als Geld aus Gold bestand, das die Regierung Bürgern daher physisch zur Deckung der Staatsausgaben wegnehmen musste. Heute muss man das nicht mehr – man druckt Geld elektronisch.
– Künftig keine neuen Direktsteuern mehr (also zB auch keine Kapitalgewinnsteuer)
– Ggf. Restrukturierung der Altschulden + Umstellung Altervorsorge auf 100% Kapitaldeckung ohne Staatsanleihen – nur noch Corp. Bonds, Aktien, Immobilien, Rohstoffe, etc. Da reine Sachwerte und damit weniger ausfallgefährdet.
– Abschaffung aller unsinniger und nach dieser Refom eh unnötiger Regulierungen des Finanzplatzes.
– Besetzung einheimischer Aufsichtsbehörden mit unbescholtenen Bürgern.
– Erklärter Widerstand gegen jegliche Ansätze ausländischer Wirtschaftskriegsführung.Eine gröbere Reform, ich weiss.
Aber unseren Finanzplatz würde es an die Spitze der Weltliga katapultieren, und die Schweiz bekäme eine Sonderkonjunktur, die in die Geschichtsbücher einginge..Die Alternative, nämlich so weiterzumachen wie bislang, kann sich hingegen jeder Noch-Beschäftigte und Steuerzahler mit jedem weiteren Artikel hier im Blog selber ausmalen..
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ich wünsche mir nicht Glück sondern Gerechtigkeit.
Ist es richtig, dass die Banken mit unlauteren, manchmal sogar kriminellen Methoden den weniger Glücklichen dieser Erde die Lebensgrundlagen entziehen?
Sicherlich, das Recht, Steuen einzuziehen ist kein Naturrecht, sondern normatives Recht. Jedoch ist das allgemeine Verständnis schon das, dass die, die dazu mehr in der Lage sind, auch mehr zum Gemeinwesen beitragen.
Im Prinzip muss man eigentlich nichts besitzen, was man nicht braucht. Und wichtig sind Bildung, Menschenwürde, ein gutes Herz, Nächstenliebe und genügend Zeit, um über die wichtigen Dinge des Lebens nachzudenken. Die Möglichkeit, die eigenen Kinder so aufzuziehen dass sie als verantwortungsbewussts Menschen in einer menschenwürdigen Umgebung leben
können. Mein Mitleid mit diesen Bankster-Nichtsnutzrn ist höchst überschaubar. -
Viel Glueck Herr Weil. Der Jury Pool in the USA besteht aus einem Gesellschafts-mix von Walking Dead (Zombies), Armen und von Banken gefolterten ehemaligen Hausbesitzer. So ich hoffe ihre Verteidigung hat eine catchphrase wie „If it doesn’t fit, you must acquit!“
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„Am Anfang stand Eigennutz. Die UBS-Kapitäne, allen voran Präsident Peter Kurer, mussten wie Raoul Weil eine US-Anklage mit all ihren Folgen fürchten.“
Genau dort liegt – wie Sie Herr Hässig treffend bemerken – der Ursprung des Schlamassels. Kann die Politik überhaupt dafür verantwortlich gemacht werden, diesen Scherbenhaufen, den andere verursacht haben, nicht aufgeräumt zu haben? Ist dies Aufgabe der Politik? Ist dies mit freier Marktwirtschaft vereinbar? Die Frage nach der volkswirtschaftlichen Verantwortlichkeit ist eine weitere Diskussion in diesem Forum wert.
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Auffallend ist jedenfalls, dass diejenigen welche den Hals nie voll genug kriegen konnten (Ospel, Gagnebin, Weil, Liechti usw.) meistens vom Basler Bankverein her kamen.
Und der seriöse SBG-Banker Joe Rickenbacher nach zwei Jahren bei der FINMA bereits wieder den Hut nimmt.
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Bisher war für mich alt Bundesrat M. Leuenberger der schlimmste BR, seit aber EWS im Amt ist kann man das ja auch noch locker toppen:-(
Wünsche Raoul Weil das nötige Glück an fairness, was aber in den USA leider nicht zu erwarten ist. -
Aber wir wissen:
Appeasment hat massgeblich zum 2. Weltkrieg geführt. -
Gute Zusammenfassung der bisherigen Geschehnisse. Das alles ist aber NICHTS Neues! Es war von Anfang an klar, dass die obersten Bänksters mit dem Verrat nur ihre eigene Haut retten wollten und noch wollen. Die Bank und die Ameisli, die täglich einen guten Job machen wollen, gehen denen am Abend vorbei. Der Brädeli ist hier das Paradebeispiel. Und dass eine Felsbergerin ein willfähriges, naives Werkzeug der Finanzlobby ist, erstaunt kaum. Das erinnert mich an den Hansruedi Merz und den wüsten Sohn Ghaddafi. Nicht nur vorauseilender Gehorsam, sondern auch noch gebückt. Welcher Politiker nimmt einmal den groben Keil für den groben Klotz? Selbst der Blocher nicht. Auch wenn er nicht Teil der „classe politique“ sein will, ist er Teil der Finanzlobby. Derweil wehrt sich der Weil. Das Ueberraschungspotenzial ist gering.
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Lieber Rückbauer
nicht nur äusserst treffend sondern auch mit herrlich bitterem, im Halse stecken bleibendem Humor formuliert. Die Realität kann leider nicht mehr rückgebaut werden.
Gratulation !
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Wozu zahlt der Schweizer Bürger eigentlich noch Steuern, die ja zu einem guten Teil – mal abgesehen von den Infrastrukturbeiträgen – eigentlich abgepresstes Schutzgeld darstellen? – Na ja, ein paar Kurerchen und Konsorten hat man ja geschützt.
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Leider müssen unsere Infrastrukturausgaben mit neuen Steuern und Abgaben finanziert (FINÖV, Benzinsteuerhöhungen, etc.) werden, da unsere Steuern für den Asyl- und Sozialwahnsinn draufgehen. Und vergessen wir dabei die Kosten der aufgeblähten Bundesverwaltung nicht. Schliesslich braucht der Bund genügend Personal zur Entlastung derer, welche sich während ihrer Arbeitszeit mit den wirklich wichtigen Dingen des Lebens, mit dem Erstellen und Versenden von Nacktselfies beschäftigen.
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Wozu zahlt der Schweizer Bürger eigentlich noch Steuern, die ja zu einem guten Teil - mal abgesehen von den Infrastrukturbeiträgen…
Gute Zusammenfassung der bisherigen Geschehnisse. Das alles ist aber NICHTS Neues! Es war von Anfang an klar, dass die obersten…
Aber wir wissen: Appeasment hat massgeblich zum 2. Weltkrieg geführt.