16. Juni 2017, 12:55, Anfahrt auf Bern
Nachdem zwei Treffen mit Gianni Infantino niemanden zu interessieren schienen, weil seine Lässigkeit, informell Fälle voranzutreiben, gefällt, lässt sich Michael Lauber, seines Zeichens Schweizer Bundesanwalt, zu einem dritten überreden, auch wenn das Thema der Besprechung noch gar nicht auf dem Tisch liegt.
Die vier teilnehmenden Hauptprotagonisten kennen sich, sind Kumpels und haben im Schweizerhof noch immer gut gegessen. Lauber nimmt sich aber vor, diesmal die Rechnung selber zu bezahlen, und sie nicht wieder Gianni zu überlassen, der sie mit einem einzigen Blick an die Hotelleitung und somit die Kataris weiterzureichen imstande ist.
Den Humor des Walliser Oberstaatsanwalts Rinaldo Arnold, der das Treffen mit seinem Informationschef André Marty auch diesmal wieder eingefädelt hat, kennt Lauber mittlerweile zur Genüge. Auf dessen Vorschlag, diesmal das mehrgängige Menu „auszujassen“, konnte er gelassen lächelnd mit einem „Ja ja, ihr Walliser seid ein lustiges Völkchen“ reagieren.
Allerdings, der ganze Haufen von jetzt 25 offenen Verfahren „im Rahmen des Komplexes Fussball“, wie es so schön bei der Bundesanwaltschaft heisst, lassen Lauber schneller altern, als im lieb ist.
Er kommt nicht voran, das Ganze ist ihm über den Kopf gewachsen, vielleicht war er doch zu optimistisch. Die ältesten Fälle, allen voran der gegen Theo Zwanziger und die gekaufte WM von 2006, das „Sommermärchen“, drohen zu verjähren; in Deutschland selber wäre die Sommermärchen-Sache schon verjährt.
Eine Lösung für die sich zähflüssig hinziehenden Verfahren liesse sich vielleicht heute mit Gianni finden, wer weiss. Wenn sie sich einigen könnten, ein paar wenige Sündenböcke zu selektieren, den Rest der Fälle zu sistieren, dann könnten alle gut damit leben.
Er, Lauber, weil er dann gezeigt hätte, dass er Fälle erfolgreich zu Ende führen kann, und Gianni, weil damit die alten Geschichten endlich begraben sind, und das „FIFA Bashing“ aufhören wird.
Doch macht da Gianni mit? Etwas hatte Michael nämlich bei seinen Kontakten mit der FIFA gelernt: Infantino wollte von der dreckigen Wäsche gar nichts mehr wissen.
Sein ursprünglich hinaus posauntes Reinemachen, dass er so wirksam inszenierte und für das er zum Beispiel die Bezüge von Blatter veröffentlichen liess, war blosses Lippenbekenntnis.
Die neuesten Enthüllungen von „Football Leaks“ liessen Infantino in einem verheerenden Licht erscheinen, schlimmer noch wie Sepp. Aber im Unterschied zu diesem, scheint Gianni das gar nicht zu interessieren.
Ein ankommendes SMS auf das Mobile des neben Lauber sitzenden André Marty, sein Pressechef, reisst Michael aus seinen Überlegungen. Man ist im Zug, erste Klasse, noch 5 Minuten bis Bern. „Hallo André. Giannis Zug hat Verspätung. Wir werden ein paar Minuten später da sein. Bis gleich. Gruss.“
16. Juni 2017, 13:03, Anfahrt auf Bern
„Und, sind sie schon da? Schreib doch dem Empfang im Schweizerhof, sie sollen den beiden gleich ein Cüpli servieren.“
„Ok. Wie war es eigentlich beim Scheich, Gianni?“ Der das fragt ist Rinaldo Arnold, Jugendfreund von Gianni Infantino, der etwas mürrisch antwortet:
„Anstrengend wie immer. Aldo, ich sage dir, diese WM in Katar kann uns allen den Kragen kosten. Der Scheich und die ganzen Araber da unten haben keine Ahnung von Fussball. Das Einzige, was sie wollen, sind schöne Stadien und eine rassige Show, für Fussball interessiert sich kein Schwein. Was hat wohl Sepp geritten, dass er diesen Chabis da untern veranstalten liess.“
„Reg dich nicht auf, Gianni, du kennst die Beträge, die geflossen sind, und sei nicht ungerecht, der Scheich liess dich immerhin mit seinem Privatjet an das Meeting heute mit Lauber fliegen. Grosszügig und dankbar war er schon, das musst du zugeben.“
„Ja ja, aber es nervt mich einfach, dass ich den Scheiss, der mir Sepp eingebrockt hat, auslöffeln muss.“
„Aber Gianni, ihr seid euch einig über die Strategie, wie wir bis WM-Beginn 2022 alle Verfahren vom Tisch haben wollen?“
