Wer die Börsenkurse in den USA verfolgt hat, weiss: Es geht nur aufwärts. Kein Tag vergeht ohne historischen Rekord: längste Folge von Tagen ohne Korrektur, tiefste je gemessene Volatilität, höchste P/E-Medianbewertung aller Zeiten, alle Aktienindizes gleichzeitig auf Allzeithoch.
Ich habe mich ein wenig bei Veteranen umgefragt, wie das möglich ist und was diesmal anders ist als früher.
Warum gibt es praktisch keinen Abwärtstick seit Jahresanfang?
Ein COO einer Broker-Firma: „Es sind nicht Käufer, die jede winzige Korrektur nutzen – sondern die Shortsellers unter seinen Kunden, insbesondere Hedge Funds, die ihre Verlustpositionen glattstellen (was einem Kauf entspricht).“
Ist die Bewegung vergleichbar mit 2008?
Nein sie ist extremer (wesentlich steilerer Anstieg).
Ist die Bewegung vergleichbar mit 1999?
Ja, vom Ausmass; nein vom Fokus (es werden praktisch alle Titel gekauft, nicht vorwiegend Technologietitel wie damals).
Und natürlich wollte ich Argumente hören, dass sich diesmal die Geschichte nicht wiederholt, wir diesmal keine 30%- bis 50%-Korrektur haben werden und es noch lange aufwärts geht.
1. Passiv- und Index-Investieren war niemals so ausgeprägt wie heute: Eine Aktie mit irrwitzigem P/E wird vielfach nicht wegen ihrer Attraktivität gekauft, sondern weil der Index steigt. Und wird die Aktie stark nachgefragt, steigt der Index.
2. Institutionelle mit „spezieller Mission“: Die Schweizer Nationalbank oder der Norwegische Staatsfund kaufen Facebook nicht, weil sie die Software lieben oder die Aktie als unterbewertet betrachten, sondern um Dollar zu deponieren. Zudem werden sie sich auch bei einem Taucher nicht so schnell aus der Ruhe bringen lassen wie ein Hedge Fund oder Privatanleger (der bei Verlust pleite geht).
3. Algotrader: Die Algorithmen erkennen und lernen, dass Momentum exzellent funktioniert und alles andere („Reverse to the Mean“, „Volatilität“, „Sector Rotation“, „Pair Trading“) nicht. „Never change a winning horse“. Kurzfristig ein gutes Argument, mittelfristig katastrophal. (Wenn sie lernen, dass nur mit Short-Positionen Geld zu verdienen ist.)
4. „Desaster-Awarness“: Die Nationalbanken wissen, dass die Abhängigkeit der Volkswirtschaften von Aktienkursen noch nie so hoch war und sie ihr Pulver weitgehend verschossen haben. Deshalb werden sie alles vermeiden, was Anleger beunruhigen und zum Verkaufen zwingen könnte. (Höhere Zinsen, höhere Steuern, weniger Kredite)
Zur Zeit gibt es wirklich kein einleuchtendes Argument, warum wir schon bald ein Platzen einer Blase wie Ende der Neunzigerjahre (S&P – 50%, Nasdaq -83%) oder nach 2007 (S&P -55%) erleben sollten, ausser dass sich in den letzten 100 Jahren die Geschichte immer wieder wiederholt hat. Hussman Funds hat einige historische Überlegungen gut zusammengefasst (Link hier).
(Extrakt für Inside-Paradeplatz-Leser; Originalartikel mit Kommentar „Longterm-Investor“ und weitere Investmentsdetails, siehe Longterm-Investor.)
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Im Einkauf liegt der Gewinn!
Billig kaufen und teuer verkaufen!
Heute: teuer kaufen und hoffentlich noch teurer verkaufen.
Oh, sehr erfreut, Herr Market, Sie hier persönlich kennen zu lernen. Bisher glaubte ich, der „Herr Markt“ sei eine Truppe von anonymen, windigen Spekulanten (tja, ein Pleonasmus), welche, so die Bibel jedenfalls, mit der Peitsche aus dem Tempel getrieben wurden. – Naja, nachdem Sie mir persönlich den Tipp geben, werde ich natürlich kaufen und dann höher verkaufen. Herzlichen Dank. Drei Mal habe ich schon das Spielchen mitgemacht: 1987, 2001, 2011 und…..neinnein, ich musste zeitlebens meine Kröten viel zu sauer verdienen. Ich habe seit längerer Zeit nur noch Aktien von Buden, die was mit Gewinn produzieren, das allen im täglichen Leben nützt. – Uebrigens: Dienen kommt von „verdienen“; und nach einem Crash ist die Kohle ja noch da, nur anders verteilt. Drôle de vie….
Weitere potentielle, jedoch keineswegs sichere 50% Kursanstieg (innerhalb welcher Zeitspanne) in extrem überbewerteten Märkten sind jetzt nicht gerade der Hit nach über 200% Kursanstieg ausgehend von einer Situation der Unterbewertung in den 8 Jahren zuvor.
Natürlich bleibt auf Jahre, Jahrzehnte alles so, wie es heute ist. Speziell, wenn sich die Gewinnwarnungen, wie es sie im Herbst 2015 für II/15 bereits schon einmal gab in mehreren aufeinander folgenden Quartalen wiederholen sollten…