Die unbekannte Burgerin aus Zermatt, einer der reichsten Gemeinden der Schweiz, sagt auf meine Frage hin, wem die Deutungshoheit gehört: „Niemandem. Auch den Bundesräten nicht mehr.“
Sie, eine Frau des oberen Mittelstands, welche die Schweiz kennt und die Welt gesehen hat, sieht die Schweiz, Europa und die Welt in einem Zustand des Chaos.
Damit ist sie einer Meinung mit dem entfernt lebenden israelischen Autor Yuval Noah Harari, der das Chaos beschreibt als einen Zustand des Übergangs, wo einzig die nackte Macht zählt.
Schon am 18. November wusste Chefredaktor Eric Gujer, wie er auf der Titelseite der „NZZ“ schrieb: „2024 wird ein Höllenjahr“.
Er meinte wohl 2025, denn das Schlimmste steht uns noch bevor.
Der Glaube, Moskau würden Soldaten und Waffen ausgehen, erwies sich als Wunschdenken.
Wladimir Putin zeigte sich stärker als erwartet, ganz wie Roger Köppel, Verleger der „Weltwoche“, dies während Monaten publiziert hatte.
Die „nackte Macht“ zeigte sich vor allem in Israel, wo Benjamin Netanjahu nahezu uneingeschränkt einen Krieg gegen die Hamas, das palästinensische Volk, den Libanon und zuletzt auch gegen den zerbrochenen syrischen Staat führte.
Für Westeuropa zeichnet sich ab, dass es nach einem von Donald Trump erzwungenen Friedensschluss in der Ukraine seinen Einfluss in Osteuropa verliert. Dort wird Elon Musk bestimmen, wer das grosse Wiederaufbau-Geschäft betreiben darf.
Westeuropa wird auch bei der Neuordnung des Nahen Ostens keine Rolle mehr spielen. Geleitet vom Team Trump-Netanjahu, werden die Türken und die Herrscher Saudi Arabiens das einstige Osmanische Reich und dessen Schätze neu aufteilen. Europa bleibt eine Nullnummer.
Ob Xi Jinping dies nutzen wird, die Insel Taiwan noch stärker als bisher in die Enge zu treiben, werden wir im NZZ-Höllenjahr 2025 erleben.
Ganz anderer Meinung ist der UBS-Konzern, der uns wissen lässt, wir würden nach hundert Jahren nach einmal die „Goldenen Zwanziger“ erleben.
Wenn die Politiker von Macht träumen, haben die Bankiers vor allem „Cash and Credit“ im Auge.
Insofern dürfen wir nahezu paradiesische Zustände erwarten. 2024 war in der Schweiz für Besitzer von Immobilien, Aktien, Gold und Bitcoins ein wunderbares Jahr.
Die UBS vermutet, dies bleibe in den kommenden Jahren dieses Jahrzehnts so.
Nicht alle glauben diese Vorhersagen, wie ich sie bisher aufgeführt habe. Es kann auch alles ganz anders kommen. Wir würden dies nicht zum ersten Mal erleben.
Weltweit, und in der Schweiz wie Europa ganz besonders, ist der Kampf um die Deutungshoheit über die heutigen und kommenden Ereignisse im Gange.
In der Schweiz beansprucht die „NZZ“ die Deutungshoheit für die ganze Schweiz (und Teile Deutschlands, vor allem Berlin).
Sie hat, auf vergleichbarem intellektuellem Niveau, nur eine Konkurrentin, die SRG, vor allem den Nachrichtenkanal SRF 4.
Tagi, Ringier und CH-Media beanspruchen ebenfalls die Deutungshoheit, haben aber bei weitem nicht die gleiche Schlagkraft oder Einfluss auf die Schweizer Gesellschaft.
Grosse Teile des Volkes, die früher den Parteien, den christlichen Kirchen oder den Militärs Deutungshoheit zusprachen, haben von allem Abstand genommen.
Es breitet sich daher auch in der Schweiz jener anarchistisch-chaotische Zustand aus, bei dem mehr als die Hälfte der Bevölkerung abseitssteht, geht es um staatliche, wirtschaftliche oder soziale Belange.
Ist das der Weg in die Hölle, wie von Eric Gujer skizziert?
Das Schweizer Volk, seiner Eigenständigkeit immer mehr beraubt, sieht seinen Staat in die Arme der NATO und der EU treiben.
Die grössten Schweizer Konzerne, Banken, Versicherungen und Industriebetriebe werden mehrheitlich von US-amerikanischen, englischen, deutschen Managern und Verwaltungsräten wie auch Arabern, Ägyptern, Thailändern und Chinesen geführt.
Dutzende von Milliarden Franken fliessen jedes Jahr in Form von Dividenden und anderen Erträgen ins Ausland.
Noch geht das gut, weil auch das Schweizer Kapital Milliarden von Franken jährlich aus dem Ausland holt; darauf beruht unser Wohlstand. Nicht auf dem Fleiss der Bauern und des Gewerbes, die sich oft nur knapp über Wasser halten können.
Europa wird die Schweiz nicht retten können. Die EU ist zu einem Kartenhaus sondergleichen geworden, das sich laufend mehr verschuldet und jederzeit einbrechen kann.
Die kürzlich noch als stark beschriebene Achse Berlin-Paris ist zusammengebrochen.