„Er hat meinen Plan ohne Widerrede geschluckt. Was sollte er auch sagen, der kennt ja die Rechtsverhältnisse in der Schweiz gar nicht.“
„Und die Deutschen, wissen die Bescheid?“
„Claro, Theo ist eine coole Sau, der spielt mit. Das Wichtigste für ihn ist auch jetzt noch: der Kaiser bleibt Taboo.“
„Und Sepp selber. Wie sieht der es?“
„Du weisst ja, der sieht sich immer noch als unverwundbaren Gralshüter. Wenn es nach ihm ginge, könnte Lauber sein Ding durchziehen, ist ihm egal. Du kennst Sepp, anders als bei Theo, der juristisch alles vom Hals haben will, geht es ihm um die Ehre. Mein Gott, Ehre, der Dussel wird nie erwachsen. Aber von mir aus, kann er haben. Ich hab ihm die Erlaubnis gegeben, wenn unser Treffen aufgeflogen ist, kann er so viele Ehrverletzungsklagen gegen mich anstrengen, wie er will. Das gibt nur noch mehr Zeit, in der nichts passiert.“
„Dann ist der einzig Leidtragende der nichts ahnende Michael.“
„Der soll froh sein, in mittelfristiger Zukunft kennt ihn dafür jeder in der Schweiz, und zwar für immer.“
Bern Hauptbahnhof, Ausgang linke Seite, für die Verspätung bitten wir um Entschuldigung.
Frühling 2020, Zürich, 18:03, Radio SRF
Radio: „Herr Lauber, letzte Woche verjährte das Verfahren gegen Theo Zwanziger und sein Sommermärchen von 2006. Diese Woche stellte die Bundesanwaltschaft alle noch hängigen Verfahren „im Rahmen des Komplexes Fussball“ ein, wegen Überlastung, mangelnden Fortschritten und fehlender Aussicht auf Erfolg. Wie fühlen sie sich?“
Lauber: „Beschissen.“
Radio: „Hatten sie jemals den Verdacht, dass das dritte Treffen mit Gianni Infantino 2017 im Schweizerhof nur eingefädelt wurde, um es später auffliegen zu lassen? Um damit die Arbeit der Bundesanwaltschaft zu stören und die Aufmerksamkeit auf sie zu lenken, letztendlich um damit die Verjährung der Fälle zu beschleunigen?“
Lauber: „Jetzt, da Sie fragen, eigentlich direkt nach dem Treffen. Wir haben nämlich bloss gut gegessen und nachher einen Jass geklopft. Gianni selber hat darum gebeten: Er sei nach der anstrengenden Reise nach Katar nicht in Stimmung, um zu arbeiten. Ich habe dann ziemlich viel gewonnen. Ich dachte für mich: So ein gutes Blatt, das gibts doch gar nicht.“
Radio: „Und wieso sind sie auf die fahrlässige Idee gekommen, ihr Treffen zu vergessen? Hätten Sie sich nicht mit dieser Ausrede herausschwindeln wollen, wären sie vielleicht noch im Amt.“
Lauber: „Ehrlich, das weiss ich nicht mehr.“
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Die beliebtesten Kommentare
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Man kann sich den Schreibtisch eines Schweizer Bundesanwalts damit so vorstellen:
Links die Akten mit Beschuldigten, die aufgrund der Beweislage überführt werden dürfen und wo eine Anklage vorbereitet wird
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Rechts die Akten mit Beschuldigten, die aufgrund der Beweislage überführt werden könnten aber die Anklage nicht vorbereitet wird.Die linke Seite wird von fähigen Mitarbeitern des Bundesanwalts am nächsten Werktag weitergeführt und mit der rechten Seite fährt man in ein Restaurant und handelt das weitere Vorgehen direkt mit den Beschuldigten aus.
Und wenn einer hier einwenden sollte, das sei überspitzt ausformuliert worden, der lese doch Dürrenmatts „Justiz“, wo ein hochangesehener Kantonalrat einen öffentlichen Mord begeht und es durch ein intrigantes und wohlvorbereitetes Interagieren von Protagonisten des Justizapparats schafft, am Ende freigesprochen zu werden.
Den ersten Entwurf zum Roman „Justiz“ verfasste Friedrich Dürrenmatt im Jahre 1957, also vor 62 Jahren.
Wer in diesem Roman Unterschiede findet zur aktuellen Vorgehensweise von Bundesanwälten und anderen Justizorganen in der Schweiz, der lege das Buch auf die rechte Seite seines Schreibtisches.
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Dürrenmatts ‚Justiz‘, absolut genial. Auch gut verfilmt mit Maximilian Schell. Der Tatort war in der ‚Kronenhalle‘ (=Schweizerhof)!