Das Macron’sche Frankreich ist bankrott, die Deutschen sind ohne Regierung. Dennoch will EU-Präsidentin Ursula von der Leyen die Ukraine wenn nicht retten, dann mindestens wieder sanieren.
Die notwendigen Milliarden dafür sind nicht im Budget der EU. Bei gutem Wetter und Tiefstzinsen mag dieses Konstrukt noch halten, aber bei schlechtem Wetter, wenn die Banken den Regenschirm einziehen?
Und Donald Trump steht vor der Tür.
Er will sein vierfach teureres LNG-Schieferöl an die Europäer verkaufen. Gleichzeitig verlangt er von den europäischen NATO-Mitgliedern eine Aufstockung der Militärbudgets von 1 bis 2% auf 5% des Bruttoinlandprodukts (BIP).
Das ist Erpressung, das ist die nackte Macht.
Würden die EU-Staaten dem Folge leisten, entspräche dies einer sozialen Verarmung ihrer Bevölkerung.
Wer hat die Deutungshoheit, dem zu widersprechen? Niemand in Europa, niemand in der Schweiz. Wir kriechen jetzt schon auf dem Bauch, fällt der Name des neuen Duo Infernal Trump-Musk oder Musk-Trump.
Europa ist eine fette Beute für die USA. Auf den Sparkonti der Europäer, ohne die Schweiz, liegen über 35’000 Milliarden Euro. Das entspricht ziemlich genau dem Staatsdefizit der USA.
Wer die EU oder gleich ganz Europa schluckt, einschliesslich der Schweiz, hat sich saniert.
Darüber nachzudenken, fällt vielen schwer. Wenn ich aber sehe, wie unsere „Atlantiker“, sei dies Viola Amherd, die für die Schweiz unnötige F-35 Kampfflieger gekauft hat, oder FDP-Präsident Thierry Burkart, für den die Sonne im Osten aufgeht, auftreten, dann kommen mir Zweifel daran, das unser Land noch fähig zur Selbstverteidigung ist.
Weiter schon als Donald Trump ist der Islam in Europa vorgedrungen. Es waren unsere Industrien und viele Dienstleistungsfirmen, welche die Moslems ins Land holten.
Den erwünschten Moslems folgen nun die unerwünschten.
Vielleicht erinnern wir uns daran, dass das Christentum, vor allem das römisch-katholische, 500 Jahre lang in die ganze Welt vorgedrungen ist.
Es war die Religion der europäischen Herrscherfamilien, die mit dem Schwert und dem Kreuz Millionen Ungläubiger ausrottete. Die Erinnerung daran ist gerade bei den Moslems sehr lebendig.
Wo liegt die Deutungshoheit für diese Vorgänge?
Wollen wir Europa und die Schweiz verteidigen, brauchen wir nicht nur eine Armee, die aufzubauen 10 bis 20 Jahre dauern wird.
Wir brauchen auch Bildung, die vom heutigen Schulsystem nicht mehr geleistet wird. Ohne Bildung wird es Europa und die Schweiz nicht mehr geben. Wir machen uns da etwas vor.
Europa und die Schweiz kulturell zu besiegen, wäre noch vor hundert Jahren undenkbar gewesen.
Lesen und schreiben können immer weniger Menschen, verstehen noch weniger. Gerade das liberale Europa war über 200 Jahre Garant des Fortschritts.
Es besteht der Verdacht, dass wir uns seit 1989, dem Zusammenbruch der Sowjetunion, auch im Westen übernommen haben.
„Das Ende der Geschichte“ des US-Autors Francis Fukuyama war für mich immer Blödsinn. Die Geschichte ist erst zu Ende, wenn die Sonne die Erde auslöschen wird.
Ivan Krastev, Vorsitzender des Zentrums für liberale Strategien in Sofia, einer meiner Lieblingsautoren, warnt uns, auch eine EU sei nicht für immer.
Im Augenblick herrscht in Europa ein nahezu hysterischer Zustand. Auch in der Schweiz brodelt es im Volk, wie die jüngeren Abstimmungen gezeigt haben.
Die Stimmbürger haben damit begonnen, ihre Eliten zu bestrafen, sie aus dem Land zu jagen und von den Stammtischen zu verbannen.
Die noch überlebenden Eliten suchen Beruhigungsmittel für ihre Wahl- und Stimmvölker, sei es auch nur auf Kosten neuer Staatsschulden.
Der grosse Optimismus im Westen nach 1989 ist rasch verflogen.
Dem liberalen „High Noon“, so Krastev, folgte der Sieg der Taliban über Russland. Er vergass dabei zu erwähnen, dass es die Amerikaner waren, welche die Taliban so aufrüsteten, dass sie gegen die Amerikaner gewinnen konnten.
Fast gleichzeitig fiel die Berliner Mauer, sodass der Westen glaubte, er sei unbesiegbar geworden.
1989 hat auch Elon Musk Südafrika verlassen, um in den USA die Welt zu verändern. Ob wir demnächst in einer Muskokratie leben werden, die von Donald Trump ins Chaos geführt wird, dürften die meisten der Lebenden noch erfahren.
Wer hat die Deutungshoheit über die Gegenwart und die Zukunft? Vielleicht hat Eric Gujer doch recht: Wir leben in der Hölle.
Die Hölle ist die Abwesenheit der Liebe. Sei es die göttliche Liebe, die uns seit 2000 Jahren versprochen wird, oder eine zweite Aufklärung.
Ich wünsche allen ein gutes Neues Jahr.
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