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Laubers #Justiz . . . dabei muss man klar feststellen, dass sowohl die AB-BA unter Oberholzer wie auch die Politik (#Politfilz) Schweizer Parlament – Parlement suisse – Parlamento svizzero auch massgeblich am Versagen ihre Mitverantwortung tragen!
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Seltsam, dass gemäss Staatsanwaltschaft der Vermögenshöchststand (Hoeness-Prozess) bei rund 164 Mio lag, gem. Zahlen der Urteilsbegründung sich aber ein Stand von 171 Mio Euro errechnet.
Dass die Sommermärchenzahlung 6,7 Mio war, ist sicher ein blöder Zufall. -
Schöne Geschichte! Was ich aber vermisse, dass es zur Bundesanwaltschaft gehört bzw. sie den politischen Auftrag hat, die heiklen Verfahren mit Schweizer Beteiligung in die Verjährung zu führen. Dann sind die wesentlichen Probleme gelöst d.h. auch den möglichen Reputationsschaden für die Schweiz bzw. die FIFA etc.
Ein Bundesanwalt wie Lauber oder einer der Vorgänger kann man opfern …. ABER nicht die FIFA oder welches Kommittee auch immer seinen Sitz in der Schweiz hat, als straffälliges Gebilde anzuprangern! Natürlich gilt auch hier die Unschuldsvermutung, die Frage ist nur, wie lange ist diese politisch noch haltbar?
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Das sieht aus wie absichtliche Vertuschung, um das ganze in die Verjährung laufen zu lassen.
Flankiert von weiteren „Blockierungsklagen“ von Blatter et al.
Hat das ganze Prozedere System?
Und wo sitzen die Steuermänner?
Ist das Schweizer Justiz?
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Tja, ein Märchen, vielleicht auch nicht. – Laubers Verhalten, Gespräche in Strafverfahren „informell“ zu führen, ist unverzeichlich. „Informell“, d.h. ohne Protokoll des institutionellen Funktionärs, ist ein Verstoss gegen elementarste Sorgfaltspflichten. Das muss untersucht werden. Er muss per sofort in den Ausstand versetzt werden. Es könnten ja private Interessen im Spiel sein. Wenn ja, fliegt er, wenn nicht, müssen disziplinarische Massnahmen, in welchem Umfang auch immer ergriffen werden. Jeder Konkursverwalter, jeder Bezirksanwalt, jeder Polizist führt in jedem Verfahren ein (mindestens chronologisches) Protokoll, wenn ich mich nicht irre. Nur der Herr Bundesanwalt nicht. Weshalb ist ein Bundesanwalt ein grösserer Flop als sein Vorgänger?
Aber es tut sich was (19.6.2019): https://www.bundesanwaltschaft.ch/mpc/de/home/medien/archiv-medienmitteilungen/news-seite.msg-id-75484.html
„Die Begleitung des Fussballkomplexes Seitens der Geschäftsleitung der BA wird ab sofort ausschliesslich durch den Stellvertretenden Bundesanwalt Jacques Rayroud wahrgenommen. Bundesanwalt Michael Lauber wird ab sofort an keinen Sitzungen mehr teilnehmen, welche den Fussballkomplex betreffen. Damit wird dem Ausstand des Bundesanwalts Rechnung getragen“.
Damit ist der Fall Lauber aber nicht vom Tisch.
PS: Hoffentlich werden im Anschluss an die offiziellen Sitzungen nicht noch unprotokollierte informelle Kaffee-Sitzungen stattfinden. -
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Die Aufgabe der Bundesanwaltschaft ist es eine erfolgreiche Strafverfolgung der Elite zu vereiteln. Anders kann man das Geschehene nicht erklären.
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Eine Variante. Es gibt andere. Noch viel weniger gute für Lauber…
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Ich weiss nicht warum wir in der Schweiz noch über Schurkenstaaten reklamieren wo doch bei uns Klüngelein und Korruption auch fast ungestraft an der Tagesordnung sind. Sendet dieses Märchen dem FBI damit die auch was zum Lachen haben. Bundesanwaltschaft solllte vom FBI interimsmässig übernommen und später zerschlagen werden. Ausser Spesen nichts gewesen. Blocher wollte schon vor Jahren diesen Laden zumachen, zu Recht, kein einzig brauchbares Urteil wurde produziert. Was soll’s ein CH-Possenspiel der besonderen Art.
Die Aufgabe der Bundesanwaltschaft ist es eine erfolgreiche Strafverfolgung der Elite zu vereiteln. Anders kann man das Geschehene nicht erklären.
Ich weiss nicht warum wir in der Schweiz noch über Schurkenstaaten reklamieren wo doch bei uns Klüngelein und Korruption auch…
Eine Variante. Es gibt andere. Noch viel weniger gute für Lauber...